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3 Fragen an Jenny Erpenbeck

Sie haben sich in einem offenen Brief für die Flüchtlinge vom Berliner Oranienplatz engagiert. Was hat das mit Ihrem neuen Roman zu tun?

Auch in meinen bisherigen Büchern habe ich viel über die Frage der Herkunft und über die Brüche in Biografien nachgedacht. Also über das, was Entwurzelung und Flucht nicht nur für ein Menschenleben, sondern auch in Hinsicht auf nachfolgende Generationen bedeuten. Flüchtlinge wie die vom Oranienplatz sind mitten in unseren Städten, über sie wird verhandelt, sie geben gutes Rohmaterial ab für Politik – und auch für Rassismus. Aber wer sind diese Menschen überhaupt? Wie vergeht ihre Lebenszeit? Warum können sie nicht dort sein, wo sie eigentlich sein wollen – in ihrer Heimat? Und wer sind wir, dass wir sagen dürften, es sind zu viele? Das interessiert mich.

Was kann Literatur zu diesem gesellschaftlich so bedeutenden Thema beitragen?

In der wirklichen Welt gibt es im Moment sehr viele Fronten. An einem Buch ist das Schöne: Es ist eine Welt für sich. Literatur ist ja nicht nur Erzählen, sondern setzt Zuhören voraus, und Zuhören bedeutet, dass man sich mit Respekt begegnet. Wahrnehmung ist kein Luxus, sondern essentiell notwendig, so wie Essen und Trinken. Wo Gesetze die Wahrnehmung verhindern, kann der Literatur, so hoffe ich, diese Annäherung dennoch gelingen.

Welche war für Sie die wichtigste Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit den Themen „Flucht“ und „Asyl“?

Ein Mensch, der in Italien oder Griechenland als Flüchtling anerkannt ist, darf nicht wie ein Verbrecher behandelt werden, nur weil er auf der Suche nach Arbeit in ein anderes europäisches Land kommt. Freizügigkeit innerhalb Europas zu verweigern, ist nicht nur unmenschlich, sondern auch kurzsichtig.
Es treibt junge und hochmotivierte Menschen, die hier ihren Platz finden könnten, in Verzweiflung, Prostitution und Kriminalität. Armut und Kriege in den Herkunftsländern der Flüchtlinge haben wiederum oft ganz direkt mit unserem Wohlstand zu tun. Es gibt nun einmal nicht drei oder vier Welten, es gibt nur eine. Dass ein Gefälle nach Ausgleich strebt, ist ein Naturgesetz.