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Monroe: Vergiss nie

J.S. Monroe im Interview zu seinem neuen Buch »Vergiss nie – Ich weiß, wer du bist«

Wussten Sie, dass J.S. Monroe eine besondere Verbindung zu Berlin hat?

J.S. Monroe
© Hilary Stock
Eine kurze Biografie:
Im Moment schreibe ich unter dem Pseudonym J. S. Monroe psychologische Thriller, aber ich habe auch schon fünf Spionageromane unter meinem echten Namen Jon Stock veröffentlicht. Bevor ich Vollzeitautor wurde, habe ich immer nur neben meiner Arbeit als Journalist schreiben können, oft während meiner frühmorgendlichen Pendelei im Zug nach London.
Ich habe an der Universität von Cambridge Englisch gelehrt und anschließend als freier Journalist in London gearbeitet. In dieser Zeit habe ich Beiträge für die meisten überregionalen britischen Zeitungen geschrieben und Sendungen für BBC Radio 4 produziert. 1995 habe ich in Kerala in Südindien gelebt, wo ich bei der Zeitschrift »The Week« angestellt war. Zwischen 1998 und 2000 bin ich als junger Familienvater wieder nach Indien zurückgekehrt und habe als Auslandskorrespondent in Neu-Delhi gearbeitet, schrieb Artikel für »Daily Telegraph«, »South China Morning Post« und »Singapore Straits Times«.
Irgendwann wurde mir klar, dass ich für den Unterhalt von drei kleinen Kindern einen »richtigen« Job brauchte, also habe ich bei meiner Rückkehr aus Indien eine Stelle als Redakteur für die Wochenendbeilage des »Telegraph« in London angenommen. Während der ganzen Zeit habe ich immer geschrieben, unter anderem meine dreiteilige Spionagereihe um »Daniel Marchant«, für die sich Warner Bros. die Filmrechte gesichert hat. 2015 verließ ich schließlich den »Telegraph«, um mich als Vollzeitschriftsteller J. S. Monroe in Wiltshire niederzulassen, wo ich laufen gehe, Tennis spiele und im Vorstand des Marlborough Literary Festivals sitze. Meine Frau ist Kunstfotografin, und meine Kinder sind inzwischen 21, 19 und 16 Jahre alt. Der älteste von ihnen hat eine Weile in Berlin gelebt und dort für eine Plattenfirma gearbeitet, bevor er zurückkam und eine Ausbildung in den Londoner Abbey Road Studios begann.

Warum sind Sie Schriftsteller geworden?
Ich weiß nicht, ob es irgendjemanden gibt, der sich bewusst dazu entschließt. Ich wollte unbedingt ein Buch schreiben, dann noch eins und noch eins … Irgendwann kann man sich dann wohl »Schriftsteller« nennen, aber es ist eher etwas, was einem widerfährt, nicht so sehr ein Karriereweg, den man bewusst einschlägt.

Woher stammen die Inspirationen für Ihre Bücher?
Ich bin neugierig auf die Welt, in der ich lebe, und immer auf der Suche nach Ideen – im Moment interessiere ich mich besonders für Neurowissenschaften und das Gehirn –, doch am Ende bleibt die wichtigste Inspirationsquelle das eigene Leben. Erfahrene Autoren raten Neulingen gern dazu, über das zu schreiben, was sie kennen, und da ist etwas dran. »Vergiss nie – Ich weiß, wer du wirklich bist« beginnt zum Beispiel mit einer Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat. Sie erinnert sich nicht einmal mehr an ihren eigenen Namen. Alles, was sie weiß, ist, dass es irgendeine Verbindung zwischen ihr und einem Haus in dem Dorf gibt, in dem sie gerade ankommt. Doch als sie dann zu »ihrem« Haus geht, blickt sie durch ein Fenster und sieht ein anderes Paar drinnen beim Abendbrot sitzen. Ich selbst bin auch immer spät abends nach der Arbeit aus London in mein eigenes Dorf zurückgekehrt und habe mir vorgestellt, wie schlimm es wäre, statt meiner eigenen irgendwann vielleicht eine andere junge Familie durch das Fenster zu sehen.

Was für eine Art von Geschichte schreiben Sie gerade?
Eine moderne Version des Doppelgänger-Themas. Eine Frau ist davon überzeugt, dass ihr Partner durch einen Doppelgänger ersetzt worden ist. Hat sie Wahnvorstellungen oder ist es ein Wiedergänger aus der Vergangenheit des Mannes, der ihn nun heimsucht? Es ist ein sehr nervenzerreißender, verstörender Thriller, angesiedelt in der Welt moderner Technik und eines revolutionären Start-ups für Gesichtserkennungssoftware. Ziemlich kompliziert zu schreiben.

Wer sind Ihre Lieblingsautor*innen und warum?
Ich wollte immer schon einen richtigen Pageturner schreiben, weil das die Bücher sind, die ich auch selbst gerne lese. Und wonach ich in einem Spannungsroman immer suche, ist der beunruhigende Eindruck, dass die Dinge nicht so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Ich liebe zum Beispiel den Moment, in dem einem in »Der Magus« von John Fowles die Kinnlade herunterfällt, wenn eine Frau sich scheinbar an zwei Orten gleichzeitig aufhält und wir als Leser*innen uns die Frage stellen, was zum Teufel da vor sich geht. Ich mag es auch, wenn ich in den Akt der Täuschung eingeweiht bin und einer Figur dabei zuschaue, wie sie vorgibt, jemand anderes zu sein, man denke etwa an Patricia Highsmiths »Der talentierte Mr. Ripley« oder Donna Tartts »Die geheime Geschichte«. Der Aufbau eines Spannungsromans ist ebenfalls von zentraler Bedeutung. Unzuverlässige Erzählerstimmen oder das Erzählen aus verschiedenen Perspektiven finde ich besonders reizvoll – »Gone Girl« von Gillian Flynn habe ich geliebt und natürlich ist kein Spannungsroman, der etwas auf sich hält, ohne eine schockierende Wendung vollständig. Das Beste, was ich in dieser Hinsicht in letzter Zeit gelesen habe, war »Meine Seele so kalt« von Claire Mackintosh. Auch die Wendung auf der Metaebene in »Honig« von Ian McEwan hat mir gut gefallen.

Welche Bücher haben Sie kürzlich gelesen?
Für mein neuestes Projekt habe ich viele Doppelgängergeschichten gelesen, also viele schottische Texte wie Robert Louis Stevensons »Doktor Jekyll und Mister Hyde« oder »Die Privaten Memoiren und Bekenntnisse eines gerechtfertigten Sünders« von James Hogg. Außerdem lese ich gerade »Zwischenwelten. Ein Neurowissenschaftler erforscht die Grauzone zwischen Leben und Tod« von Adrian Owen.

Was ist Ihr persönliches Lebensmotto?
Ich habe zwei: 1. Je härter man arbeitet, desto mehr Glück hat man. 2. Hoffe auf das Beste, wappne dich für das Schlimmste …

Was tun Sie, wenn Sie gerade nicht schreiben?
Ich laufe gern (wenn auch nicht sehr schnell) übers englische Land, spiele Tennis (wenn auch nicht sehr gut) für das Männerdoppel meines Dorfes, ich mag Kneipenquiz, Reisen, ich helfe meiner Frau gern bei ihrer Karriere als Fotografin (kümmere mich um die Webseite, die Social-Media-Accounts und halte die Requisiten bereit), unterstütze unsere drei Kinder bei ihrem Start ins eigene Leben und engagiere mich im Vorstand unseres lokalen Literaturfestivals, Marlborough LitFest.

Fünf Dinge, die wir noch nicht über Sie wissen …
1. Ich hasse den Brexit und hoffe, wir können gute Freunde mit Europa bleiben.
2. Als ich sechs Monate alt war, lebte ich zwei Jahre lang in Munsterlager östlich von Bremen.
3. »Das Leben der Anderen« ist einer meiner Lieblingsfilme.
4. Unser ältester Sohn hat vier Monate in Berlin gelebt und in einem Tonstudio gearbeitet. Er half mir bei meinen Recherchen für »Vergiss nie – Ich weiß, wer du wirklich bist«, vor allem beim Finale im Nachtclub, aber er hat mir nicht erlaubt, ihn ins Berghain zu begleiten …
5. Vor Kurzem habe ich Peter Wittig kennengelernt, den zauberhaften deutschen Botschafter in London, er war auf einer Orientierungsveranstaltung in der Schule unseres jüngsten Kindes eingeladen. Ich selbst habe mich mit Schüler*innen getroffen, die Schriftsteller werden wollen, und Peter traf sich mit solchen, die eine Diplomatenlaufbahn einschlagen möchten. Er hatte mehr zu tun als ich …


Über das aktuelle Buch

Wie würden Sie den Inhalt Ihres Buches in einem Satz zusammenfassen?
Gedächtnisverlust ist Angst einflößend, doch manchmal ist es sogar noch schrecklicher, sich zu erinnern.

Was hat Sie zu diesem Buch inspiriert?
Wenn ich mit der Arbeit an einem Buch beginne, grabe ich mich gern tief ein und schaue dann, ob ich mich aus dieser Lage wieder befreien kann. Ich habe mich immer gefragt, was passieren würde, wenn hier bei uns auf dem englischen Land eine Person auftauchen würde, die sich an nichts mehr erinnert, nicht einmal an ihren eigenen Namen. Gedächtnisverlust ist ein Thema, über das im Moment sehr viel medizinische Forschung betrieben wird, da immer mehr Menschen irgendeine Art von Demenz entwickeln. Warum vergessen wir – und was könnte die Erinnerung an etwas stimulieren, das wir tief in unserem Hirn vergraben haben?

Wer ist ihre Lieblingsfigur in dem Roman und warum?
Für eine schöne Verschwörungstheorie bin ich stets zu haben – zufällig leben wir nicht weit von Salisbury entfernt, wo der Anschlag mit dem Novichok-Nervengift stattfand –, aber ich muss mich immer daran erinnern, dass solch schrecklichen Dinge meist durch irgendwelchen Mist, den wir selbst bauen, geschehen, und die Ursache nicht in geheimen Regierungsabteilungen liegt. In meinem Buch gibt es einen Iren namens Sean, der ständig im örtlichen Pub herumsitzt und jede nur erdenkliche Verschwörungstheorie glaubt – je verrückter, desto besser. Mit ihm würde ich gern mal ein Bier trinken gehen.

Welche Szene war am schwierigsten zu schreiben?
Ohne zu viel zu verraten, gibt es eine wichtige Szene am Ufer eines Kanals mitten im Buch, in der ein gefährlicher psychisch Kranker und die schnelle Eingreiftruppe der Polizei eine wichtige Rolle spielen. Mein Detective aus Wiltshire, Silas Hart, gerät in diese Situation hinein und versucht sich menschlich zu verhalten und Blutvergießen zu vermeiden. Es war sehr schwierig, diese Szene richtig hinzukriegen: Sie ist eine Mischung aus präzisen Abläufen, Spannung und Gefühl. Der Schlüssel zu dieser Szene liegt einige Kapitel zuvor, wenn ein wichtiger Hinweis gegeben wird, indem die Erzählperspektive von der ersten in die dritte Person wechselt. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie vielen Leser*innen das auffallen wird …

Welcher Art Leser*in wird Ihr Buch mögen?
Ich hoffe, dass es Menschen gefällt, die zwar einen spannenden Thriller, aber auch eine Geschichte mit ein bisschen mehr Substanz lesen wollen, nicht nur eine schnelle Wegwerflektüre. Auf dem Markt gibt es eine Menge Thriller mit weiblichen Opfern als Hauptfiguren. Auch meiner beginnt so, aber es ist nicht alles, wie es scheint. Ich erhoffe mir außerdem, dass die Leserschaft etwas über Gedächtnisverlust und darüber lernt, wie unser Hirn funktioniert, dass jede Handlung, vor allem auch eine bösartige, irgendwann Konsequenzen zeigt. Zwar kann das Gehirn zum Vergessen gebracht werden, doch die Erinnerung bleibt irgendwo bestehen, vergraben in einem Netz aus Neuronen. Und wenn sie wieder zum Vorschein gebracht wird, kann der Gerechtigkeit endlich Genüge getan werden.

Gibt es irgendwelche Bücher, mit denen sich Ihr eigenes vergleichen lässt?
Das Buch, das mich schon beschäftigt hat, bevor ich es überhaupt gelesen hatte, ist »Ich. Darf. Nicht. Schlafen.« von S. J. Watson. Auch darin geht es um Gedächtnisverlust, und es hatte einen nachhaltigen Einfluss auf mein eigenes Schreiben. »The Woman in the Window« von A. J. Finn ist elegant geschrieben, und ich mochte die Art, wie Finn die Vergangenheit der Hauptfigur enthüllte. (Übrigens ist auch die Vergangenheit des Autors selbst ziemlich interessant!) Von den Psychospielen in »Der Magus« von John Fowles war ich fasziniert, dieses Buch habe ich auch gelesen, während ich »Vergiss nie – Ich weiß, wer du wirklich bist« schrieb. Und alles hat sich geändert, nachdem ich Claire Mackintoshs »Meine Seele so kalt« gelesen und diesen Plotwist kennengelernt hatte. Auch Ian McEwan hat mich schon immer sehr beeinflusst. Ich habe ihn einmal zu seinem Buch »Honig» interviewt. Die Selbstverständlichkeit seiner schönen Prosa ist eine immerwährende Erinnerung daran, dass es in Büchern vor allem um Worte geht. Und wenn man psychologische Thriller schreibt, kann man gar nicht anders als sich von den drei großen »Girl«-Büchern beeindrucken zu lassen: »Gone Girl«, »Girl on the Train« und »The Girl before«.

Ein Gruß an Ihre Leser*innen:
Danke für Ihr Interesse an »Vergiss nie – Ich weiß, wer du wirklich bist«. Es ist das Buch, auf das ich am meisten stolz bin, weil es so wichtige Themen behandelt, anspruchsvoll aufgebaut ist und etwa bei der Hälfte eine Wendung nimmt, die Sie hoffentlich aus den Latschen haut. Leserinnen in England, in den USA und in Frankreich kommen schon in seinen Genuss, und ich hoffe, dass es bald auch noch in einer Reihe weiterer Länder erscheinen wird.
In »Vergiss nie – Ich weiß, wer du wirklich bist« geht es um Amnesie. Natürlich gibt es schon Bücher, die diese Thematik behandeln, am erfolgreichsten war wohl S. J. Watsons »Ich. Darf. Nicht. Schlafen.«, aber ich glaube, dass ich dem Genre einen neuen schockierenden Dreh verpasst habe.
Das Buch beginnt mit der Ankunft per Zug einer jungen Frau in einem Dorf im ländlichen Wiltshire. Sie leidet an stressinduziertem – psychogenen – Gedächtnisverlust und kann sich noch nicht einmal an ihren eigenen Namen erinnern. Zu allem Überfluss hat sie auch noch ihre Tasche mit allem darin verloren, womit sie sich ausweisen könnte – ihrem Handy, ihren Bankkarten, ihrem Führerschein usw. Sie weiß nur, dass sie eine Verbindung zu diesem Dorf hat – in ihrer Tasche fand sie eine Zugkarte mit diesem Ziel –, und glaubt, dass sie vielleicht hier lebt. Doch als sie an die Tür ihres »Zuhauses« klopft, öffnet ihr ein Paar, das sie noch nie zuvor gesehen hat … Ich mag es, mich am Anfang eines Thrillers tief einzugraben und dann zu schauen, wie ich mich aus dieser misslichen Lage wieder befreie.
Die neurologische Funktionsweise des Gedächtnisses fasziniert mich in besonderem Maße, und ich habe mit freudiger Überraschung gelernt, dass der Hippocampus, in dem Erinnerungen zuerst verarbeitet werden, unheimliche Ähnlichkeit mit einem Seepferdchen besitzt. Das Buch entwickelt sich auf einen finsteren und schockierenden Höhepunkt zu – die Londoner »Times« haben ihn »brutal« genannt –, doch die Gewalt ist nicht so explizit wie in »Finde mich – bevor sie es tun«, meinem vorhergehenden Roman. Allerdings glaube ich, dass meine Leser*innen Seepferdchen nach der Lektüre nicht mehr mit denselben Augen betrachten werden.
Das Finale des Buches spielt in Berlin, eine Stadt, die ich gut kennengelernt habe, als mein ältester Sohn dort in einem Tonstudio gearbeitet hat. Er half mir bei meinen Recherchen in den verblüffend toleranten Nachtclubs der Stadt, obwohl er nicht zuließ, dass ich ihn ins Berghain begleitete …
Am Ende des Romans hoffe ich, aus der Grube wieder entkommen zu sein, in der ich mich zu Anfang verbuddelt hatte. Es gibt drei Haupterzählstränge, und jeder einzelne von ihnen bietet seine eigene Erklärung für das Auftauchen der Frau im Dorf an. Bei meiner Arbeit an jedem dieser drei Stränge habe ich an die jeweilige Theorie 100%ig geglaubt, was sich als ziemlich bewusstseinsverändernd erwies. Doch ich wusste, dass, wenn ich selbst sie mir nicht abkaufte, würden es auch die Leser*innen nicht tun. Jede dieser drei Theorien könnte den wirklichen Grund für ihr Auftauchen und für ihre Amnesie erklären – vielleicht könnte es aber auch ganz anders gewesen sein …
Gedächtnisverlust ist Angst einflößend, doch manchmal ist es sogar noch schrecklicher, sich zu erinnern.

Vergiss nie - Ich weiß, wer du wirklich bist

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