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Leseprobe "Die Entschlüsselung des Alters"

Der Schlüssel zu lebenslanger Gesundheit

Prof. Dr. Elizabeth Blackburn
© Bryan Trindade
Jung und gesund – ein Leben lang? Wie das geht, erfahren Sie hier. Die Nobelpreisträgerin Dr. Elizabeth Blackburn und ihre Kollegin Dr. Elissa Epel verraten, was die Telomere mit der Zellalterung und somit mit einem vitalen Körper zu tun haben. Und wie diese mit Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzkreislaufbeschwerden zusammenhängen.

WIE MAN JUNG BLEIBT

Mit einer Lebensspanne von 122 Jahren war Jeanne Calment eine der Frauen, die am längsten gelebt haben. Noch mit 85 Jahren begann sie mit dem Fechtsport. Mit über 100 fuhr sie noch Rad. An ihrem 100. Geburtstag spazierte sie durch ihre Heimatstadt Arles, um sich bei den Leuten zu bedanken, die ihr zu dem Jubiläum gratuliert hatten. Calments Freude steht beispielhaft für das, was wir uns alle wünschen: Gesundheit bis ans Lebensende. Altern und Tod sind unabänderliche Tatsachen des Lebens - nicht aber, wie wir bis zu unserem letzten Tag leben. Das hängt von uns ab. Wir können heute und in späteren Jahren ein besseres, intensiveres und reicheres Leben führen.


Die Ergebnisse der noch relativ jungen Telomer-Forschung können uns diesem Ziel näherbringen. Mit ihrer Hilfe können wir chronische Krankheiten zurückdrängen und unser lebenslanges Wohlbefinden verbessern. Wir haben dieses Buch geschrieben, um Ihnen diese bedeutenden neuen Erkenntnisse zugänglich zu machen und einen neuartigen Erklärungsansatz für das menschliche Altern vorzustellen. Die gegenwärtig vorherrschende wissenschaftliche Theorie des Alterns besagt, dass die DNS in unseren Zellen im Lauf der Zeit immer stärker geschädigt wird, mit der Folge, dass Zellen unwiderruflich altern und ihre Funktionen nicht mehr richtig erfüllen können.


Eine Geschichte von zwei Telomeren


Es ein kühler Samstagmorgen in San Francisco. Zwei Frauen sitzen in einem Straßencafé und trinken Kaffee. Für diese beiden Freundinnen ist es eine Auszeit, weg von Zuhause, der Familie, der Arbeit und den Aufgabenlisten, die nie kürzer zu werden scheinen.


Kara erzählt, dass sie sich erschöpft fühlt. Eigentlich fühlt sie sich ständig erschöpft. Und da hilft es auch nicht gerade, dass sie sich jede Erkältung einfängt, die im Büro herumgeht, und jede dieser Erkältungen führt bei ihr zu einer fiesen Nebenhöhlenentzündung. Oder dass ihr Exmann «vergisst», wenn er an der Reihe ist, die Kinder abzuholen. Oder dass ihr übellauniger Chef bei der Investmentfirma sie gern ausschimpft – vor allen Mitarbeitern. Und manchmal wenn sich Kara abends ins Bett legt, fängt ihr Herz an zu rasen. Es dauert nur ein paar Sekunden, aber Kara kann anschließend lange nicht einschlafen. Vielleicht ist es nur der Stress, denkt sie sich. Ich bin zu jung, um ein Herzproblem zu haben. Oder nicht?


«Es ist ungerecht», sagt sie seufzend zu Lisa. «Wir haben das gleiche Alter, aber ich sehe älter aus.»

Sie hat Recht. Im Morgenlicht sieht Kara abgespannt aus. Wenn sie nach ihrer Kaffeetasse greift, bewegt sie sich behutsam, wie wenn ihr der Nacken und die Schultern wehtäten.
Lisa dagegen sprüht vor Leben. Ihre Augen und ihre Haut leuchten; dies ist eine Frau mit mehr als genug Energie für die täglichen Aktivitäten. Sie fühlt sich auch gut. Tatsächlich denkt Lisa kaum über ihr Alter nach. Sie ist höchstens dankbar dafür, dass sie jetzt klüger und reifer ist als früher.


Wenn man Kara und Lisa so nebeneinander sitzen sieht, könnte man meinen, dass Lisa tatsächlich jünger ist als ihre Freundin. Und wenn man unter ihre Haut blicken könnte, würde man erkennen, dass dieser Abstand sogar noch größer ist, als es den Anschein hat. Rein chronologisch – nach der Lebensspanne – gesehen sind die beiden Frauen gleich alt. Biologisch gesehen ist Kara Jahrzehnte älter.

Hat Lisa ein Geheimnis – teure Gesichtscremes? Laserbehandlungen bei einem Dermatologen? Gute Gene? Ein Leben ohne jene Schwierigkeiten, wie sie ihre Freundin Jahr für Jahr zu erleben scheint?


Ganz und gar nicht. Lisa hat selbst mehr als genug Stress. Vor zwei Jahren verlor sie ihren Mann bei einem Verkehrsunfall, jetzt ist sie wie Kara alleinerziehende Mutter. Das Geld ist knapp, und die neugegründete Technikfirma, für die sie arbeitet, scheint immer einen Quartalsbericht von der Pleite entfernt zu sein. Die physischen Unterschiede zwischen den beiden Frauen haben nichts mit teuren Cremes oder guten Genen oder dem Schicksal oder auch den Irrungen und Wirrungen des Lebens zu tun, die man mit 45 Jahren durchgemacht hat.


Was ist der Grund? Weshalb altern diese beiden Frauen in so unterschiedlicher Weise? Biologisch gesehen ist die Antwort einfach, und sie hat mit der Aktivität in den Zellen jeder der beiden Frauen zu tun. Karas Zellen altern vorzeitig. Sie sieht älter aus, als sie ist, und sie steuert in rasantem Tempo auf altersassoziierte Erkrankungen und Störungen zu. Lisas Zellen erneuern sich von selbst. Sie ist, biologisch gesehen, jünger.


Warum altern Menschen unterschiedlich schnell?


Warum sind manche Menschen bis ins hohe Alter geistig sehr rege und tatkräftig, während andere bereits in jüngeren Jahren kränkeln, ausgelaugt sind und geistig abbauen?


Unsere Gesundheitsspanne ist die Anzahl der Jahre, in denen wir bei guter Gesundheit sind. Unsere Krankheitsspanne ist die Anzahl der Jahre, in denen Krankheiten unsere Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Lisa und Kara mögen beide hundert Jahre alt werden, aber sie haben in ihrer zweiten Lebenshälfte eine völlig unterschiedliche Lebensqualität. Die Jahre der Krankheitsspanne sind durch die typischen Alterskrankheiten gekennzeichnet: Herz-Kreislauf-Krankheiten, Arthritis, ein geschwächtes Immunsystem, Diabetes, Krebs, Lungenkrankheiten und einige mehr. Auch die Haut und die Haare altern jetzt sichtlich. Schlimmer noch aber ist die Tatsache, dass es mit einer einzelnen Alterskrankheit oftmals nicht sein Bewenden hat. Vielmehr haben diese Krankheiten die Tendenz, gemeinsam aufzutreten – ein Phänomen mit dem düsteren Namen Komorbidität.

Kara hat also nicht nur ein erschöpftes Immunsystem, sie hat darüber hinaus Gelenkschmerzen und erste Symptome einer Herzerkrankung.


Telomere beeinflussen die Krankheitsspanne


Bei manchen Menschen beschleunigen die Alterskrankheiten den Tod. Bei anderen geht das Leben weiter, aber es ist ein Leben mit weniger Elan und weniger Energie. Diese Jahre werden in zunehmendem Maße durch Schwäche, Erschöpfung und Unbehagen getrübt. Mit 50 Jahren sollte Kara kerngesund sein. Aber ihr Körper ist schon in diesem jungen Alter in die Krankheitsspanne eingetreten. Kara würde es vielleicht unverblümter ausdrücken: Sie wird alt.


Bei Lisa sieht es völlig anders aus: Mit 50 Jahren erfreut sie sich noch immer blendender Gesundheit. Sie wird mit den Jahren älter, aber ihr geht es prächtig in ihrer lange währenden Gesundheitsspanne. Erst weit in ihren Achtzigern – ungefähr das Alter, das die Gerontologen «hohes Alter» nennen – wird es für sie deutlich beschwerlicher, mit dem Leben Schritt zu halten, wie sie es früher kannte. Auch Lisa hat eine Krankheitsspanne, aber sie drängt sich auf wenige Jahre am Ende eines langen, produktiven Lebens zusammen. Kann man selbst beeinflussen, welchen dieser beiden Wege man gehen wird?


Der Glaube, dass «die Gene unser Schicksal sind», ist richtig, und doch sind Umwelteinflüsse ebenso wichtig wie genetische Faktoren. Es zählt also beides, das Erbgut und unsere Lebensweise.


Wie Telomere unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinflussen


Erinnern Sie sich an die Schutzkappen aus Plastik an den Enden der Schnürsenkel? Diese Stifte sollen verhindern, dass die Enden der Schnürsenkel ausfransen. Stellen wir uns jetzt vor, die Schnürsenkel wären unsere Chromosomen, die Strukturen innerhalb unserer Zellen, die unsere Erbinformationen enthalten. Telomere, deren Länge in DNS-Einheiten, den sogenannten Basenpaaren, gemessen werden kann, gleichen solchen Stiften. Sie bilden kleine Kappen an den Enden der Chromosomen und verhindern, dass das Erbmaterial zerfasert. Sie sind die «Stifte» des Alterns. Allerdings verkürzen sich Telomere im Laufe der Zeit.


Wenn die Schnürsenkelenden zu weit ausfransen, werden die Schnürsenkel unbrauchbar. Dann kann man sie auch wegwerfen. Das Gleiche geschieht mit Zellen. Wenn Telomere zu kurz werden, hören Zellen auf, sich zu teilen. Telomere sind nicht die einzige Ursache für die Vergreisung von Zellen. Normale Zellen sind weiteren Stressfaktoren ausgesetzt, die wir noch nicht besonders gut verstehen. Aber kurze Telomere sind eine der Hauptursachen der menschlichen Zellalterung.
Unsere Gene beeinflussen unsere Telomere, sowohl ihre Länge bei unserer Geburt als auch die Schnelligkeit, mit der sie sich verkürzen. Aber die wunderbare Nachricht ist, dass unsere Forschungsergebnisse sowie die anderer Forschergruppen weltweit gezeigt haben, dass wir eingreifen und bis zu einem gewissen Grad beeinflussen können, wie kurz oder lang – wie robust – sie sind.


Ein Beispiel: Einige von uns fühlen sich in sozialen Stresssituationen bedroht – und diese Reaktion ist mit einer Verkürzung von Telomeren assoziiert. Wir können uns bemühen, solche Situationen positiver wahrzunehmen und zu interpretieren. Mehrere Entspannungsverfahren wie Meditation und Qi Gong bauen nachweislich Stress ab und erhöhen die Konzentration des Enzyms Telomerase, das Telomere regeneriert.


Körperliche Bewegung, die die kardiovaskuläre Fitness fördert, ist gut für Telomere. Wir beschreiben zwei einfache Trainingsprogramme, die nachweislich die Telomerreparatur verbessern. Diese Programme können an alle Fitnessniveaus angepasst werden.
Telomere hassen industriell verarbeitete Fleischprodukte wie etwa Würstchen, während frische Nahrungsmittel gut für sie sind.


Wohngegenden mit geringem sozialem Zusammenhalt – das heißt, dass Menschen einander nicht kennen und sich gegenseitig nicht vertrauen – sind schlecht für Telomere. Dies gilt unabhängig vom Einkommensniveau.


Kinder, die unter schweren, womöglich traumatisierenden Entbehrungen leiden, haben kürzere Telomere. Wenn man Kinder aus Situationen starker Vernachlässigung herausholt, können die Schäden teilweise rückgängig gemacht werden. Telomere an den elterlichen Chromosomen in der Ei- und Samenzelle werden direkt auf den Embryo übertragen. Bemerkenswerterweise bedeutet dies, dass Eltern, die aufgrund schwieriger Lebensumstände verkürzte Telomere haben, diese womöglich an ihre Kinder weitergeben. Wenn Sie glauben, dies könnte auch bei Ihnen der Fall sein, sollten Sie nicht in Panik verfallen. Telomere können nicht nur kürzer, sondern auch länger werden. Sie können noch immer etwas unternehmen, um Ihre Telomere stabil zu halten. Und das bedeutet auch, dass Ihre Lebensführung der nächsten Generation ein positives zelluläres Vermächtnis hinterlassen kann.


Telomere sind ein Altersgradmesser


Telomere sind also ein ganzheitlicher Indikator vieler lebenslanger Einflüsse, sowohl der positiven, regenerativen wie etwa guter Fitness und ausreichend Schlaf, als auch der negativen wie schädlichem Stress, schlechter Ernährung oder Schicksalsschlägen.

Die Entschlüsselung des Alterns

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