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Amanda Brooke im Interview

Maggie soll nicht als Behinderte, sondern als außergewöhnlicher Mensch in Erinnerung bleiben ...

Mrs Brooke, was hat Sie zu diesem Roman inspiriert?

Die Idee zu Wo ich dich finde geht tatsächlich auf eine Parkbank zurück! Als ich eines Morgens durch ein nahegelegenes Wäldchen joggte (was sportlicher klingt, als ich bin …), fiel mir eine versteckte Bank neben einem Ententeich auf. Ich stellte mir die Menschen vor, die darauf gesessen haben, und was diese Bank alles für Geschichten erzählen könnte. Das hat mich an eine andere Bank im Liverpooler Sefton Park erinnert, auf der ich früher gern gesessen hatte. Einer meiner Lieblingsplätze damals, weshalb es kein Wunder ist, dass der Park auch schon in meinem zweiten Roman Für immer und einen Tag eine Rolle spielt. Ich dachte daran, wie ich mich – hochschwanger mit meinem ersten Kind -, dort ausgeruht und darüber nachgegrübelt hatte, wie sich mein Leben verändern würde, und wie ich das alles bewältigen sollte. Beim Weiterjoggen stellte ich mir vor, dass ein geisterhafter Abdruck von mir dort zurückgeblieben war …

Als ich schnaufend und keuchend zu Hause ankam, spukte mir die Bank immer noch im Kopf herum, aber nun malte ich mir aus, was passieren würde, wenn zwei Fremde dort säßen und miteinander ins Gespräch kämen. Wenn sie zwar ähnliche Probleme hätten und sich anfreunden würden, sie vom Alter her aber Welten trennten. Diese ganzen „Wenns“ und „Würdes“ entwickelten sich dann zum Grundgerüst der Geschichte, und zwei Jahre später war ein vollständiger Roman daraus geworden.

Maggie ist sehbehindert, und Elsie leidet an Alzheimer. Wie viel mussten Sie im Vorfeld zu diesen Themen recherchieren?

Was Maggie betrifft, so habe ich mich vor allem durch das Lesen von Autobiografien, über Websites und in Online-Foren informiert, aber ich habe auch eine Freundin mit einem blinden Sohn, die mir geholfen hat. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Blindenorganisation „Henshaws Society for Blind People“ und konnte mir den Kontakt zu einer sehbehinderten Mutter mit zwei Töchtern vermitteln. Ich habe mich mit dieser Mutter getroffen, die mich auf viele Einfälle für die Beschreibung von Maggies Alltag gebracht hat, zum Beispiel wo sie Unterstützung finden könnte, aber auch wo sie mit Einschränkungen zu kämpfen hätte.
Auch im Hinblick auf Elsie habe ich viel gelesen, war aber doch erstaunt, wie viele Leute in meinem Freundes- und Bekanntenkreis persönliche Erfahrungen mit Alzheimerkranken haben. Mit ihnen zu sprechen war mir eine große Hilfe. Daneben konnte ich ein paar eigene Erfahrungen für mein Schreiben nutzbar machen, aber dazu gleich mehr.

Beruhen Maggie und Elsie auf realen Personen?

Dieses Buch ist nicht ohne Grund meinen Großeltern gewidmet. Meine Großmutter litt an Altersdemenz, und ich habe viel an sie gedacht, als ich über Elsie schrieb. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass diese Figur auf Betty McCulloch beruht – meine Großmutter hatte gewiss nicht so eine bewegte Vergangenheit -, aber einige der ersten Anzeichen von Alzheimer im Buch fußen auf meinen Erinnerungen an ihre Erkrankung. Im Übrigen hat Elsies Mann Ted viel von meinem Großvater, der, kaum überraschend, ebenfalls Ted hieß. Eine meiner Tanten wohnte in Surrey, und immer wenn sie zu Besuch kam, fragte mein Großvater sie als Erstes, wann sie wieder nach Hause fahre – nicht, weil er sich nicht freute, sie zu sehen, sondern weil das einfach seine Art war. Meine Romanfigur hat ein paar von seinen Charakterzügen geerbt.

Maggie dagegen ist ein reines Fantasieprodukt, aber falls ich je einsam und verloren auf einer Parkbank sitzen sollte, hätte ich gern, dass jemand wie sie sich zu mir setzt.

Stellt Judiths Verhalten gegenüber Maggie eine Kritik an der Einstellung der Gesellschaft zu blinden Menschen dar?

Wo ich dich finde ist eine fiktive Geschichte, und es gibt eine ganz klare Trennlinie zwischen der Mehrzahl meiner Figuren, die Maggie als gleichwertig akzeptiert und nicht nur ihre Behinderung sieht, und den wenigen anderen. Gern würde ich glauben, dass ich mir ein großes Maß dichterischer Freiheit genommen und die Vorurteile, die Maggies Schwiegermutter Judith an den Tag legt, übertrieben habe. Aber nachdem ich mich mit einer Mutter mit eingeschränkter Sehfähigkeit unterhalten und etliche Berichte in Online-Foren gelesen habe, muss ich sagen, dass viel auf das Vorhandensein solcher Judiths im wirklichen Leben hindeutet. Meine Hoffnung ist einfach, dass auch deren Vorurteile mit Geduld und Ausdauer überwunden werden können, so wie es in meinem Roman geschieht.

Welchen Stellenwert hat die Aromatherapie im Roman?

Es war eine echte Herausforderung, Maggies Welt aus ihrer Sicht wiederzugeben, ohne sich auf visuelle Beschreibungen stützen zu können. Ich habe mich in jüngeren Jahren mal ein bisschen mit Aromatherapie beschäftigt, und das erschien mir als die perfekte Berufswahl für meine Heldin. Es war eine Entdeckungsreise für sich, aus Maggies Perspektive zu schreiben, und die Idee, wie sie mit Hilfe von Düften Farbe in ihre Welt bringen könnte, kam mir gleich zu Anfang. Es hat mir viel Spaß gemacht, Szenen mit lavendelblauem Himmel und zitronengelber Sonne zu erfinden, und ich hätte mir gern noch mehr dergleichen ausgedacht, musste mich aber beschränken, sonst wäre der Roman doppelt so lang geworden. Ich hoffe, bei den Lesern bleiben trotzdem ein paar anregende Eindrücke davon zurück, wie Maggie mit ihrer Vorstellungskraft Bilder durch Aromen erschafft.

Maggies Mutter hatte einen enormen Einfluss auf sie. Was haben Sie von Ihrer Mutter gelernt?

Meine Mutter hat mir vor allem Unabhängigkeit beigebracht, und als alleinerziehende Mutter habe ich stets auf diese Eigenschaft setzen müssen. Ich komme aus einer Familie von starken, praktisch veranlagten Frauen, die sich für nichts zu schade sind: vom Ausputzen von Regenrinnen übers Fliesenlegen bis hin zum Vorhängenähen. Meine Mutter bastelt und näht noch immer für ihr Leben gern. An dem Tag, als ich die letzten Korrekturfahnen für Wo ich dich finde an den Verlag zurückschickte, traf ich mich mit ihr zum Mittagessen, und sie zeigte mir einen Quilt, den sie gerade fertiggestellt hatte. Wenn Sie den Roman gelesen haben, wissen Sie, dass auch Maggie dieses Hobby rein zufällig mit ihrer Mutter teilt … Den Selbermachtick habe ich eindeutig von meiner Mum geerbt, obwohl ich nicht behaupten will, dass ich schon so gut Fliesen legen kann wie sie!

Darüber hinaus habe ich meiner Mutter meine Liebe zu Hunden zu verdanken, und nun habe ich mit Harvey zum ersten Mal einen Hund in eine Romanhandlung hineingebracht. Da ich Vollzeit arbeite, fehlt mir die Zeit, mich um einen eigenen Vierbeiner zu kümmern, aber in meiner Familie sind alle hundeverrückt, und meine Mutter hat sogar eine Zeitlang Deutsche Schäferhunde gezüchtet. Ich finde es wunderbar, stellvertretend durch Maggie einen Hund wie Harvey in meinem Leben zu haben.

Was sollen Ihre Leser aus diesem Roman mitnehmen?

Ich hoffe, dass meine Leserinnen und Leser Maggie genauso liebgewinnen wie ich und sie dafür schätzen, wie sie Elsie hilft. Wie schon gesagt, hätte ich gern eine Freundin wie sie neben mir auf einer Parkbank sitzen, wenn ich mich mal aussprechen möchte. Natürlich wird sich jeder beim Lesen eine eigene Meinung über Maggie bilden, aber ich würde mir wünschen, dass ihre Blindheit das Letzte ist, was einem später zu ihr einfällt, und dass sie nicht als Behinderte, sondern als außergewöhnlicher Mensch in Erinnerung bleibt.

GENRE