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Rezension zu
Mein abenteuerliches Leben als Hochstapler

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die Kanonisierung eines Hochstaplers

Von: Elias Braun
15.04.2021

Ob das die Deutschrussin Anna Sorokin, die im vergangenen Jahr wegen schweren Betrugs zu einer mehrjährigen Haftstrafe in New York verurteilt wurde oder der angebliche Selfmade-Milliardär und derzeitige US-Präsident Donald Trump ist, unsere Zeit ist voll von mehr oder weniger prominenten Hochstaplern. Die zweibändigen autobiographischen Erinnerungen des zu Beginn des 20. Jahrhunderts berühmtesten Hochstaplers sowie Hotel- und Juwelendiebs, Georges Manolescu, liegen nun erstmals in einer vollständig neu-editierten Fassung vor. Versehen mit einem umfangreichen Anhang bestehend aus Stellenkommentar, Nachwort sowie Literaturverzeichnis ist dieses Zeitdokument eine unterhaltsame wie anregende Lektüre. Mit dem Verfassen seiner Memoiren 1905, gelang dem Ex-Meisterdieb der letzte Geniestreich seiner unwahrscheinlichen Karriere. Noch einmal konnte er nach Herzenslust bluffen, sich selbst stilisieren und übertreiben. Als angeblich authentischer Lebensbericht taugen seine Aufzeichnungen heute nicht mehr, jedoch trafen sie Zeitgeist und Sensationslust und damit den Nerv des neuen Jahrhunderts und dienten der Heroisierung sowie pekuniären Verwertung seines rastlosen Lebens. Einzeln für sich genommen, geben die beiden Bände keinen Anlass dieselben zur Lektüre zu nehmen, zu platt ist die Sprache, zu bemüht wirkt die Autofiktion, zu banal die pseudopsychologischen Überlegungen. Erst die Gesamtbetrachtung von “Ein Fürst der Diebe” und “Gescheitert” ist heute lohnend, da die ironischen Brüche sichtbar werden und die Möglichkeit eines Abgleichs mit unserer heutigen Zeit besteht. Im ersten Teil schildert Manolescu in atemberaubenden Tempo die Lebensstationen seines 30-jährigen Hochstaplerlebens. Knapp aneinandergereiht folgen aufsehenerregende Hoteldiebstähle auf amüsante Jugendabenteuer und Gefängnisaufenthalte in diversen Ländern auf horrende Spielverluste in Monte Carlo, Zugreisen und Schiffspassagen quer durch Europa, Nordamerika, Hawaii und Japan sowie (Kurz-)aufenthalte in Luxushotels bilden das Gerüst dieser rasanten Bilderflut. Der zweite Teil, der das “Seelenleben eines Verbrechers” schildern soll, entstand nach dem großen Erfolg des ersten Bandes noch im selben Jahr auf Drängen von Manolescus Verleger Langenscheidt. Er ist noch diffuser in der Struktur - Kunstgriffe der Vorausschau, der Rückblende oder die Wiedergabe von inneren Monologen verweisen auf die romanhafte Anlehnung. Einem sprachlichen Abgleich der beiden Teile würde der Autor schwerlich standhalten können, sodass deutlich wird, wie stark die Eingriffe seines Verlegers in die Arbeit waren. Inhaltlich versucht Manolescu hier leserwirksam eine Rechtfertigung für seine Verbrecherlaufbahn darzulegen, die jedoch nur bedingt tragfähig erscheint. Manolescu hinterlässt auf den modernen Leser den Eindruck eines Getriebenen, der sich hinter seiner fürstlichen Maskerade vor einer Welt zu verbergen sucht, in der er dem ihm zugewiesenen Platz nicht akzeptieren will. Darin liegt auch bis heute die Aktualität des Stoffes: die überdeutliche Zeichnung einer Gesellschaft, die von innen, auf ihrem Geld oder sozialen Status sitzend, verfault. In zeitloser Prägnanz und als literarisches Meisterwerk hat Thomas Mann das in seinem, lose auf Manolescus Memoiren basierenden “Felix Krull” ebenfalls festgehalten. Wer in Zeiten Corona-bedingter Müßigkeit und aufgestauter Abenteuer- und Reiselust nach der passenden Lektüre sucht, findet sie in diesem Band!

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