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Rezension zu
„Deutschland, deine Kolonien“

Deutschland, deine Kolonien | Herausgegeben von Eva-Maria Schnurr und Frank Patalong

Von: Textopfer
19.03.2023

Deutschland, deine Kolonien | Herausgegeben von Eva-Maria Schnurr und Frank Patalong Erschienen bei DVA/Penguin Random House (Rezensionsexemplar) Der Versuch einer Geschichte der wenigeren Schuld Deutschland sah sich lange, lange Zeit – aufgrund seiner Geschichte als verspätete Nation auch - als eine verspätete Kolonialmacht, d.h. mit weniger Verantwortung. Bei diesem Thema verwies man gerne auf die anderen europäischen Mächte, wie England, Frankreich, Portugal, etc. Zwar stimmt es, dass das Deutsche Reich erst später Kolonien bildete, jedoch beginnt nicht erst dann die Geschichte eines deutlichen Kolonialdenkens – nicht erst als man seinen „Platz an der Sonne“ hatte! Und vor allem war dieses deutsche Sendungsbewusstsein nicht minder rassistisch, grausam und menschenverachtend in seiner Vorgehensweise, seinem Handeln und Konsequenzen als das der anderen Europäer. Schnurr und Patalong haben mit dem Werk „Deutschland, deine Kolonien“ ein Werk herausgegeben, das geschickt deutlich macht, wie wenig Deutschland sich dieser Geschichte gestellt hat und das gleichzeitig auch die heutigen Konsequenzen klar macht: Nämlich, dass auch im modernen Exkurs in unserer Gesellschaft, diese Haltung noch immer zu Verhalten und Äußerungen führt, die von einem verdrängten Rassismus geprägt sind. Und die Geschichte ist größer als vielen klar ist! Bereits 1529 landeten die ersten Vorboten späterer deutschen Kolonialbestrebungen an der Küste Venezuelas, um im Auftrag der Augsburger Kaufmannsfamilie Welser den berühmten Goldreichtum der neuen Welt aufzufinden. Im Weiteren wird deutlich, wie deutsche Kaufleute über Jahrhunderte in den Sklavenhandel, dem „Dreieckhandel" Europa, Afrika, Amerika, verwickelt waren. An diesen - und vielen anderen schrecklichen - Beispielen, zeigt sich immer mehr, dass die Verantwortung der Deutschen weitaus größer ist als das oft alleinig genannte, brutale und menschenverachtende Handeln gegenüber den Hereros im Januar 1904. Eines der Highlights im Buch ist die Darstellung einiger Afrikaner, die von den Deutschen erwählt wurden, um Priester zu werden. Ihre Briefe in ihre Heimat, während ihrer Ausbildungszeit im Deutschland, zeigen als beeindruckende Quellen unverfälscht einmal den Blick der afrikanischen Bevölkerung – wie sie behandelt wurden, wie die gedemütigt wurden. Und vor allem, wie die kluge Beobachtung der jungen Afrikaner die christliche Doppelmoral der Deutschen entlarvte. Spannend und wichtig sind diese authentischen Berichte vor allem hinsichtlich des übermächtigen Anteils deutscher schriftlicher Quellen aus dieser Zeit. Nach wie vor ein schreckliches Exempel für Rassismus und wahrscheinlich wie eine Metapher dafür, ist die Ausstellung von Indigenen Menschen in Shows und Zoos im 19. Jahrh. Dies zeigt deren totale Entmenschlichung hier in Deutschland und den schrecklichen Voyeurismus, der dieses Phänomen begleitete. Ein wichtiges Buch für Deutschland Das Buch wurde – wie eingangs erwähnt – von Eva-Maria Schnurr und Frank Patalong herausgegeben. Es ist das Ergebnis eines sehr großen Teams von Spiegelautoren. Verschiedene Autoren heißt nicht nur verschiedene Sichtweisen, sondern verschiedene Formen und Herangehensweisen. So wechseln sich z.B. historische Darstellungen einzelner Aspekte, kleine Anekdoten, Glossarteile oder auch Interviews mit interessanten Fachleuten unserer Zeit locker ab. Somit geht das Buch nicht chronologisch vor, sondern nähert sich dem Thema mal historisch, mal kultur-historisch, mal soziologisch, mal mit aktuellen Bezügen und mehr. Das Buch zeigt so, wo es herkommt: Aus dem Journalismus! Und das macht es abwechslungsreich, vielseitig, frisch und modern. Das tut vor allem der Sicht auf das vielschichtige Thema gut. Alles in allem ein kurzes, aber sehr weitumfassendes Werk, das das Thema der deutschen Kolonien als Geschichte des deutschen Rassismus gut umreist - das zeigt, dass es noch immer viel aufzuarbeiten gibt, da Deutschland sich bisher dieser Geschichte nur sehr halbherzig gestellt hat.

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