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SPECIAL zu Dmitry Glukhovsky

Dmitry Glukhovsky im Interview zu »Sumerki - Dämmerung«

Dmitry Glukhovsky
© Jana Mai
Nach Ihren Romanen Metro 2033 und Metro 2034 dachten wir, Sie seien ein Science Fiction-Autor. Haben wir uns geirrt? Was ist das für ein Genre, in das man Sumerki einordnen könnte?
Dmitry Glukhovsky: Ich versuche, aus dem Goldenen Käfig des Genres herauszukommen. Ich versuche, Genres zu kombinieren, zu erforschen und über sie hinauszugehen. Metro 2033 ist keine reine Science Fiction, es hat auch Züge einer Dystopie – also der Anti-Utopie – und des Bildungsromans. Metro 2034 ist sogar noch weniger Sci-fi. Ich habe es als Noir-Gedicht angelegt. Sumerki (Finsternis oder Dämmerung) ist eine Roman-Metapher in der Maske eines mystischen Thrillers. Und ganz klar möchte ich nicht als ein Sci-Fi-Autor für den Rest meines Lebens etikettiert werden. Ich möchte dieselbe Freiheit haben, die auch Filmregisseure genießen. Steven Spielberg oder Ridley Scott sind nicht zu Sci-Fi-Regisseuren geworden, bloß weil sie A.l. oder Blade Runner gedreht haben.

Mit Ihrem neuen Roman greifen Sie das hochaktuelle Thema der Prophezeiungen des Maya-Kalenders auf, nach der uns Ende des Jahres 2012 – je nach Interpretation – ein Bewusstseinssprung oder ein Weltuntergang bevorsteht. Gehört dieses Thema für Sie in den Bereich der Mystik und Esoterik – oder ist etwas Wahres dran?
Dmitry Glukhovsky: Ich habe mir dieses Thema schon 2004 ausgesucht, als es diese Massenhysterie über die Maya und ihre Prophezeiungen noch nicht gab. Ich benutze ihre Prophezeiungen als Symbol, als eine Metapher. Die Vorhersagen der Maya über den bevorstehenden Weltuntergang sind tief im kollektiven Bewusstsein verankert – und deswegen kann man so gut mit ihnen spielen, sie auf verschiedene Weise behandeln, neu betrachten und neu erklären. Auf der anderen Seite, wenn man die täglichen Nachrichten verfolgt – so, wie es der Protagonist in Sumerki tut –, wird man das Gefühl gar nicht los, dass diese Welt bald auseinanderfällt. Ist das die Maya-Prophezeiung, die sich erfüllt? Auch damit spiele ich.

Auf welche Quellen haben Sie bei der Recherche für Ihren Stoff zurückgegriffen? Gibt es historisch verbürgte Ereignisse, auf die der Expeditionsbericht anspielt? Haben die Spanier tatsächlich versucht, die Schriften der Maya zu vernichten?
Dmitry Glukhovsky: Ich habe die fiktive Handlung des Buches in den Rahmen der historischen Ereignisse gestellt und Fakten und Fantasie gemischt. Diego de Lande, der Bischof of Yucatan, der im Auftrag der Katholischen Kirche über das Land der Mayas regiert, ist bekannt für zwei Dinge: Er war es, der befahl, alle Schriften der Maya im ganzen Land einzusammeln und sie alle während der berühmten Autodafé 1562 in der Stadt Mani verbrannte. Er war aber auch der Mann, der eine detaillierte Beschreibung der Kultur der Maya, ihrer Sitten und ihrer Geschichte hinterließ. Ein Paradox, ein Mysterium, das einen wirklich einlädt zum Nachforschen und zum Fantasieren. Für mein Buch habe ich alle zugänglichen Quellen über die Maya genutzt. Das Problem ist, weil es Diego de Landa gab (der auch eine Figur in Sumerki ist), sind nur wenige Quellen geblieben.

Wofür steht in Ihrem Roman die Welt der Maya? Für einen heidnischen Kult mit grausam anmutenden Ritualen, die in der modernen, aufgeklärten westlichen Welt keinen Platz haben – oder das unverdorbene Naturvolk mit der Tradition einer ehemaligen Hochkultur?
Dmitry Glukhovsky: Ich beurteile die Mayas nicht – das ist Mel Gibson's Mission, nicht meine. Ich verehre auch nicht ihre Kultur. Für mich ist das Spannendste an den Maya ihr Geheimnis. Unsere fast vollständige Unkenntnis darüber, wie eine so hochentwickelte Kultur sich komplett auflösen konnte... Es ist das Geheimnis, das mich fesselt, das mich in den Dschungel von Yucatan treibt. Das Ende ihrer Kultur, der plötzliche Niedergang ihrer Zivilisation spielen eine symbolische Rolle in meinem Roman. Sumerki heißt Dämmerung, die Dämmerung der Kultur, der Zivilisation, des Bewusstseins, der ganzen Welt.

Ist der Protagonist von Sumerki ein Alter Ego des Autors? Sie sind zwar kein Übersetzer, sondern Journalist und Autor, aber Sie sprechen fließend mehrere Sprachen und heißen mit vollem Namen Dmitry Alexejewitsch Glukhovsky…
Dmitry Glukhovsky: Romancharaktere, die man entwickelt, sind ganz am Anfang seelenlos, tote Golems. Um sie zu lebenden Kreaturen zu machen, muss man seine eigene Seele mit ihnen teilen, einen Funken des Lebens in ihren bleichen Körpern zünden. So habe ich meinem Protagonisten meinen eigenen Namen gegeben und einige meiner Charakterzüge, wir teilen einige meiner Lebenserfahrungen, wir besitzen einen gemeinsamen Hund, den es während meiner Kindheit tatsächlich gab, und mit dem ich immer noch in meinen Träumen spazieren gehe – so wie es der Held in Sumerki tut. Wenn Du Dein Leben nicht mit Deiner Romanfigur teilst, wird sie kalt und bewegungslos bleiben. Tja, Schreiben ist ein kleines Wunder...

Gibt es in Sumerki eine Botschaft, die Sie Ihren Lesern mitgeben möchten? Wenn ja, welche Botschaft ist das?
Dmitry Glukhovsky: Hmm ... mehr als eine, das ist sicher. Ich denke, in meinen Büchern geht es mehr um die Botschaften als um die pure Handlung. Aber Botschaften sind versteckt in der zweiten oder dritten Ebene einer Geschichte, und man muss tief graben, um sie zu finden. Warum sollte ich den Wackeren, die sich entschließen, Sumerki zu lesen, das Vergnügen des Lesens und Findens dieser Botschaften verderben?

Die Abenteuerreise jedes (Roman-)Helden zielt auf Erlösung – die persönliche und die der Welt. Wie sieht Erlösung aus – in einer Zeit, in der die klassischen Religionen ihre bindende Kraft verloren haben?
Dmitry Glukhovsky: Der Gedanke der Erlösung ist ein Ergebnis unserer Vorstellung, dass wir verdammt sind. Wir alle werden sterben und dann wird die Welt enden. Unser Leben kann kein gutes Ende haben – doch wir wollen es trotzdem haben. So kommen alle diese Religionen und bieten uns ein glückliches Ende, an das wir glauben können – oder wollen. Aber warten Sie ab, bald wird Erlösung nicht mehr nötig sein. Ich glaube, dass unsere Kinder – oder unsere Enkel – nicht notwendigerweise sterben müssen. Mithilfe der Gentechnik werden eines Tages die Gene, die für unseren Alterungsprozess verantwortlich sind, unterdrückt und wir werden für immer jung bleiben können. Das wird eine schwere Zeit für die Religionen...

Gibt es immer Hoffnung in Ihren Romanen? Und sehen Sie selbst mit Zuversicht in die Zukunft?
Dmitry Glukhovsky: In meinen Romanen geht es immer um Hoffnung. Ich persönlich sehe meine Zukunft sehr positiv. Für die nächsten paar Jahre habe ich keine Apokalypse geplant. Sie können sich entspannen.