Ein Interview mit dem Autor
„ADS ist heilbar“ lautet der Titel Ihres Buchs. Wie und wann sind Sie zu dieser Erkenntnis gekommen?
Ich arbeite im Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie seit mehr als 30 Jahren und habe verschiedenste sich ständig wandelnde wissenschaftliche Erklärungsmodelle für ADS erlebt in diesen Jahren.
Noch in den 90er Jahren hat man von MCD (minimale cerebrale Dysfunktion) gesprochen, und bis heute gibt es Stimmen aus der Bevölkerung und auch teilweise in der Ärzteschaft, die allgemein die Diagnose einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung anzweifeln.
Diese Ansätze sind zwar inzwischen überholt, aber die Erkenntnis eines unvollständigen Lernprozesses in der Reizverarbeitung als Ursache von ADS setzt sich erst langsam durch.
Für mich war ein Schlüsselerlebnis eine Fortbildung auf einem internationalen Kongress Ende 2004 in San Diego, wo Forscher ein Tiermodell des ADS mit Hirnscans präsentierten von Mäusen mit ADS und nach mehrmonatiger Behandlung mit Stimulantien (damals die einzige präferierte Behandlungsmethode). Sie konnten zeigen, dass nach Behandlung ein Zuwachs der reizverarbeitenden Strukturen im Gehirn nachzuweisen war, somit ein Lernprozess mit direkter Auswirkung auf die Hirnstruktur.
Ich habe daraufhin bei den von mir behandelten Patienten genauer darauf geachtet, ob sich Lernprozesse unter erfolgreicher Behandlung einstellten. Dies war zunächst indirekt abzulesen an einem während der Behandlung absinkendem Dosisbedarf des Medikaments, das zur Behandlung eingesetzt wurde, später, mit dem Hinzukommen präzise messender Testverfahren, konnte dies dann genauer nachgewiesen werden.
Und heute sind wir in der Lage, anhand präziser Eingangs- und Differentialdiagnostik Untertypen des ADS zu bestimmen, eine bessere Primärauswahl der geeigneten Behandlungsmethode zu treffen, Behandlungsergebnisse zu optimieren und so besser den gewünschten Lernprozess des Gehirns zu unterstützen. Das bringt insgesamt die (Selbst-) Heilung des Problems voran.
Wer sollte Ihr Buch unbedingt lesen?
Mein Buch ist so geschrieben, dass es vom interessierten Laien gelesen und verstanden werden kann, und gleichzeitig auch so, dass Fachleute Anregungen bekommen, ihre Diagnostik und Therapie unter strengen Maßstäben optimieren zu können.
Das Buch richtet sich also an Eltern von Kindern mit ADS, an betroffene Erwachsene, an Fachleute, die mit Kindern arbeiten (in Kindergarten, Schule oder Beratungsstelle) und an Therapeuten und Ärzte, die sich mit dieser Thematik beschäftigen.
Welches ist Ihrer Meinung nach das größte Vorurteil in Bezug auf ADS?
Es kursieren immer noch viele Vorurteile, z.B.:
• Es gibt kein ADS, das ist eine erfundene Diagnose, die nur der Pharmaindustrie nutzt
• ADHS ist schlimmer als ADS (dabei ist es das Gleiche, nur in unterschiedlicher Spielart)
• Wer sich nicht konzentrieren kann, hat ADS (Die Differentialdiagnostik zeigt, dass dieser Satz Unsinn ist!)
• ADS wächst sich aus in der Pubertät
• Es gibt kein ADS bei Erwachsenen
• Es gibt keine objektive Diagnosestellung für ADS
• ADS ist nicht heilbar
Ich hoffe, in meinem Buch mit all diesen Vorurteilen aufräumen zu können und hoffe, dass mehr Kollegen und Kolleginnen sich angespornt fühlen, in Zukunft das beste Erreichbare für ihre Klienten anzustreben und zu erreichen.
Ich bin sicher, dass die betroffenen Leser und Leserinnen dies einfordern können und werden.