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Georg Etscheit: Geopferte Landschaften, Heyne Verlag

Das Debattenbuch zur Energiewende: »Geopferte Landschaften. Wie die Energiewende unsere Umwelt zerstört«

»Die Energiewende wird mittlerweile zum Heilsprojekt stilisiert, das man nicht anzweifeln darf«

Herausgeber Georg Etscheit im Interview zu »Geopferte Landschaften«

Herr Etscheit, Sie haben im Heyne Verlag das Buch »Geopferte Landschaften« herausgegeben. Darin prangern Sie und die Autoren des Buches den ungeheuren Wildwuchs an Windrädern, Fotovoltaik- und Biogasanlagen in Deutschland an. Was ist denn an Windrädern als Mittel zur grünen Energiegewinnung so schlecht?

Georg Etscheit: Windkraftwerke, ich sage ungerne Windräder, weil das an harmlose Spielzeuge erinnert, zerstören flächendeckend unsere letzten, noch halbwegs intakten Natur- und Kulturlandschaften. Außerdem sind sie wahre Killer für Vögel und Fledermäuse. Darüber hinaus sind sie extrem ineffizient und leisten keinen Beitrag zu einer sicheren Energieversorgung.

Lieber ein Windrad neben dem Haus als ein Atomkraftwerk – oder?

Georg Etscheit: Das ist ein Totschlagargument. Ich bin absolut kein Fan der Atomkraft. Sie ist und bleibt eine Risikotechnologie und das Problem der Endlagerung von Atommüll ist nach wie vor ungelöst. Fakt ist aber, dass Atomkraftwerke zu einer sicheren Energieversorgung beitragen, Wind- und Solarkraftwerke nicht. Sie liefern bekanntlich nur Strom, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Oft gibt es sehr lange Perioden, in denen die sogenannten Erneuerbaren fast null liefern, unabhängig von der Zahl der Anlagen. Ohne die Möglichkeit von Stromspeicherung im gigantischen Maßstab, lässt sich das Problem nicht lösen. Und die ist nicht in Sicht.

Eine einzige Windkraftanlage beliefert heute mehr als tausend Haushalte mit Strom. Derzeit sind ca. 26.000 Anlagen in Deutschland installiert – demzufolge sollten 26 Millionen Haushalte in Deutschland mit Strom versorgt sein. Das bedeutet doch: Die Energiewende ist fast geschafft.

Georg Etscheit: Das ist eine Milchmädchenrechnung. Oft wird nur die Nennleistung von Windkraftwerken, die heute pro Anlage bei drei Megawatt liegt, genannt. Entscheidend ist jedoch, wieviel Strom, gerechnet in Megawatt- bzw. Kilowattstunden, im Jahresverlauf wirklich produziert wird. Im deutschlandweiten Durchschnitt liegt dieser Wert bei einem Sechstel der Nennleistung, bei Solarkraftwerken sogar nur bei einem Neuntel. Und wenn man mit Haushalten vergleicht, ist das die „kleinste Münze“, die man sich aussuchen kann. Denn elektrischer Strom macht nur ein Viertel des Gesamtenergieverbrauchs aus, davon entfallen auf Haushalte weniger als ein Fünftel. Wenn man da zu eindrucksvollen Ergebnissen kommt, ist das kein Wunder.

Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, bis zum Jahr 2050 unseren Strombedarf allein durch erneuerbare Energien zu decken. Halten Sie dieses Ziel für realistisch?

Georg Etscheit: Das ist absoluter Humbug. Wir werden wegen der Unsicherheiten der Erneuerbaren auf lange Sicht nicht auf fossile Kraftwerke verzichten können, um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten. Außerdem müssten dafür insgesamt 80.000 bis 100.000 Windräder aufgestellt werden. Für das Antlitz unseres Landes und die Tierwelt wäre das ein kaum vorstellbares Desaster. Angesichts der wachsenden Proteste gegen Windparks halte ich das auch politisch für nicht durchsetzbar. Es sei denn, wir lebten in einer Öko-Diktatur.

Erneuerbare Energien leisten einen wichtigen Beitrag zum dringend notwendigen Klimaschutz, weil sie helfen, klimaschädliches CO2 einzusparen. Das ist immer wieder zu lesen. Was ist da dran?

Georg Etscheit: Deutschlands Beitrag zum internationalen Klimaschutz ist minimal. Sollen wir dafür unsere Landschaften und Tiere opfern? In letzter Zeit sind die CO2-Emissionen sogar wieder gestiegen, weil die Energiewende hocheffiziente, aber relativ teure Gaskraftwerke aus dem Markt treibt und mehr besonders dreckiger, aber billiger Braunkohlestrom produziert wird. Außerdem importieren wir Atomstrom aus unseren Nachbarländern. Es klingt jetzt vielleicht etwas egoistisch: Aber was nützt es, wenn wir unser Land mit Anlagen zur angeblich sauberen Energieproduktion, -verteilung und -speicherung zunageln und zur gleichen Zeit Donald Trump das Klimaschutzabkommen kündigt und die Chinesen ein Kohle- und Atomkraftwerk nach dem anderen bauen?

Sie fordern den sofortigen Stopp der Energiewende. Aber: Wo soll der Strom denn dann herkommen?

Georg Etscheit: Aus relativ sauberen Gas- und Dampfkraftwerken mit Kraftwärmekopplung, aus möglichst effizienten Steinkohlekraftwerken und natürlich aus Wind und Sonne und Wasser, die Geothermie nicht zu vergessen. Aber dort, wo die Sonne scheint und der Wind weht. Die größte Hoffnung setze ich auf die Sonne, auch hierzulande. Dazu braucht es eine innovative Solararchitektur, die Häuser zu Kraftwerken macht, ohne sie zu verschandeln. Wir könnten auch die Dachflächen in den Städten und auf den hässlichen Gewerbebauten für Solarenergie mobilisieren. Und wir sollten daran festhalten, Solarstrom aus Nordafrika zu importieren. Marokko baut derzeit große Solarkraftwerke. Das könnte auch in anderen Ländern des Maghreb geschehen, wenn sich die Lage dort stabilisiert hat. Wenn wir diese Entwicklung nachhaltig unterstützen, wäre dies auch ein entscheidender Beitrag zur Lösung der Flüchtlingskrise. Von dem Ziel „100-Prozent-Erneuerbar“ halte ich nichts, das ist reine Symbolpolitik, vergleichbar dem „schuldenfreien Haushalt“. Viel wichtiger wäre es, alle Kräfte aufs Energiesparen zu konzentrieren. Denn nur Energie, die erst gar nicht produziert werden muss, ist wirklich ökologisch.

Welchen Beitrag kann der Einzelne leisten, um Energie einzusparen?

Georg Etscheit: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Energie zu sparen: Zuerst sollte man auf den Straßen Tempolimits einführen: 100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen. Dann könnten Kurzstreckenflüge konsequent auf die Bahn verlagert werden. Man könnte Prämien fürs Energiesparen aussetzen oder einen progressiven Stromtarif, bei dem der, der viel verbraucht, pro Kilowattstunde mehr bezahlen muss als der, der spart. In meinem Schlusswort habe ich noch sehr viel mehr aufgezählt, was der Staat, aber auch jeder Bürger machen kann. Ich selbst zum Beispiel verbrauche in einem 2-Personen-Haushalt nur ein Drittel des Stroms, der von den Münchner Stadtwerken als Durchschnittsverbrauch angegeben wird. Und ich arbeite nicht bei Kerzenlicht!

Gehen andere Länder in Sachen Energiewende mit besserem Beispiel voran? Können wir uns da Ihrer Meinung nach vielleicht sogar etwas abschauen?

Georg Etscheit: Jedes Land geht einen anderen Weg, um CO2 und andere Treibhausgase zu reduzieren, mal mit, mal ohne Atomkraft, mal mit, mal ohne Kohle, mal mit mehr, mal mit weniger Sonne und Wind, mal mit gigantischen Wasserkraftwerken, die im Übrigen auch nicht ökologisch sind. Wir werden es nicht schaffen, ohne neue, enorme Umweltschäden, bis zur Jahrhundertmitte, also schon in gut 30 Jahren, aus der Nutzung fossiler Energien auszusteigen. Die Unsicherheit, ob wir damit eine gefährliche Klimaveränderung auslösen, müssen wir aushalten. Die diesbezüglichen wissenschaftlichen Prognosen sind ernst zu nehmen, aber es sind Prognosen, nicht mehr und nicht weniger.

Sie schreiben: Die Energiewende in Deutschland ist ein hochemotionales Thema, das selbst Umweltverbände zu zerreißen droht. Inwiefern kommt es hier zu Interessenskonflikten?

Georg Etscheit: Die traditionellen Umweltverbände wie BUND, NABU, Greenpeace usw. setzen ganz auf den Klimaschutz und sind aufs Engste mit der Erneuerbaren-Industrie liiert. Sie behaupten, Klimaschutz sei die Voraussetzung, um Naturschutz zu betreiben. Dabei versuchen sie, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben, und lassen zu, dass hier und heute Landschaft und Natur in ungeheurem Ausmaß zerstört werden. Sie verraten ihre einstigen Ideale und reißen mit dem fett gewordenen Hintern das ein, was sie vorher mit ihren Händen aufgebaut haben. Diesem Kurs wollen viele alt gediente Naturschützer nicht folgen. Deswegen haben sich mit der Naturschutzinitiative und dem Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB) zwei neue Organisationen gegründet, die sich zu den Wurzeln des Natur- und Umweltschutzes bekennen und dem Landschafts- und Naturschutz wieder Priorität einräumen.

Es gilt als politisch nicht korrekt, über die Schattenseiten der Energiewende sprechen. Warum eigentlich?

Georg Etscheit: Die Energiewende wird mittlerweile zum Heilsprojekt stilisiert, das man nicht anzweifeln darf. Einige Medien, insbesondere jene mit eher links-liberaler oder grüner Ausrichtung, lassen eine faire Diskussion darüber auf ihren Seiten leider nicht oder nur sehr begrenzt zu. Mehr will ich dazu nicht sagen. Aber noch dies: Deutschland hat sich, wieder einmal, dazu aufgeschwungen, die Welt zu retten. Das ist, wie wir leidvoll wissen, schon mehrfach schief gegangen. Leider wird auch immer wieder versucht, Kritiker der Energiewende, insbesondere des Windkraftausbaus, in die rechte Ecke zu stellen oder als „Wutbürger“ abzustempeln. Ich halte das für unredlich. Damit wird schlicht eine dringend notwendige Debatte aus ideologischen Gründen blockiert und der Demokratie letztlich ein Bärendienst erwiesen.

Eingangs haben Sie bereits angesprochen, dass Vögel und Fledermäuse häufig in den Rotoren der Windkraftanlagen verenden. Bringen dieses „stählernen Monster“, wie sie der Musiker und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg in seinem Beitrag bezeichnet, auch gesundheitliche Risiken für den Menschen mit sich?

Georg Etscheit: Natürlich. Viele Menschen leiden nicht nur unter der Zerstörung ihrer Landschaften, sondern beklagen sich über erhebliche, zuweilen krank machende Lärmbelästigungen. Da ist nicht nur der sogenannte, unterhalb der Hörschwelle liegende Infraschall, der manifeste Gesundheitsprobleme erzeugen kann, sondern auch ganz normaler, hörbarer Lärm. Wer in der Nähe eines größeren Windparks lebt, kommt sich bei guten Windverhältnissen vor, als wenn er neben einem Flughafen wohnen würde.

Vielen Dank für das Interview!

GENRE