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Evangelisches Gesangbuch

Das Evangelische Gesangbuch

Der heimliche Bestseller

In keiner Sellerliste taucht es auf und ist doch ein Bestseller der Branche schlechthin: Das NEUE EVANGELSCHE GESANGBUCH ging Ende 1996 mit der sagenhaften Auflage von einer Million Exemplaren in den Handel.

Singen ist ein lebendiger Ausdruck protestantischen Glaubens, und das Gesangbuch gehört quasi zum Kircheninventar. Aus dem großen seit der Reformation entstandenen Liederschatz ist vieles bis heute unaufgebbar erhalten geblieben; viele Lieder haben aber eine Bedeutung nur in ihrer Zeit gehabt. Daher gibt es in jedem Jahrhundert ein paar Mal ein neues Gesangbuch. Oft war es mehr als ein bloßes Kirchenliederbuch; es war Lern-, Gebet- und Andachtsbuch in einem. Das letzte, in den einzelnen' Landeskirchen zwischen 1950 und 1970 eingeführte EKG war es offensichtlich nicht (mehr), und die Zeit für ein neues „Evangelisches Gesangbuch“ war reif.

Mehr als 15 Jahre haben Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Ausschüsse der Landeskirchen in ständigem Kontakt mit den Gemeinden und ihren Kirchenmusikern an der Entstehung des neuen Gesangbuches gearbeitet.

Das Grundprinzip gegenüber den Vorgängern wurde beibehalten: auf EKD-Ebene wurde der „Stammteil“ erstellt, ein Hauptteil von 535 Liedern, der unverändert in allen Ausgaben des gesamten deutschsprachigen Raums (mit Ausnahme der Schweiz) Aufnahme gefunden hat, gefolgt von einem individuellen Regionalteil, den jede Landeskirche separat erarbeitet hat. Hinzu kommt ein teilweise umfangreicher Textteil mit Gebeten, Andachten, Gottesdienstordnungen, Bekenntnissen, einer Liederkunde u.a., der das Gesangbuch zum Unterrichts-, Nachschlage- und Gebrauchsbuch werden lassen soll. Die landeskirchlichen Teile variieren stark auf Grund der unterschiedlichen Traditionen in den Regionen. Einige haben ganz auf einen neuen Lied-Teil verzichtet.

Von den 24 deutschen Landeskirchen haben sich einige zu einem gemeinsamen Regionalteil zusammengetan. So entstanden 14 inhaltlich verschiedene Gesangbücher in Deutschland, ein weiteres in Österreich. Ein Gesangbuch für alle - Jung und Alt, Frau und Mann, Konservative und Liberale, Traditionsbewusste und Moderne - kann immer nur ein Kompromiss sein. Es hat vielfache Proteste über die Auswahl gegeben. Evangelikale forderten nur „biblisch fundierte“ Lieder, kirchliche Frauenverbände, dass von Gott zukünftig nicht nur als Mann die Rede sein solle, und Kantoren stritten für den Erhalt des ,,bewährten" Liedgutes. Vertreter der „Sakro-Pop-Szene“ wollten mehr Lieder für Jugendliche, Gegner der Ökumene weniger „unreformatorische“ Texte.

Dass insgesamt ein Buch zustande kam, mit dem alle Strömungen in der Kirche im Wesentlichen zufrieden sein können, ist ein Verdienst vieler Experten und Praktiker nach einem langen und mühsamen Prozess.

(Aus: BuchMarkt 2/97. Autor: Otfrid Seippel)