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SPECIAL zu David Pfeifer und seinen Romanen

Der Roman zum 100. Jahrestag der Kämpfe in den Dolomiten erzählt die wahre Geschichte von Viktoria Savs, dem »Heldenmädchen von den drei Zinnen«, nach.

Interview mit David Pfeifer

David Pfeifer
© Alfred Steffen
Wann und wo haben Sie zum ersten Mal von Viktoria Savs gehört?
David Pfeifer: Vor etwa drei Jahren. Ein befreundeter Archäologe, der den ersten Weltkrieg in den Dolomiten dokumentiert, erzählte mir von dem 15-jährigen Mädchen, das als Mann verkleidet am Gebirgskrieg teilgenommen hat. Bei mir ging natürlich sofort eine Fragekaskade los: Wie bitte, wer? Warum und wie?

Haben Sie Antworten gefunden?
David Pfeifer: Ja, aber auch viele neue Fragen. Erstmal wurde schnell klar, dass es nicht besonders schwer war, sich als Jugendlicher oder eben als Mädchen an diese seltsame Front im Gebirge zu mogeln. Es wurde jeder gebraucht, der bergfest war und schießen konnte. Auch die Tiroler Standschützen – eine Art Miliz – griffen zu den Waffen. Savs hat sogar Orden für ihre Tapferkeit im Einsatz erhalten, bevor sie aufflog.

Und welche neuen Fragen haben sich ergeben?
David Pfeifer: Nachdem der logistische Faktor geklärt war, folgte der psychologische Aspekt: Was bringt ein 15-jähriges Mädchen auf die idee, sich auf so etwas einzulassen? War es Abenteuerlust? Oder war sie vor ihrer Zeit emanzipiert? Vermutlich wollte sie vor allem ihren Vater finden, der an der Front stationiert war. Als ältere Frau hat sie später Soldatengeschichten erzählt, wie man sie von männlichen Soldaten kennt. Sie war offenbar ganz gerne dabei gewesen.

Was fanden Sie an der Geschichte so faszinierend?
David Pfeifer: Zunäch einmal den Versteckspielaspekt, also eine Spannungsebene, die weder Alpen-Krimi noch Stahlgewitter-Romantik braucht. Das Mädchen muss ja in einer reinen Männerwelt überleben. Für diese Mimikry beobachtet sie die Männer genau und ahmt Verhaltensweisen nach. Nichts studiert man so aufmerksam wie ein Objekt, das man kopieren möchte. Dazu kam die Front an sich, die mit keinem anderen Kriegsschauplatz vergleichbar war.

Inwiefern unterschied sich diese Front?
David Pfeifer: Sie verlief im Hochgebirge, entlang von Schluchten, abhängen, Bergen und Tälern. Die Soldaten lagen sich also nicht über Kilometer in Schützengräben gegenüber, sondern mussten klettern, sich anschleichen, voreinander verstecken. Eine Patrouille konnte bis zu acht Stunden dauern, und die Mehrzahl der Gefallenen kam nicht durch Feindkontakt um, sondern weil sie von Lawinen verschüttet wurden, abstürzten oder schlicht erfroren.

Wie hat Ihre Hauptfigur sich da gehalten?
David Pfeifer: Sie hat alles mitgemacht. Immerhin konnte sie klettern, Ski fahren und schießen. Da war sie schon besser dran als viele Soldaten, die aus ferneren Nationen des Habsburgerreiches abberufen wurden. Savs hat sogar an der Operation Sextenstein mitgewirkt, einem absurden Husarenstück, das den Wahnsinn dieses Krieges auf sehr kleinem raum erzählt. »Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte« – wenn dieses Heine-Zitat je Gültigkeit hatte, dann sicherlich bei dieser Frau. Mit siebzehn Jahren hatte sie absolut alles gesehen und erlebt, was in ein Leben passt.

Würden Sie Viktoria Savs als Heldin bezeichnen, eine moderne Jeanne d‘Arc?
David Pfeifer: Nach der Recherche denke ich noch mehr als zuvor, dass es im Krieg keine Helden gibt. Und für eine Jeanne d’arc fehlte ihr der Drang zur höheren Aufgabe. Sie war in erster Linie ein abenteuerlustiges Mädchen, das keine Lust hatte auf die klassische Frauenrolle, die um 1915 für sie vorgesehen war. Damals hätte man sie vermutlich als Wildfang bezeichnet, Tomboy würde man sie heute nennen. Dass ihre Verhaltensweisen so wenig zu dem passten, wie Frauen sich um diese Zeit zu verhalten hatten, machte für mich einen weiteren Reiz aus. Dadurch konnte ich nicht nur etwas über den Krieg in den Bergen erzählen, sondern auch über die Gesellschaft von damals, ohne ins Soziologische zu kippen.

Haben Sie sich erst für den Kampf um die Dolomiten interessiert und kamen dann auf die Geschichte von Viktoria Savs oder umgekehrt?
David Pfeifer: Zuerst hat mich die Landschaft fasziniert, dann die spezielle Geschichte Südtirols und zuletzt der Krieg, der dieser Geschichte zugrunde liegt. Schließlich kam ich auf Viktoria Savs und hatte endlich die Handlung für all das, was ich an der Gegend beeindruckend und faszinierend finde. Meine Freundin stammt aus Sexten, einem Dorf unterhalb der Drei Zinnen, wo die Gebirgsfront ab 1915 verlief und mein Roman angesiedelt ist. ich bin seit vielen Jahren dort zu Gast, weniger als Urlauber, mehr schon als erweitertes Familienmitglied. Die meisten Touristen wundern sich, warum die Leute dort Italiener sind, aber deutsch sprechen. Sie wissen nicht, dass sie heute noch die Wege und Klettersteige benutzen, die von den Soldaten im ersten Weltkrieg angelegt wurden. Außerdem ist der Südtiroler an sich nicht sehr schwatzhaft, man muss sich also schon ein bisschen länger mit der Gegend und ihren Einwohnern beschäftigen, bevor man sich ein Bild machen kann.

Es gibt derzeit viele Bücher zum Ersten Weltkrieg, inwiefern ist Ihres anders?
David Pfeifer: Weil es kein Buch über den ersten Weltkrieg ist, sondern ein Abenteuerroman, der die Geschichte eines jungen Mädchens in der extremsten denkbaren Situation erzählt. Der Krieg ist bei mir im Gegensatz zu anderen Weltkriegs-Büchern, von denen ich zur Vorbereitung viele gelesen habe, die Kulisse, vor der alles stattfindet. Die Diplomaten und Feldherren, die großen Strategen und Verbrecher, stolpern nur selten durch die Zeilen. Meine Hauptfiguren sind neben dem Mädchen einfache Soldaten, Bergführer und Standschützen, Menschen aus der Gegend. Und dann gibt es noch die schweigsamsten Romanfiguren überhaupt: die Berge, die hier nicht nur alles Leben, sondern eben auch das Sterben bestimmen, als steingewordenes Schicksal.

Wenn der Roman auf einer wahren Geschichte basiert, warum haben Sie kein Sachbuch geschrieben?
David Pfeifer: Die Informationslage war für ein Sachbuch zu dünn. Viktoria Savs ist leider keine Figur der Zeitgeschichte, deren Leben und Wirken detailliert dokumentiert wurde. Später kam noch ab und zu ein Lokalreporter zu ihr, der die Geschichte des »Heldenmädchens von den drei Zinnen« nacherzählen wollte. Aber aus diesen Geschichten liest man vorwiegend die Epoche heraus, in denen sie entstanden sind. Von der Nazi-Zeit bis in die Sechzigerjahre. Viktoria Savs erzählte ihre Geschichte jedes Mal anders, vergaß vermutlich selber mehr und mehr und neigte zur biografischen Selbstverschönerung, wie viele ehemalige Soldaten. Selbst der später viel prominentere Gebirgskriegsteilnehmer Luis Trenker hat seine Geschichten jedes Mal anders erinnert. Von seinem Buch Sperrfort Rocca Alta gibt es, soweit ich weiß, fünf Versionen, die er je nach politischer Wetterlage teilweise drastisch umgeschrieben hat. Dass ich meine Figuren erdacht habe, hat mir andererseits viel größere Freiheiten verschafft. Ich konnte den Wahnsinn dieses Krieges erzählen, ohne mich in Feinheiten zu vernesteln. Man sollte einer realen Person keine Gedanken und Reflexionen unterschieben, die man nicht zumindest in Ansätzen in den Unterlagen findet. Deswegen habe ich mich auf der Hälfte der recherche dafür entschieden, die Geschichte als roman zu erzählen, dessen Hintergrund allerdings schmerzhaft real ist.

Die Geschichte spielt vor 100 Jahren; Zeitzeugen, die man hätte interviewen können, gibt es nicht mehr. Wie liefen die Recherchen ab?
David Pfeifer: Auf mehreren Ebenen: Erst einmal habe ich viel gesammelt, alte Bücher, Zeitungsartikel, Bilder. Dann kamen Ortsbegehungen dazu. Die Berge waren ja schon vor dem Krieg da und werden es auch noch sein, wenn wir längst nicht mehr sind. Es ist recht einfach, sich heute noch ein Bild von den Umständen zu machen. Freilich habe ich atmungsaktive Gore-Tex-Kleidung getragen, während die Soldaten damals in Filzzeug und Gamaschen wandern mussten. Zeitzeugen gibt es zwar keine mehr, dafür aber Experten, wie beispielsweise Rudolf Holzer, der in Sexten und Umgebung nur Lehrer Rudel genannt wird, weil er so lange Volksschullehrer war. Rudel war schon in den Fünfzigerjahren neugierig, hat die alten Bauern befragt, wie es damals war und sich viele Geschichten gemerkt. viele davon hat er mir erzählt. auch die freundschaft mit rupert Gietl, dem bereits erwähnten archäologen, war unschätzbar wertvoll bei der Recherche. Er kennt nicht nur jeden Stein, sondern auch jedes Rangabzeichen. Dazu kam die Sachrecherche: Daten, Orte, Truppenbewegungen, Hintergrund. Und schließlich waren Kriegstagebücher enorm hilfreich, um in die Psyche der Soldaten vorzudringen, oder sie sich zumindest vorstellen zu können. Wenn man in einem Feldbericht liest, dass ein Offizier sich über die Moral der Truppe mokiert, und am selben Datum am selben Ort den Eintrag findet, dass es eiskalt und sehr langweilig war und die Männer seit Tagen nichts richtiges mehr zu essen bekommen haben, dann setzt sich ein sehr klares Bild zusammen.

Was würden Sie sagen, welchen Anteil Fiktion und Fakten hat das Buch am Ende?
David Pfeifer: Das kann ich nicht präzise auseinanderhalten. Wenn man ein Omelett zubereitet, erkennt man hinterher auch nicht mehr die einzelnen Eier. Tatsächlich ist absolut alles, wie es jetzt dasteht, erfunden. Vor allem die Hauptfiguren, aber auch sie haben reale Vorlagen. Und ihr Schicksal wird im Rahmen realer Ereignisse aufgehängt. Die Operation Sextenstein gab es wirklich. Die Chronologie der Ereignisse stimmt, auch die Geografie und die Hintergründe. Die vielen Arten, wie marschiert, geklettert, gefroren und gekämpft wurde, habe ich mir auch nicht ausgedacht, nur nach dramaturgischen Gesichtspunkten geordnet. Der Wahnsinn hat also genau so getobt, vermutlich noch schlimmer. Meine Sorge war häufig: Das nimmt dir niemand mehr ab. Also habe ich eher unter- als übertrieben.

Wenn Sie die heutigen Kriegsgeschehnisse in der Welt mit dem damaligen Kampf Mann gegen Mann vergleichen, was geht Ihnen da durch den Kopf?
David Pfeifer: Erstmal schleicht sich da eine gefährliche Romantisierung ein, wenn man sich so viel mit Krieg beschäftigt, wie ich in den vergangenen drei Jahren. Diese konkrete Auseinandersetzung erschien mir ehrenhafter, vielleicht tapferer, als eine Drohne mit einem Joystick zu steuern. Tatsächlich ist Krieg aber immer elend, Unschuldige sind zu allen Zeiten darin umgekommen. Die größten Unterschiede sind die Anonymität und die Entmenschlichung. Eine Bombe auf einem Bahnhof zu zünden oder ein Flugzeug in einen Wolkenkratzer zu fliegen sind moderne Kriegsformen, die das Schicksal ausblenden. ein Drohnenpilot erkennt nicht mehr im einzelnen, wen er tötet. In den Dolomiten hingegen, vor allem in der Gegend um Sexten, die ich beschreibe, kannten sich die Soldaten beider Seiten zum Teil schon vor dem Krieg. Und auch danach wieder. Sie waren also nicht verfeindet, genau genommen hatten sie sogar einen gemeinsamen, übermächtigen Gegner: die Natur. es ist ja so schon lebensgefährlich, im Winter in der roten Wand herumzuklettern. Da muss nicht noch einer auf dich schießen.

Da Sie über ihre Verbindungen viele Südtiroler vor Ort kennen: Was bedeutet denen der 100. Jahrestag?
David Pfeifer: Es sind ja nun sehr unterschiedliche Menschen, die dem Jahrestag ebenso unterschiedlich gegenüber stehen. Meine Lebensgefährtin fühlt sich beispielsweise durchaus privilegiert als Südtirolerin. Meiner Wahrnehmung nach zu recht. Sie ist zweisprachig aufgewachsen, hat auf einer italienischen Schwesternschule ihr abitur gemacht und in Wien studiert. ihre Sommerferien hat sie auf der Drei-Zinnen-Hütte verbracht, Ski fahren konnte sie im Winter von der Haustür aus, und Venedig liegt im Übrigen auch nur zwei Autostunden entfernt. Ich habe aber auch heutige Standschützen bei einer Wanderung begleitet, junge Männer um die dreißig, die zum 100. Jahrestag wieder die Ungerechtigkeit der Italiener nach dem Krieg beklagen werden. Die wollen lieber zu Österreich gehören, was mir als Österreicher Sympathiepunkte verschafft. Allerdings trinken viele andere Südtiroler sofort ihr Glas leer, wenn der Trinkspruch ausgegeben wird: ex oder Österreicher. Meiner Wahrnehmung nach eint sie alle eine große Heimatliebe, auch Stolz auf die Geschichte, den Kampf um die Freiheit. Heimat bedeutet dort eben nicht italien, auch nicht Österreich, sondern Südtirol, ganz genau genommen: das Pustertal. als Österreicher, der in Deutschland zur Schule gegangen ist, kenne ich diese Heimatliebe nicht. Da ist der Geschichtsunterricht doch deutlich belasteter.

Was waren die größten dramaturgischen Freiheiten, die Sie sich bei der fiktiven Umsetzung des Stoffs herausgenom- men haben?
David Pfeifer: Ich habe mir erlaubt, Figuren der Zeitgeschichte Gedanken und Motive zu unterstellen, die mir plausibel erschienen, die ich aber nicht belegen kann. Das hat Stefan Zweig bei Marie Antoinette zwar auch getan, aber es war schon eine besondere Übung, ein Gespräch zu erdenken zwischen Graf Burian, dem Österreichischen Außenminister, und dem Herzog von Avarna, dem italienischen Botschafter in Wien. Andererseits gibt es auch eine Szene, die stattgefunden hat und die wohl schon in der Realität romanhaft war: Der Herzog von Avarna überbringt die Kriegserklärung des italienischen Königs in einer Mappe in der Hofburg. Mit Weste und Kneifer und Kutsche. Und als Folge sterben tausende arme Soldaten im Gebirge.

Obwohl er in den Bergen spielt, gehört Ihr Roman nicht in das Genre der Alpenromane. Tatsächlich erinnert er mehr an einen Bergwestern. War das eine bewusste Entscheidung?
David Pfeifer: Abgesehen davon, dass ich Western liebe und das eventuell mitschwingt, hat es wohl vor allem damit zu tun, dass ich das Personal klein gehalten habe. Es stapften zwar tausende Soldaten durch den Schnee, aber ich habe mich auf wenige konzentriert. Das ist dann strukturell ein bisschen wie bei den »Glorreichen Sieben«. Und dann ist die Landschaft eben abenteuerlich, karg, wild. Daher die Atmosphäre.

Sie verzichten im Buch auf Dialekt und haben sich für die Einheimischen stattdessen eine Kunstsprache ausgedacht. Warum?
David Pfeifer: Auf den Dialekt habe ich verzichtet, weil den kaum jemand versteht. Das ist fast wie eine Geheimsprache. Die Kunstsprache ist mehr eine hochdeutsche Umsetzung des Dialekts. Weil es ja doch einen besonderen Satzbau und manche formulierungen gibt, die im reinen Schriftdeutsch verloren gehen würden. Die Sprache sollte die Wärme des Dialekts transportieren, ohne unverständlich zu sein.

Sie haben für die »Süddeutsche Zeitung« auch eine große Reportage über die alten Wege und Stellungen des Ersten Weltkriegs geschrieben. Warum ist jetzt erst das Interesse an den alten Ruinen erwacht?
David Pfeifer: Zum 100. Jahrestag ist viel Literatur erschienen, die das interesse neu angefacht hat. Was man daraus wohl vor allem lernen konnte: Europäische Geschichte ist ohne den ersten Weltkrieg gar nicht zu begreifen. Der Zweite Weltkrieg hat sich mit seinem Schrecken darüber gelegt, auch weil es bis heute Überlebende gibt, die davon berichten. aber der ersten Weltkrieg hat eine neue Weltordnung hinterlassen. Wie etwa eben die Südtiroler, die seitdem Italiener sind, obwohl sie deutsch sprechen. Wenn man sich lange genug mit diesem Konflikt befasst, stellt man fest, dass die gesamte Geschichte der Menschheit sich nicht nur an kulturellen Errungenschaften festmachen lässt. Sie hat mindestens so viel mit Zerstörung und Gewalt zu tun und ist nie zu ende erzählt. Das sehen wir ja jeden Tag in den Nachrichten. Wie der einzelne sich innerhalb dieses Spannungsfeldes verhält oder verhalten würde, bleibt eine ewige Frage, die gerade jene fasziniert, die glücklicherweise nie an einem Krieg teilnehmen mussten.

Ist es Ihnen schwer gefallen, keine Position einzunehmen? Im Buch gibt es keinen moralischen Sieger zwischen den Tirolern und Italienern.
David Pfeifer: Das liegt wohl daran, dass es mir um die Menschen im Krieg geht, nicht um die Entscheider. Die Österreicher waren zumindest mal borniert, und die Italiener wollten leichte Beute machen. Aber die Soldaten beider Nationen waren in erster Linie arme Bauernopfer, die das eben umzusetzen hatten. Das geht bis heute so. Es kann schon passieren, dass ein deutschsprachiger Südtiroler jemanden auflaufen lässt, der in einer Bäckerei in Südtirol arbeitet und nur italienisch spricht. Weil es nach dem Krieg eben weiter ging. Es gab die Option, die Mussolini und Hitler ausgehandelt hatten, dann den Versuch der italienischen Regierung, den Anteil der Tiroler zu reduzieren, indem man verstärkt Italiener ansiedelte. Alles sehr unfein. Aber die einzelnen Menschen? Die konnten und können wenig dafür, deswegen gibt es auch keine Sieger, nicht einmal moralische.

Wissen Sie eigentlich, was aus Viktoria Savs wurde?
David Pfeifer: Sie hat den Krieg überlebt, das beschreibe ich auch mit meiner Romanfigur. Einen Epilog habe ich ihr zudem noch gegönnt. Die echte Viktoria Savs teilte das Pech vieler Soldaten aus der Gegend, denen eigentlich eine Pension als Kriegsinvalide zustehen sollte, die sich dann aber in Italien wiederfanden, als Meranerin. Also auf der Seite des ehemaligen Feindes. Die Italiener zahlten keine Pensionen an die Soldaten, die zuvor noch Gegner waren. Savs siedelte dann um nach Salzburg, wurde Mitglied der NSDaP, vorwiegend, weil die Nazis in ihrem Soldatenkult bessere Pensionen zahlten. Sie fühlte sich zu wenig gewürdigt, wie viele ehemalige Soldaten. Dass immerhin ein Offizierslehrgang des österreichischen Bundesheeres nach ihr benannt wurde, hat sie nicht mehr erlebt.