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Deborah Crombie interviewt ihren Übersetzer Andreas Jäger

Für ihren Newsletter hat Deborah Crombie ihren deutschen Übersetzer Andreas Jäger zu seiner Arbeit und den besonderen Herausforderungen seines Jobs interviewt.

Hier das Interview in deutscher Übersetzung – natürlich von Andreas Jäger selbst:

Deborah Crombie
© Steve Ullathorne
Deborah Crombie: Wie bist du Literaturübersetzer geworden?

Andreas Jäger: Zum Übersetzen als Beruf bin ich relativ spät gekommen, obwohl ich nun doch schon rund fünfzehn Jahre davon lebe. (Du liebe Zeit, schon so lange – muss ich alt sein …)

Ich habe Anglistik und Germanistik studiert, und die Theorie des Übersetzens gehörte immer schon zu meinen Hauptinteressen, ohne dass ich auf den Gedanken gekommen wäre, mich ganz auf die Praxis zu verlegen. Doch nach einigen Jahren als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes, mit einer Magisterarbeit über einen irischen Dichter und einer Doktorarbeit über die englische Elegie, kam dann einer dieser »interessanten« biografischen Knicke. Ich sah keine Perspektive mehr im akademischen Bereich, machte eine Ausbildung zum Verlagskaufmann und leitete eine Zeitlang einen Stadtteil-Kulturtreff. Und da wurde ich eines schönen Tages gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ein Buch für den Goldmann-Verlag zu übersetzen.

Das tat ich – zunächst in meiner Freizeit –, es machte mir Spaß, das Resultat gefiel offenbar, und so blieb ich dabei. Einer meiner ersten Aufträge war »Von fremder Hand« (A Finer End) von einer gewissen Deborah Crombie. Ein Glückstreffer, muss ich im Nachhinein sagen.


Warum sind deiner Meinung nach britische Krimis bei deutschen Lesern so beliebt?

Nun, ich wage zu behaupten, dass die Deutschen einfach Krimis und Thriller jeglicher Art lieben. Und wir haben zwar hierzulande auch reichlich gute Krimiautoren und –autorinnen, die aber offensichtlich nicht genug produzieren können, um den Lesehunger der Fans zu befriedigen – was natürlich gut für uns Übersetzer ist.

Und dann gilt ja England als das Mutterland des Krimis (und des Fußballs natürlich, mit dem Unterschied, dass das Land auch heute noch sehr gute Krimis hervorbringt …)

London schließlich ist bekanntermaßen die Krimistadt – Schauplatz der Ripper-Morde, der Abenteuer des Sherlock Holmes und der Edgar-Wallace-Krimis. Da kommt es natürlich gut an, wenn jemand diese Stadt und ihre einzelnen Bezirke so liebevoll und akribisch und mit so viel historischem Bewusstsein zum Leben erweckt, wie es in den Kincaid/James-Krimis geschieht.


Was sind die besonderen Herausforderungen, mit denen du es zu tun hast, wenn du eine amerikanische Autorin, die britische Krimis schreibt, für ein deutsches Publikum übersetzt? Welche kulturellen und sprachlichen Probleme treten dabei auf?
Ich denke, dass die Kincaid/James-Krimis von deutschen Lesern durchaus als sehr britisch wahrgenommen – und genau deswegen geschätzt – werden, wobei die Tatsache, dass die Autorin Amerikanerin ist, vielleicht gar keine so große Rolle spielt. Die Probleme für den Übersetzer haben in der Tat mehr mit kulturellen Unterschieden zu tun, die sich sprachlich manifestieren.

Eine Herausforderung für jeden Übersetzer aus dem Englischen ist das bekannte Du/Sie-Problem: Jedes Mal, wenn eine Figur im Roman eine andere mit you anspricht, muss ich entscheiden, ob ich das nun mit Sie oder mit du bzw. ihr wiedergebe. Und das ist manchmal gar nicht so einfach.

Zum einen ist die Anrede mit Vornamen eben kein sicheres Zeichen dafür, dass die Personen sich in einem deutschen Kontext duzen würden, denn im englischen Sprachraum geht man viel schneller vom Nach- zum Vornamen über als in Deutschland vom Sie zum Du. So mag etwa Kincaids Chef ihn mit »Duncan« anreden, dennoch würde ich es für sehr unangemessen halten, die beiden sich duzen zu lassen.

(Hier haben wir im Deutschen zum Glück noch die Zwischenlösung des sogenannten »Hamburger Sie«, d.h. Vorname plus Sie.)

Schwierig wird es auch, wenn Figuren in der Serie von Fremden oder gar Tatverdächtigen nach und nach zu Freunden der Familie werden, wie z.B. die Tierärztin Bryony, Kits Mentorin Erika Rosenthal oder auch Wesley. Hier muss ich irgendwo den Übergang zum »Du« finden, und das muss natürlich im Off geschehen, also meist zwischen zwei Bänden – denn ich kann ja schlecht eine Szene einfügen, in der eine Figur zur anderen sagt: »Wollen wir uns nicht duzen?«

Was kulturelle Unterschiede betrifft, haben die Globalisierung und das Internet in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten eine deutliche Wandlung bewirkt. Früher – ich denke da etwa an die roten Goldmann-Krimis der Fünfziger und Sechziger – wurde viel mehr »eingedeutscht« und angepasst, was man heute allein schon um des Lokalkolorits willen im Original belässt. Wo man damals aus dem Inspector einen »Kommissar« machte, lässt man heute den englischen Titel stehen, und wo es früher noch hieß »Herr/Frau Fräulein Smith«, muss es heute auch in der Übersetzung Mr/Mrs oder Ms heißen.

Interessant wird es auch bei Bezeichnungen von Speisen und Getränken bzw. Gerichten, die hierzulande weniger bekannt sind. Auch hier geht der Trend dazu, das Original stehenzulassen, denn meist erschließt sich aus dem Zusammenhang, was für eine Art Speise z.B. ein Bacon Buttie ist, oder aber der interessierte Leser macht sich mit ein paar Klicks bei Wikipedia schlau.

Hier wie in allen kulturellen Bereichen muss man als Übersetzer sehr darauf achten, auf dem Laufenden zu bleiben. Dazu ein Beispiel: Vor einigen Jahren habe ich in einem Crombie-Roman noch einen cupcake durch einen Muffin ersetzt, wohl wissend, dass das nicht ganz dasselbe ist, denn zu der Zeit waren Cupcakes in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Heute, wo es in großen deutsche Städten schon spezielle Cupcake-Cafés gibt und man in allen möglichen Zeitschriften Rezepte finden kann, würde ich es natürlich bei den Cupcakes belassen.

Ein spezielles Problem rührt von den unterschiedlichen Erziehungssystemen her. Im letzten Band (»Wer Blut vergießt«) ging es darum, dass Duncan und Gemma für Charlotte einen Platz in einer school suchen. Da fragt man sich als Deutscher natürlich, was eine Dreijährige in einer Schule verloren hat. Hätte ich aus der school also einen »Kindergarten« machen müssen? Vielleicht – aber im Text ist auch die Rede von Klassen, von Lehrern und von Uniformen, alles Dinge, die wir nicht mit einem Kindergarten in Verbindung bringen. Und die Kindererziehung in England ist in der Tat von Anfang an viel »verschulter« als bei uns. Hier school durch »Kindergarten« oder »Kita« zu ersetzen, wäre als einer Verfälschung bzw. Einebnung bestehender kultureller Unterschiede und somit einer Verflachung des Originals gleichgekommen. So bin ich dann – nach längeren Diskussionen mit der Lektorin – bei »Schule« bzw. »Vorschule« geblieben – wenn auch mit ein bisschen Bauchweh. (Es wurde mir dann auch prompt in einer Rezension angekreidet, ich habe da etwas falsch wiedergegeben – es müsse sich doch wohl um eine Kita und nicht um eine Schule handeln …)


Wer ist deine Lieblingsfigur in der Serie?

Als ich die Frage las, dachte ich spontan: Doug Cullen. Und nach längerem Nachdenken – ja, ich bleibe dabei. Ich finde ihn einfach sympathisch in seiner etwas linkischen Art, und auch wenn mir Duncan und Gemma inzwischen wie alte Freunde vorkommen – »Wer im Dunkeln bleibt« ist immerhin schon meine zehnte Deborah-Crombie-Übersetzung –, ist doch Doug derjenige, mit dem ich am liebsten mal ein Pint oder drei in einem der so einladend beschriebenen Londoner Pubs zischen würde. Aber auch bei Erika Rosenthal würde ich zu gerne mal auf einen Tee vorbeischauen …

Deborah Crombies Krimis im Überblick:

Wer im Dunkeln bleibt

(6)
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