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Leonie Swann: »Garou«

Die Schafskrimis von Leonie Swann: »Glennkill« und »Garou«

Von Wölfen und Schafen

Der Fortsetzungsband von Leonie Swanns Schafskrimi ist da

© Peter von Felbert
Leseprobe von „Garou“ herunterladen (PDF)

Die Schafe von Glennkill sind zurück. Fünf Jahre nach ihrem gleichnamigen Überraschungserfolg „Glennkill“ legt die deutsche Krimiautorin Leonie Swann nun die lange erwartete Fortsetzung ihres ebenso originellen wie spannenden ersten Schafskrimis vor.

In ihrem Erstling schildert Swann, wie es der vielköpfigen Herde um das schlaueste Schaf Miss Maple gelingt, den brutalen Mord an ihrem Schäfer George aufzuklären. Besonders hilfreich ist den Tieren dabei, dass George ihnen bisweilen vorgelesen und so ihren kriminalistischen Verstand geschärft hat. Dennoch bleiben den Tieren viele Aspekte der Menschenwelt fremd und rätselhaft. Das Buch gewinnt seinen besonderen Reiz durch zweierlei: Zum einen wird die Handlung aus dem Blickwinkel der Schafe beschrieben und uns Menschen mit all unseren Eigenarten dadurch auf humorvolle und kluge Weise ein Spiegel vorgehalten. Zum anderen gibt es auch bei den Schafen ganz unterschiedliche Charaktere: Neben der überaus neugierigen und scharfsinnigen Miss Maple begegnen uns beispielsweise der Leitwidder Sir Ritchfield, der zwar nicht mehr das beste Gedächtnis, aber dafür immer noch eine beeindruckende Sehkraft hat, der dicke Mopple genannt the Whale, der praktisch immer Hunger hat, sich aber dafür alles merken kann, oder auch der mutige schwarze Widder Othello, um dessen Vergangenheit sich ein dunkles Geheimnis rankt.

Eine neue Heimat für die Schafe
All die Widder, Muttertiere und Jungschafe trifft der Leser auch in der Fortsetzung wieder, denn „Garou“ knüpft nahtlos an die Handlung des ersten Bandes an. Mit Hilfe der großzügigen Erbschaft, die George Glenn hinterlassen hat, reisen die Schafe mit Georges Tochter Rebecca als ihrer neuen Schäferin ins Winterlager nach Europa. Rebecca wird dabei von ihrer Mutter begleitet, die ein besonderes Faible für Räucherstäbchen und Kartenlegen hat. Die Herde tauscht also die saftigen Weisen der grünen Insel Irland mit einem Weideplatz im Schatten eines einsamen französischen Schlosses mit mysteriöser Vergangenheit.

Das Schloß wird von einer kleinen Gruppe von Menschen bewohnt: Da ist zum einen der Schlossbesitzer Maurice, ein Schönheitschirurg, der von den Schafen wegen seines vogelhaften Gebarens nur „der Häher“ genannt wird. Er hat das Gebäude von seinem Vater übernommen, der darin eine Nervenheilanstalt führte, bis er sich mit einer Silberkugel vor einem Spiegel erschoss. Weiterhin treffen die Schafe auf seinen Buchhalter Zach, der zugleich ein ehemaliger Patient der Anstalt ist und weiter in einer imaginären Agentenwelt lebt. Eine Abneigung entwickeln sie bald gegen Yves, der im Schloss als Mädchen für alles wirkt und Rebecca ungeniert Avancen macht. Schließlich sind da noch die füllige Haushälterin Madame Fronsac, die den Schafen stets Futter zusteckt, das Kindermädchen Hortense, die Verwalterin Mademoiselle Plin und Eric, der im Turm des Schlosses eine Käserei betreibt, sowie zwei Sommergäste.

Den Schafen ist der Ort von Anfang an etwas unheimlich. Dazu trägt vor allem das namenlose und überaus verzottelte fremde Schaf bei, auf das sie dort treffen. Pausenlos stammelt es die Namen seiner offenbar verlorenen Herde vor sich hin und warnt die Neuankömmlinge vor drohenden Gefahren. Auch die Tatsache, dass auf der Nachbarweide den Schafen von Natur aus unsympathische Ziegen wohnen, und das unwirtliche winterliche Festlandklima tragen nicht gerade dazu bei, dass die Schafsherde sich rundherum wohlfühlt.
© Peter von Felbert
Die Ungereimtheiten mehren sich
Schon bald bestätigt sich das Unbehagen der Schafe. Als im Wald die blutigen Überreste eines Rehs aufgefunden werden, stellt sich der Herde die Frage, wer eine so überaus grausame Tat begangen haben könnte. Ein Wolf? Ein Mensch? Oder gar eine Mischung aus beiden…? „Garou“ – so bezeichnet eine der Ziegen ein solches Wesen: ein unheimliches Wertier, das seine Gestalt wechseln kann und für Mensch und Tier eine tödliche Bedrohung darstellt. Schon früher hat man grausam gewilderte Tiere im Wald aufgefunden – und schließlich verschwanden nicht nur eine ganze Schafsherde, sondern auch drei Menschen spurlos.

Doch die anfangs unbestimmbare Angst der Schafe schlägt bald in kriminalistische Neugier um. Die Schlossbewohner geraten unter Verdacht und werden von den Vierbeinern entsprechend inspiziert. Aber auch den von außen kommenden Menschen – wie dem Tierarzt, dem Ziegenhirten oder Kommissar Malonchot - schlägt erst einmal das Misstrauen der Tiere entgegen. Die Schafe sind sich nämlich sicher, dass nur ein Mensch zu solch grausamen Taten fähig ist, und vermuten in einem der Zweibeiner den Werwolf.

Die Ereignisse spitzen sich dramatisch zu
Tatsächlich bleibt es nicht bei einem gerissenen Reh, sondern die Ereignisse spitzen sich dramatisch zu. Der Garou fordert scheinbar weitere Opfer: Zunächst wird Rebeccas Schäferhund Tess vergiftet und kurz darauf wird der erste Mensch von einer Silberkugel erschossen aufgefunden. Die bösen Vorahnungen der Schafe scheinen sich auf grausame Weise zu erfüllen, und kurzerhand nehmen sie die Ermittlungen in die Hände, pardon Hufe. Wieder einmal muss die Herde um Miss Maple all ihren Verstand einsetzen, um mit Rebeccas Hilfe schließlich das dunkle Rätsel um die toten Tiere und Menschen zu lösen.

Eine gelungene Fortsetzung von „Glennkill“
Mit „Garou“ ist Leonie Swann eine außergewöhnliche Fortsetzung ihres ersten Schafskrimis gelungen. Sie besticht vor allem dadurch, dass der Leser durch den Blickwinkel der Schafe automatisch von dem Unbehagen über den Garou gepackt und so schnell nicht wieder losgelassen wird.

„Garou“ ist ein reines Lesevergnügen - nicht nur für ausgesprochene Schaf-Fans oder eingefleischte „Glennkill“-Anhänger. Auch Neueinsteiger in die Welt von Miss Maple und Co werden ihre Freude bei der Lektüre haben und sich über den hintergründigen Wortwitz und die bisweilen tiefsinnigen Diskussionen der wolligen Vierbeiner freuen.
Dr. Hendrik Müller-Reineke
Cuxhaven, Mai 2010