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Die bayerische Seele

Grant, Stenz & Flins – klar, oder?

Grant

»Grant ist offenbar ein weitverbreitetes Alltagsphänomen. Man erkennt den Grantler meist relativ schnell. Denn er trägt seinen wichtigsten Muskel mitten im Gesicht: den Musculus depressor anguli oris, auch ›Mundwinkelniederzieher‹ genannt.
Schmellers Bayerisches Wörterbuch fasst den Begriff recht eng als Unmuth, Unwille, Verdruss, Zorn. Und so stellen wir uns auch den typischen Grantler vor: immer verdrießlich und übellaunig. Mit nichts ist er zufrieden, an allem hat er etwas auszusetzen, stets muss er herumnörgeln. Überhaupt rein gar nichts mag er – niemanden, nirgendwo, niemals. Am allerwenigsten sich selbst. An manchen Tagen – es kann, muss aber kein Föhn herrschen – zieht der Grantler sein Gesicht hinter sich her wie eine tote Sau.
Und doch bedeutet Grant viel mehr als einfach nur grantig und unzufrieden sein. Grant ist eine Haltung. Grant – das ist der Blues des Südens, seit Jahrhunderten oszillierend zwischen Niedergeschlagenheit und Aufbegehren.
Und so wie der Blues nie nur traurig ist, sondern manchmal auch heiter, frech, aufmüpfig, lüstern oder albern sein kann, ist der Grant zwar oft abgrundtief düster, melancholisch und fatalistisch, manchmal aber auch richtig ausgelassen, humorvoll und witzig.«

Stenz

»Wer Stenz sagt, meint die Liebe. Oder genauer gesagt die Liebe in Bayern. Also quasi den Bavarian Lover und seine mehr oder weniger natürlichen Habitate zu verschiedenen Zeiten – womit nicht (nur) Tages- oder Jahreszeiten gemeint sind, sondern auch historische Epochen. Selbstverständlich kommt in diesem Zusammenhang auch die Bavarian Loverin nie zu kurz; und zwar nicht nur als Passantin, die vom Stenz im Schwabinger Straßencafé begutachtet wird, sondern als weibliche Hauptrolle. Ohne sie geht gar nichts! Nie! Das weiß niemand besser als der Stenz.
Der Begriff Stenz soll übrigens aus dem Rotwelschen stammen und einen Stock oder einen Wanderstab bezeichnen. Also etwas, das von Hand zu Hand geht. Womit neben der Anspielung auf das spezifisch männliche Körperteil auch die weitere Bedeutung im Sinne erotischer Vagabondage metaphorisch schön umrissen ist. Der Stenz ist also ein Frauenheld und daher recht häufig auch ein Meister in der Kunst des Flirtens. Das Wörterbuch der deutschen Umgangssprache aus dem Jahr 1955 kennt den »Stenz« nur als den Zuhälter. Im Süden ist man da etwas nachsichtiger – der Begriff ist hier vielschichtiger, hat mehrere Bedeutungen. Und es ist wohl kein Zufall, dass man in München gleich mehreren sympathischen Stenzen ein Denkmal gesetzt hat.«

Flins

»Der Mensch lebt nicht vom Grant allein. Nicht einmal in Bayern. Und auch Liebe, Lust und Leidenschaft machen den Eingeborenen nie ganz satt, egal ob er ein Stenz ist oder nicht. Am Ende wird doch fast immer jener Stoff benötigt, aus dem viele – nicht nur weiß-blaue – Träume sind. Auf Bairisch heißt dieser Stoff Diridari – oder auch Flins.
Das Wort hat einen recht irdischen Ursprung. Johann Georg Krünitz beschreibt in seiner Oekonomischen Encyklopädie des 18. Jahrhunderts mit Flins verschiedene Steinarten: Feuerstein, Hornstein, Eisenstein. Aber um Geologie soll es hier natürlich nicht gehen, obwohl der Zusammenhang schon einleuchtet: Nicht nur bayerische Kiesgrubenbesitzer sind mitunter steinreich, haben also einen Riesenhaufen Schotter. Nein, Flins ist Geld im weitesten Sinn. Nicht nur in Form jener schwarzen Taler, die als Notgeld aus Graphit hierzulande noch im 20. Jahrhundert kursierten. Es können auch kleine Münzen sein, die glänzen und gleißen – also flinzen, wie man früher sagte. Es dürfen auch gern abgegriffene (Schuld-)Scheine sein oder frischgedruckte Wertpapiere. Vielleicht auch Aktien oder nur ein paar Zahlen auf dem Computerbildschirm. Hauptsache Geld!
Mit dem gleichnamigen, bärtigen und furchteinflößenden Todesgott aus der Mythologie der slawischen Wenden hat unser Flins also erst einmal nichts zu tun. Obwohl einem schon angst und bang werden kann beim Gedanken, wie manche auch über Leichen gehen – fürs Geld. Flins ist nämlich nicht nur ein Tausch- und Zahlungsmittel; ein Medium, das ganz gut zur längeren Aufbewahrung taugt. Etwas, mit dem man den Wert, oder zumindest den Preis einer Sache bemessen kann. Mit Flins kann man auch kommunizieren. Man kann horten und prassen, protzen und strotzen, gieren und renommieren. Flins ist nie nur ein Gegenstand, sondern immer auch ein Zustand. Ein mehr oder weniger erfreulicher – je nachdem.«