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E. Conze, N. Frei, P. Hayes, M. Zimmermann »Das Amt und die Vergangenheit«

Blessing veröffentlicht Untersuchung zur Rolle des deutschen Auswärtigen Amtes in der NS-Zeit

Berlin/München, 29.10.2010

Dass dieses Buch für Wirbel sorgen würde, war schon vor der Vorstellung des Werkes durch den Blessing Verlag in Berlin mehr als absehbar. Geht es doch in „Das Amt und die Vergangenheit – Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“ um nichts weniger als die Frage, inwieweit das diplomatische Korps des Landes auf allen Ebenen aktiv in die Verbrechen des NS-Regimes, insbesondere in die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, verstrickt war.

In den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte das deutsche Auswärtige Amt eine solche Verstrickung ignoriert, hatte im Gegenteil ein Selbstbild aufgebaut, das von einer Distanz der Diplomaten gegenüber dem Regime ausging. Um nun genau diesen Themenkomplex aufzuarbeiten und in Folge der sogenannten „Nachrufaffäre“ von 2003, in der es um die offizielle Würdigung verstorbener Diplomaten mit NS-Vergangenheit ging, hatte der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) 2005 eine Unabhängige Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte der Behörde in der NS-Zeit und der Bundesrepublik berufen. Den 880 Seiten starken, für die breite Öffentlichkeit geschriebenen Abschlussbericht der Historiker Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann stellte Blessing am 28. Oktober im Berliner Haus der Kulturen der Welt vor. Anwesend waren nicht nur die vier Historiker der Kommission, sondern auch die beiden ehemaligen Außenminister Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier (SPD), die mit den Experten über deren Ergebnisse diskutierten. Die Moderation des Gesprächs hatte die renommierte Journalistin Tissy Bruns, die ehemalige Vorsitzende der Bundespressekonferenz, dem Zusammenschluss aller Parlamentskorrespondenten, übernommen.

Die Antwort, die die Historiker auf die Kernfrage des Berichts, eben die nach der Rolle der Diplomaten in der NS-Zeit und den Umgang mit dieser Rolle in der Zeit nach 1945, geben, könnte eindeutiger kaum ausfallen. „Von Anfang an war das Auswärtige Amt über die deutschen Verbrechen in dem 1939 begonnenen Eroberungs- und Vernichtungskrieg umfassend informiert“, schreiben die Historiker zusammenfassend in der Einleitung ihrer Untersuchung. „Die Mitwisser waren auch Mittäter. Nicht nur beschäftigten sich eigene Abteilungen im AA (Auswärtiges Amt) mit der Organisation moderner Sklavenarbeit und mit Kunstraub. Die deutsche auswärtige Politik machte sich die ‚Lösung der Judenfrage‘ in Deutschland, dann die ‚Endlösung‘, zu ihrer Aufgabe, die Mitwirkung daran wurde zu einem Tätigkeitsfeld deutscher Diplomaten überall in Europa. In vielen Fällen waren Angehörige des Auswärtigen Dienstes – und nicht nur Seiteneinsteiger aus der Zeit nach 1933 – an der Deportation von Juden unmittelbar beteiligt, mitunter ergriffen sie sogar die Initiative“, so das Fazit der Unabhängigen Historikerkommission.

In einer ersten Äußerung erklärte Joschka Fischer, der die Studie seinerzeit in Auftrag gegeben hatte, im Deutschlandfunk, er sei „überrascht und entsetzt“ darüber gewesen, in welchem Umfang Mitarbeiter des Amtes zwischen 1933 und 1945 „Teil des Verbrechens“ gewesen seien.“Was mich am meisten erschüttert hat in diesen 800 Seiten, war der Satz, dass die Grenzen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Reichssicherheitshauptamt, also der Zentrale des Verbrechens, fließend geworden sind“, sagte Fischer dem Radiosender. Der heutige Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ an, man werde den Bericht zu einer „festen Größe“ der Diplomatenausbildung machen. Auf einer speziellen Veranstaltung soll die Studie auch den Mitarbeitern des Auswärtigen Amts vorgestellt werden.

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Jan Witt
mit freundlicher Gernehmigung © BeNet Gütersloh 2010