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SPECIAL zu Felix Krämer - "Geschlechterkampf"

Ein Gespräch mit Felicity Korn und Felix Krämer

Frau Korn, Herr Krämer, Ihre Ausstellung zeigt Kunstwerke des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich mit dem Thema „Geschlechterkampf“ auseinandersetzen. Warum gerade jetzt?

Felix Krämer: Das Thema ist brandaktuell. Ständig findet man Artikel, die sich im weitesten Sinne mit dem Geschlechterkampf beschäftigen.

Wie die 60 Geschlechterkategorien auf Facebook?

Felicity Korn: Genau oder diese Mutterollendebatte, die derzeit in den Medien geführt wird und die Frage nach der heutigen Bedeutung des Feminismus. Klassische Paarbeziehungen werden immer stärker hinterfragt. Man möchte sich immer noch von diesen konventionellen Rollenbildern lösen. Es ist ein Thema, dass jeden sehr persönlich betrifft.

Worum geht es genau in der Ausstellung „Geschlechterkampf“?

Felix Krämer: Es geht um die Konstruktion von männlichen und weiblichen Rollenbildern. Darum, wie Künstler sich mit Stereotypen beschäftigt haben, wie sie die gesellschaftliche Rolle von Mann und Frau hinterfragt haben, sie zum Teil bestätigt, zum Teil dekonstruiert haben.

Ihre Ausstellung setzt im 19.Jahrhundert ein. Warum?

Felicity Korn: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben sich die Geschlechterrollen neu definiert, daher gibt es zu dieser Zeit in der Kunst eine starke Auseinandersetzung mit diesem Thema. Unsere Ausstellung spannt den Bogen von dort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, und wir zeigen, was zu dieser Zeit in der Gesellschaft passiert ist.

Wie reagieren die Künstler denn auf die gesellschaftlichen Entwicklungen?

Felix Krämer: Es beginnt damit, dass starke Frauenfiguren aus biblischen und mythologischen Vorlagen plötzlich ein verstärktes Interesse hervorrufen.

Werden sie denn anders aufgefasst als vorher?

Felix Krämer: Das Verruchte, Bösartige, Unheilbringende dieser Frauenfiguren wird nun verstärkt in den Vordergrund gestellt. Während man früher Adam und Eva gezeigt hat, wie sie aus dem Paradies vertrieben werden, tritt Eva dann vor allem als diejenige auf, die die Ursünde in die Welt bringt. Das spitzt sich immer weiter zu, bis zur Jahrhundertwende,
wo man einerseits diese ganz krasse Typisierung sieht. Andererseits beginnt man zu jener Zeit, sich mit diesen Rollenbildern zu identifizieren, weil sie immer stärker an die gesellschaftliche Realität angebunden werden. Man erkennt in diesen Figuren tatsächlich die damaligen Frauen und Männer wieder.

Im frühen zwanzigsten Jahrhundert beginnt sich die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau zu verändern.

Felicity Korn: Ja, nach dem Ersten Weltkrieg müssen sich die Rollenbilder in der Gesellschaft komplett neu konstituieren. Die Männer kehren traumatisiert, teilweise auch körperlich verkrüppelt aus dem Krieg zurück und müssen dann auch noch feststellen, dass die Frauen inzwischen das Wahlrecht bekommen haben und arbeiten gehen.

Wie schlägt sich das in der Kunst nieder?

Felix Krämer: In Themen wie Lustmord und Prostitution, man findet das in Bildern von Karl Hubbuch und Otto Dix. Im Surrealismus der dreißiger und vierziger Jahren werden die Geschlechterrollen schließlich komplett hinterfragt, und das Androgyne wird in den Vordergrund gestellt.

Welche Arbeit hat zur Entstehungszeit das Publikum wohl besonders schockiert?

Felicity Korn: 1887 hat Emmanuel Fremiet eine Bronzefigur erschaffen, die einen Gorilla zeigt, der eine Frau verschleppt. Das war damals sicher ein Schock, weil diese animalische Lust des Mannes so offen thematisiert wurde. Hinzu kam, dass man den Gorilla zu jener Zeit erst entdeckt hat. Man kannte ihn vorher gar nicht. Da gab es tatsächlich die wildesten Gerüchte, dass der Frauen entführt und seine Lust an ihnen befriedigt. Darin, dass diese abstrusen Fantasien hier erstmals dargestellt wurden, lag eine enorme Provokation.
FK: Das gilt ganz ähnlich auch für „Elle“ von Gustav Adolf Mossa – ein Gemälde von 1905, das eine großbusige Frau zeigt, die nackt auf einem Hügel aus Männerleichen thront. Das schockiert sogar heute noch.

Gingen Künstlerinnen eigentlich anders an das Thema heran als Künstler?

Felicity Korn: Nein. Das ist ja das Spannende. Die wenigen Künstlerinnen, die sich im 19. Jahrhundert mit dem Thema auseinandergesetzt haben, taten dies unter ähnlichen Vorzeichen wie ihre männlichen Kollegen. Abgesehen davon, dass sie sich sehr stark mit den Frauenfiguren identifiziert haben. Viele Figuren der Künstlerinnen sind genauso bösartig und gewalttätig wie die ihrer männlichen Kollegen. Das hat unter anderem mit der gesellschaftlichen Realität der Zeit zu tun: Auch viele Frauen waren von der Frauenbewegung verunsichert. Die alten Prinzipien – die Frau ist passiv, der Mann aktiv, die Frau ist natürlich, der Mann rational – wurden oftmals noch allgemein akzeptiert.

Aber nicht mehr lange.


Felix Krämer: Das änderte sich im zwanzigsten Jahrhundert, zum Beispiel bei Suzanne Valadon, bei der Adam Evas Hand führt, die nach dem Apfel greift, wodurch er eindeutig als Komplize und nicht als Opfer dargestellt wird. Oder bei Hanna Höch, die auf jeden Fall einen anderen Blick auf die Rolle der Frau hatte, als ihre Dada-Kollegen oder die Künstler der Neuen Sachlichkeit. Ihre Bilder entstanden tatsächlich aus einer sozialen Realität der emanzipierten Frau heraus und ironisieren häufig die typischen Charaktereigenschaften der Geschlechter. Sie hat das sehr pointiert und mit einer gewissen Ironie umgesetzt. Ein weiteres Beispiel ist Frida Kahlo, die sich explizit mit der weiblichen Lebens- und Gefühlswelt beschäftigt hat und sich besonders für das Matriarchat und eine naturverbundene, mächtige Weiblichkeit interessierte.

Wird ein Mann anders durch die Ausstellung gehen als eine Frau?

Felicity Korn: Ja. Kürzlich standen wir mit einer Besuchergruppe vor Max Liebermanns „Simson und Delila“ (1902) aus unserer Sammlung: zehn Frauen und ein Mann. Während die Frauen der Meinung waren, dass Delila triumphiert, war der Mann der Ansicht, sie zweifle an ihrer Tat. Das kann man natürlich nicht pauschalisieren. Wir denken, die eigene Identität definiert, wie man auf die Bilder guckt. Und wir hoffen, dass die Ausstellung zum Austausch anspornt und dazu, dass man über das Thema diskutiert.