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Frauen sind anders krank. Männer auch.

Prof. Dr. Marek Glezermann über geschlechterspezifische Medizin

Warum Frauen andere Medizin benötigen als Männer

Das Thema Gender Medizin taucht seit einigen Jahren immer wieder in der Presse auf, ist aber im Bewusstsein der Öffentlichkeit noch nicht so recht angekommen. Nun haben Sie ein Buch für Laien geschrieben. In wenigen Worten: Was ist Gender Medizin?

Am besten versteht man die Bedeutung von Gender Medizin, wenn man die kürzlich erfolgte Namensänderung der Israelischen Gesellschaft betrachtet. Der neue Name lautet übersetzt „Israelische Gesellschaft für Gender und Geschlechtsbewusste Medizin“. Dieser Name beinhaltet das Verständnis, dass die moderne Medizin sich bewusst sein muss, dass sowohl das Umfeld einschließlich Erziehung, Nahrung, Gewohnheiten und Kultur, als auch unsere Biologie alle Körpersysteme beeinflussen. Und zwar zum Teil unterschiedlich bei Frau und Mann. Dies kann weitgreifende Folgen für Diagnose und Therapie haben. Besorgniserregend ist dabei, dass nach wie vor der Großteil der Forschung auf den Mann ausgerichtet ist, wobei die Ergebnisse auch auf Frauen angewendet werden. Die Gender Medizin zielt durch Aufhebung dieses Missstands auf eine Verbesserung der Qualität in der Medizin.

Was sind die Folgen, wenn Forscher und Pharmakonzerne neue Arzneimittel vornehmlich an Männern testen?

Die Folgen können sein, dass bei Frauen die Medikamentenauswahl nicht optimal erfolgt. So kommt es eventuell zu Falsch- oder Suboptimalbehandlungen. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass Nebenwirkungen bei Frauen oftmals häufiger auftreten und auch schwerer sein können.

„Frauenherzen ticken anders“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Was bedeutet das in Bezug auf die Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen bei Frauen und Männern?

Bestimmte Diagnosemethoden, wie etwa das Belastungs-EKG, sind bei Frauen weniger aussagefähig. Bestimmte Krankheitsbilder, wie etwa ein Herzinfarkt, können sich bei Frauen anders darstellen. Und bestimmte medikamentöse Behandlungen und invasive Eingriffe können bei Frauen weniger wirksam sein. Insgesamt können daher Fehldiagnosen und suboptimale Behandlungsmethoden für Frauen lebensgefährlich werden.

Die komplexe Arbeit des Nervensystems im Darm und des Mikrobioms bilden einen weiteren Schwerpunkt in Ihrem Buch. Warum entwickeln Männer und Frauen unterschiedliche Verdauungsprobleme?

Unser Magen- und Darmtrakt funktioniert zum Teil anders bei Mann und Frau. So ist etwa die Verweildauer von Speisen und Medikamenten im Verdauungstrakt der Frau erheblich länger als beim Mann und dies hat natürlich seine Auswirkungen. Das Mikrobiom, welches heute immer weiter in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit rückt, hat eine unterschiedliche Zusammensetzung bei Mann und Frau und verändert sich zudem im Laufe des Monatszyklus. Auch hier hinkt die Forschung bei der Frau erheblich nach und es ist anzunehmen, dass darin ein wichtiger Grund dafür liegt, dass Frauen mehr unter Darmbeschwerden leiden als Männer.

„Wenn Männer Kinder zur Welt bringen müssten, wäre die Menschheit längst ausgestorben“, lautet ein bekannter Witz. Können Frauen Schmerzen tatsächlich besser ertragen als Männer?

Zunächst einmal kann ich dem geflügelten Wort nicht recht zustimmen, da mir hier als Wissenschaftler eine große Vergleichsstudie fehlt. In der Tat aber empfinden Frauen
Schmerz anders als Männer und kommen mit Schmerz auch besser zurecht. Dies, obgleich die Schmerzschwelle bei Frauen eigentlich niedriger liegt als bei Männern. Hier spielen aber nicht nur biologische Unterschiede, sondern zum großen Teil auch Genderunterschiede, das heißt kultur-und umweltbedingte Faktoren, eine Rolle.

Was ist zu tun, damit die Erkenntnisse der Gender Medizin mehr als bisher in die medizinische Praxis und in die Versorgung von Patientinnen und Patienten einfließen?

Wir müssen hier an der Basis ansetzen und die Prinzipien der Gender und Geschlechtsbewussten Medizin durch Fragen an die Ärzte in die Sprechzimmer tragen. Deshalb ist dieses Buch bewusst auch für Nicht-Mediziner geschrieben worden. Wir müssen die Öffentlichkeit und die Medien aufrütteln und wir müssen Regulierungsinstanzen wie
Gesundheitsministerien, Gesetzgeber und Gesundheitsinstitutionen ansprechen. Wir müssen Forschung und Lehre fördern. Wir können dadurch gemeinsam an der
Qualitätsverbesserung der Medizin mitarbeiten. Ich gehe davon aus, dass die Gender Medizin die medizinische Versorgung in nicht allzu ferner Zukunft vollständig umkrempeln
wird, so dass jeder und jede Einzelne die individuelle, evidenzbasierte Behandlung erhält, die ihr und ihm zusteht.

Frauen sind anders krank. Männer auch.

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