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Gerd Theißen: Glaubesnssätze

Sonderausgabe: Glaubenssätze. Von Gerd Theißen

Gerd Theißen
© privat
Diese »Glaubenssätze« sind ein Versuch, den christlichen Glauben in meditativen Texten zusammenzufassen, die dazu einladen, kontemplativ betrachtet zu werden. Religiöse Wahrheit ist auf Kontemplation angewiesen und darin ästhetischer und ethischer Erkenntnis vergleichbar. Ein Buch über Malerei setzt voraus, dass man Bilder auf sich einwirken lässt, ein Buch über Ethik, dass man sich mit moralischen Fragen existentiell auseinandersetzt. Dieses Buch will dazu anregen, über Grund- und Grenzfragen des Lebens nachzudenken. Es ist wie ein Katechismus in Fragen und Antworten gegliedert. Ich habe mich bemüht, jede Einheit so zu formulieren, dass sie in sich verständlich ist und möglichst auch für sich gelesen werden kann.

In Sinnzeilen gegliederte meditative Texte erinnern an Gedichte. Manche sind von Bildern bestimmt, andere von Reflexion, einige wollen informieren, einige auch kritisieren. Sie stehen für einen Protestantismus, der die moderne Welt als Herausforderung begreift, den christlichen Glauben immer wieder neu zu formulieren. Überall müssen wir zwischen dem traditionellen Glauben und dem, was wir in ihm heute an Wahrheit und Sinn entdecken, unterscheiden.

In möglichst knappen Aussagen habe ich für mich niedergeschrieben, was mir am christlichen Glauben wichtig ist. Übereinstimmung mit mir hat Vorrang vor der Übereinstimmung mit Dogmen und Kirchen. Doch ein Protestant steht mit solch einer Überzeugung nicht am Rande seiner Kirche, sondern mitten in ihr. Der Protestantismus ist eine Religion der Freiheit und Vernunft. Diese Glaubenslehre ist daher trotz ihres persönlichen Charakters konsensorientiert: Sie knüpft an die Tradition an und gibt ihr nicht vorschnell den Abschied. Auch Trinität, Zwei-Naturen-Lehre und Sühnetod Jesu werden als sinnvolle Bilder gedeutet. Konsens kann man ferner nur formulieren, wenn man nicht nur die eigene Glaubensgemeinschaft im Blick hat, sondern auch andere Konfessionen und Religionen, vor allem aber die vielen Menschen, die fern von jeder Religion leben. Dieses Buch wirbt um Verstehen und Respekt für den Glauben auch dort, wo er keine Zustimmung erfährt. Konsensorientiert ist auch der Rückgriff auf die Bibel. Sie ist der jüdischen, christlichen und islamischen Religion gemeinsam und gehört zu den Grundtexten unserer Kultur. Oft gilt die Liebe zu ihr als Zeichen einer konservativen Theologie. Liberale Theologen suchen dagegen Evidenzquellen gerne außerhalb der Bibel – in Philosophie und Wissenschaft, Natur und Kunst, Sakramenten und Symbolen, in Ethik und Mystik. Dieses Buch steht in der Tradition der liberalen Theologie, aber unterscheidet sich
von ihr durch Liebe zur Bibel. Die Sprache der Bibel kann Tiefendimensionen religiöser Erfahrung erschließen, ihre Sprachkraft ist gewaltig.

Einiges wird umstritten bleiben. Nicht alle werden bei der Frage nach Gott ihren Ausgangspunkt bei menschlichen Erfahrungen nehmen, aber sie werden eine Hochschätzung des »Wortes« finden, das den Menschen mit Gott konfrontiert. Nicht alle werden meine Entmythologisierung biblischer Aussagen von Christus akzeptieren, aber das Bild von Jesus verschwimmt nicht im Nebel moderner Skepsis. Nicht alle werden meine evolutionäre Sicht von Welt und Religion teilen, aber auch unabhängig von ihr gelten die »kleinen Erzählungen« und Bilder der Bibel als vollwertiger Ausdruck des Glaubens. Nicht alle werden meine pluralistische Religionstheologie bejahen, aber interreligiöse »Schnellreligionen«, die Differenzen überspringen, lehne ich ab. Nicht alle werden den Heiligen Geist auch in anderen Religionen und bei Nichtchristen wirken sehen, aber sie werden kein Kulturchristentum ohne Profil finden. Nicht alle werden der Mystik einen so zentralen Ort einräumen. Aber Mystik ist im Zentrum christlichen Glaubens verwurzelt. Sie findet sich z.B. auch bei dem orthodoxen Lutheraner Paul Gerhardt und dem reformierten Pietisten Gerhard Tersteegen. Die Aufzählung möglicher Irritationen zeigt: Dieser »Katechismus « stammt von einem liberalen Protestanten.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Familien- und Sexualmoral der katholischen Kirche für unglaubwürdig halte und den protestantischen Fundamentalismus für Obskurantismus. Diese Glaubenssätze stehen auf dem Boden der modernen Welt, in der jeder Einzelne selbst bestimmen muss, was er glaubt und was er nicht glaubt, was er für sein Handeln für verpflichtend hält und was nicht. Nur so kann man heute glaubwürdig um Konsens
werben. Auch theologiegeschichtlich ist dieser Katechismus konsensorientiert: Er setzt die Tradition der liberalen Theologie von G. E. Lessing, F. D. Schleiermacher und A. Schweitzer fort, aber verbindet sie mit Gedanken der so genannten »Kerygmatheologie« von K. Barth und R. Bultmann.
Katholische Religionsphilosophen haben Spuren hinterlassen, aber auch die ökumenische Sozialethik. In meditativen Texten kann verbunden werden, was sonst als Gegensatz aufeinanderprallt. Es handelt sich um einen »Katechismus«, der das Ganze des christlichen Glaubens behandelt. Fragen und Antworten knüpfen an die Katechismusform an. Zwar soll er nicht dem Unterricht von Konfirmanden dienen, er wendet sich an Erwachsene. Wenn er als Textbuch für Gesprächsgruppen und für das persönliche Nachdenken über letzte Fragen des Lebens dient, hat er seinen Zweck erfüllt. Wenn er manchem hilft, das Christentum zu entdecken oder wieder zu entdecken, wäre das in meinem Sinne. Aber auch, wenn er säkularisierten Menschen hilft, besser zu verstehen, was einen modernen Christen bewegt, auch wenn er dessen Christentum nicht teilt, wäre das sehr viel.

[...] Ich widme diesen kritischen Katechismus dem Andenken an Zacharias Ursinus. Er verfasste vor 450 Jahren den Heidelberger Katechismus, der ein Vorbild an Klarheit und Systematik ist. Meine Glaubenslehre ist keine moderne Neuauflage seines Katechismus. Gemeinsam aber ist: Auch dieser Katechismus entstand in Heidelberg, auch er ist von reformierter Tradition geprägt und will im christlichen Glauben eine dem gegenwärtigen Menschen
zugängliche Weisheit entdecken.

Glaubenssätze

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