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Horst Hrubesch. Die Biografie.

Horst Hrubesch. Die Biografie

Ein Vorwort von Günter Netzer

Im Februar 1978 wurde ich Manager beim HSV, obwohl ich eigentlich nur die Stadionzeitung übernehmen wollte. Sehr schnell wurde mir klar, dass ich drei ehemalige Nationalstürmer verkaufen musste. Als neuen Trainer verpflichtete ich den taktisch herausragenden Branko Zebec, der entsprechend seinem Naturell als Schachspieler für unbedingte Ordnung und Disziplin sorgte. Die neuen Spieler kamen alle aus der zweiten Liga. Zu ihnen gehörte Horst, der in dieser Saison den weiterhin stehenden Rekord von 42 Toren aufstellte. Aber als ich ihn bei einem Heimspiel gegen Uerdingen zum ersten Mal spielen sah, war ich entsetzt. Mann kann auch mal schlecht spielen, man kann einen miesen Tag haben. Aber da war nichts zu erkennen. Horst kam in diesem Spiel noch nicht einmal zum Kopfball.

Mir war entgangen, dass er für Essen in der Bundesliga 38 Tore in 48 Spielen gemacht hatte. Das hätte mir meine Entscheidung wesentlich erleichtert. So habe ich ihn verpflichtet, weil ich von ihm charakterlich überzeugt war. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so überzeugt war von seinen Fähigkeiten, überzeugt etwas zu tun, anzupacken. Das habe ich gespürt, selbst wenn er fußballerisch nicht so gut war, dass er etwas für die Gemeinschaft tun konnte, was einzigartig war. Horst, dieser Koloss von einem Mann mit dem ebenso kolossalen Herzen.

Dummerweise entschied sich Horst aufgrund des besseren Angebots gegen den HSV und für die Frankfurter Eintracht. Ganz seinem Charakter entsprechend sah er seine Vertragsunterschrift in dem Moment als nichtig an, als die Frankfurter sich nicht an die mündliche Absprache hielten, den Wechsel erst nach den Essener Relegationsspielen gegen Nürnberg bekannt zu geben. Rechtlich stand diese Absprache hinter der Unterschrift zurück, aber Horst sagte mir trotzdem mit größter Überzeugung: »Ich gehe nicht nach Frankfurt. « Daraufhin habe ich um ihn gekämpft wie um einen Weltstar. Vor dem eloquenten Frankfurter Trainer Dettmar Cramer habe ich Horst tagelang im Westerwald versteckt, bis die Eintracht ihn für ein Freundschaftsspiel mit einer Garantiesumme von 250 000 Mark ziehen ließ.

Branko Zebec war schlau und hat gesehen, dass Horst als Kopfballspieler einzigartig war. Er hat gleich damit begonnen, Manni Kaltz Flanken auf Horst schlagen zu lassen. Neun von zehn Kopfbällen landeten im Netz. Die beiden armen Kerle haben das so lange trainiert, bis Manni die Füße abfielen und Horst Beulen am Kopf hatte. Aber beschwert haben die beiden sich nie. Es hat sich auch gelohnt. In der Bundesliga sprach sich schnell herum, wie die beiden das immer nach dem gleichen Schema machten, aber etwas entgegenzusetzen hatte trotzdem niemand.

Horst hat eine Fähigkeit gehabt, alles zusammenzuhalten, Vorreiter zu sein, auf dem Platz ein Anker für alle anderen zu sein. Er hat Gott sei dank gleich ein großes Selbstvertrauen gehabt. Um ihn herum waren ja großartige Fußballspieler, sodass er sich sagen musste, dass die ein Vielfaches von ihm konnten. Aber das hat ihn nicht gestört. Er hat die Mannschaft geführt. Wenn etwas nicht gut lief, dann hat man gesehen, wie Horst mit der Mannschaft gearbeitet, angespornt und geschimpft hat. Das musste der Trainer gar nicht von draußen tun, das hat er übernommen. Das war unbezahlbar für den Geist der Mannschaft. Vielleicht war Horst mein größter Deal überhaupt.

Schon im ersten Jahr wurde Horst so etwas wie die Seele der Mannschaft. Er hat sich einfach gekümmert, um jeden einzelnen Spieler, um die Mannschaft und um die gute Laune. So furchterregend Horst auf dem Platz war, so rührend war er nach dem Abpfiff. Als er Franz ohne Schuld ins Krankenhaus gebracht hatte, war Horst untröstlich. Er wurde erst wieder fröhlich, als Franz genesen war.

Nach der Europameisterschaft 1980 hat der italienische Vizemeister und Pokalsieger Juventus Turin ganz verrückt um Horst geworben. Glücklicherweise hat der sich das Millionenangebot zwar interessiert angehört, aber es stellte sich schnell heraus, dass Horsts Kinder von einem Bodyguard zum Kindergarten gebracht werden müssten. Horst wollte aber, dass seine Kinder normal aufwachsen. Und ohne seine Familie nach Italien zu gehen, kam für ihn nicht infrage.

Ein Freund von Juves Besitzer Gianni Agnelli war dauernd bei uns, der hat zu mir gesagt: »Kommen Sie zu uns nach Turin. Alle werden zufrieden sein.« Das habe ich nicht gemacht, weil ich Horst unter keinen Umständen weggeben wollte. Das haben sie bei Juventus nicht verstanden. Drei Jahre später haben sie es verstanden, als wir sie im Finale des Europapokals der Landesmeister besiegt haben.

1983 wollte ich machen, was noch keinem gelungen ist: eine auslaufende Generation nahtlos ersetzen. Ich habe es der Mannschaft und ihrem Trainer Ernst Happel sehr verübelt, dass sie es nicht geschafft haben, Dieter Schatzschneider und Wolfram Wuttke unter Kontrolle zu bekommen. Der HSV war Deutscher Meister und Europalpokalsieger, und diese beiden kamen und wirbelten das ganze Gebilde durcheinander! Da hat Horst gefehlt. Mit ihm wäre das nie passiert!

Horst hatte in den Jahren im Namen der Mannschaft die Verhandlungen mit mir geführt. Sie verliefen in einer äußerst fairen Art. Wir haben uns erstklassig verstanden, gegenseitig akzeptiert und vertraut. Daran hat sich nie etwas geändert.

Er hat einen schönen, trockenen Humor. Wenn wir uns sprechen, beginnen wir mit einem Flachs. Horst beherrscht die Fußballersprache. Es macht unser Fußballerleben so interessant, dass wir uns sprachlich und rhetorisch keinen abbrechen müssen, sondern gleich auf den Punkt kommen können.

Es spricht für Horst, dass er Menschen als Freunde bezeichnet, die sich um seine Familie kümmern würden, wenn ihm etwas zustößt, und für die er dasselbe tun würde. Horst schätzt mich als seinen Freund ein, und damit liegt er richtig.

Ihn zu charakterisieren ist kein Mysterium. Das ist schon ein Riesenkompliment. Horst ist völlig authentisch, offen, ehrlich und direkt. Das sind alles Eigenschaften, die ich äußerst schätze und liebe. Bei ihm weiß man immer, woran man ist, und man kann sich auf ihn verlassen. Er hat sein Leben gemacht, so wie er es verdient und gewollt hat. Horst hat dier ichtige Frau gefunden und eine tolle Familie. Er lebt abseits vom Trubel genau da, wo er leben muss, ein erfolgreiches Leben. Er kann stolz auf sich sein. Das Verrückte und Ausgezeichnete dabei ist, dass er nichts anderes angestrebt hat. Das erschreckt mich immer so bei Menschen, die mehr sein wollen, als sie sind und vor allem als sie können. Horst hat gewusst, wo er herkommt, was er kann und vor allem, was er nicht kann. So hat er sein Leben völlig richtig gestaltet.

Sein Auftreten spricht für sich. Man hat keine Mühe, mit ihm in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Ihn als Mensch zu erkennen. Das ist das Schöne daran.