Die neue Japan-Saga von Julie Kagawa

Ein gefährliches Vermächtnis, ein tapferes Mädchen und eine abenteuerliche Reise



Die junge Yumeko ist eine Gestaltwandlerin – halb Mensch, halb Füchsin. Im Kloster der Stillen Winde lernt sie unter der liebevollen Anleitung von Mönchen, ihre Gabe zu kontrollieren. Doch eines Nachts greifen mörderische Dämonen die Tempelanlage an und setzen sie in Brand. Yumeko gelingt es als Einziger zu fliehen, mit einem letzten Vermächtnis der Mönche in der Tasche: einer geheimnisvollen Pergamentrolle, die sie in einem Tempel in Sicherheit bringen soll. Darauf befindet sich der Teil einer uralten Beschwörung, die so gefährlich ist, dass sie einst in drei Teile zerrissen und an verschiedenen Orten aufbewahrt wurde. Unterwegs trifft Yumeko den Samurai Tatsumi, der auf der Suche nach eben jener Pergamentrolle ist. Gemeinsam setzen sie ihren Weg fort. Tatsumi weiß nicht, dass Yumeko hat, wonach er sucht. Yumeko weiß nicht, dass Tatsumi ein Geheimnis hütet, das sie beide umbringen könnte. Und beide ahnen nicht, dass sie sich niemals ineinander verlieben dürfen.

Der Trailer der amerikanischen Originalausgabe

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Yumeko


Ich hasste es, die Kerzen im großen Saal anzuzünden.

Zweihundertsiebenundsiebzig. Es gab zweihundertsiebenundsiebzig Kerzen, die angezündet werden mussten, eine nach der anderen, im ganzen Raum. Jeden Abend, vor Sonnenuntergang, damit die Mönche ihre nächtlichen Meditationen abhalten konnten. Ich weiß nicht mehr, wann mir offiziell die Aufgabe zufiel, die Kerzen zu entzünden; mein Verdacht war, dass Denga oder Nitoru Meister Jin, dem alten Mönch, der sich um den Saal kümmerte, die Idee eingegeben hatten, um mir »Geduld und Hingabe beizubringen«. Für diese Aufgabe brauchte man definitiv beides. Der große Saal war riesig, mit hoch aufragenden Pfeilern und Böden aus dunklem Holz, die auf Hochglanz gebohnert waren, sodass sich jede einzelne flackernde Kerzenflamme darin spiegelte. Am Saalende stand die gewaltige grüne Statue der Jade-Prophetin, deren Lehren alle Mönche eifrig folgten. Fenster gab es keine, und das einzige Tageslicht drang durch den gewaltigen hölzernen Türbogen am Eingang, sodass der ruhige Raum immer im Dunkeln lag. Wenn sämtliche Kerzen angezündet waren, bewirkten sie ein diffuses oranges Leuchten im Raum und verwandelten den Saal in einen surrealen Zufluchtsort
aus Schatten und tanzenden Lichtern.

Doch es dauerte eine Ewigkeit, sie alle anzuzünden.

Mit einem Seufzen ließ ich den Kerzenanzünder sinken und blickte mich wehmütig im Raum um. Noch so viele. Ich hatte nicht einmal die etwa dreißig Kerzen auf dem Altar geschafft. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, alle auf einmal anzuzünden …

Ich hielt inne, und der Gedanke zauberte ein breites Grinsen auf mein Gesicht. Tatsächlich konnte ich alle auf einmal anzünden. Immerhin war ich eine Kitsune. Kitsune-bi war Feuer, oder etwa nicht? Hitzeloses, magisches Feuer, aber viel einfacher zu handhaben als normale Flammen. Den Mönchen würde es natürlich nicht gefallen. Nitoru und Denga würden es ganz bestimmt nicht billigen, andererseits billigten sie nichts, was ich tat.

Ich blies die Kerze in meiner Hand aus und stellte sie dann auf den Boden. Während ich mich aufrichtete, schloss ich halb die Augen, hob die offene Handfläche vors Gesicht und beschwor meine Magie herauf.

Mit einem Zischen erwachte eine gespenstische, bläulich-weiße Flamme zwischen meinen Fingern zum Leben. Sie flackerte und tanzte harmlos an meiner Haut, warf unheimliche Schatten an die Wände und Pfeiler und wuchs stetig an, bis ich eine leuchtende Kugel aus Fuchsfeuer in der hohlen Hand hielt. Nur einen Augenblick lang sah
ich meinen Schatten an der Tempelwand: eine menschliche Gestalt mit spitzen Ohren und einem buschigen Schwanz, der hinter ihr zuckte.

Ich hob den Kopf, beschrieb mit der Hand einen schwungvollen Bogen, und Kitsune-bi flog wie Sternschnuppen quer durch den Raum. Dann ließ ich den Arm sinken und betrachtete zufrieden mein Werk. Jetzt erstrahlte der Saal in bläulich-weißem Fuchsfeuer, leuchtende Flammen, die an den nicht entzündeten Dochtenden der Kerzen schwebten. Meiner Meinung nach war es viel hübscher als gewöhnliches Feuer, auch wenn es dem Raum eine etwas unheimliche, gespenstische Note verlieh.

Doch das Wichtigste war, dass alle Kerzen angezündet waren. Und bis zur Abendmeditation war immer noch eine gute Stunde Zeit. Bis dahin hatte ich frei. Ich klopfte die Hände ab und ging auf den Ausgang zu.

Stimmen von draußen ließen mich erstarren. Ich schlich mich an der Wand entlang zum Türbogen und spähte vorsichtig hindurch. Jin kam gerade die Treppe zum großen Saal herauf, und was noch schlimmer war: Neben ihm war Denga.

O nein! Meine Ohren legten sich vor Schreck an, und ich wich schnell zurück. Wenn sie mich erwischten, würde ich mir wahrscheinlich wieder mal eine Predigt anhören müssen: vielleicht über den Wert von Geduld und Hingabe an eine Aufgabe. Vielleicht würden sie mir auch verbieten, Magie zu verwenden. Aber zumindest
würden sie mich von vorn anfangen lassen, und ich müsste eine Kerze nach der anderen anzünden, und zwar diesmal unter Aufsicht.

Versteck. Ich brauche ein Versteck. Schnell!

Ich eilte zur gegenüberliegenden Wand und duckte mich mit einer geflüsterten Entschuldigung hinter die riesige Statue der Jade-Prophetin, just als am Eingang ein erboster Schrei ertönte.

»Fuchsfeuer!« Dengas Schritte pirschten in den Raum, und ich lugte hinter der Statue hervor, um ihn zu beobachten. Das Kitsune-bi warf ein flackerndes weißes Leuchten über sein empörtes Gesicht, als er hektisch gestikulierend herumwirbelte. »Das Dämonenmädchen hat die Kerzen mit Fuchsfeuer angezündet! Von allen …« Er zischte vor Wut. »Wenn ich sie finde …«

»Immer mit der Ruhe, Denga-san.« Jins Stimme hallte hinter Denga wider, gelassen und belustigt. »Sie ist schließlich noch ein Kind und obendrein eine Kitsune. Sie versteht es nicht.«

»Nein.« Denga wirbelte noch einmal herum und sah sich wütend im Saal um, bevor er kehrtmachte und wieder auf den Ausgang zumarschierte. »Das hier geht zu weit. Mittlerweile ist völlig klar, dass sie mehr Fuchs als Sterbliche ist, ihre Yokai-Natur überschattet ihre Menschlichkeit. Es muss etwas geschehen. Ich werde ihre Streiche nicht länger dulden.«

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