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Interview mit Erik Valeur zu »Das siebte Kind«

Wussten Sie schon, dass Erik Valeur sich für Quantenphysik und Kanarien-
vögel begeistern kann?

Erik Valeur
© Kissen Møller Hansen
Eine kurze Biografie von Erik Valeur:
Ich wurde 1955 geboren. Meine Mutter konnte mich zu dieser Zeit nicht versorgen, sodass ich die ersten zwei Lebensjahre in einem Säuglingsheim verbrachte, bevor ich zu meinen Großeltern kam. Heute habe ich selbst vier Kinder im Alter von 14 bis 25 Jahren. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit Musikhören, Lesen – und Schreiben. Inzwischen bin ich sogar Vollzeitautor! Nachdem ich 30 Jahre lang als Journalist tätig war, ist wohl ein weiteres Hobby: die Teilnahme an öffentlichen Debatten, hauptsächlich zu politischen, v.a. medienpolitischen Themen. Früher habe ich außerdem gemalt (und ein paar Jahre lang sogar Karikaturen für Zeitschriften gezeichnet), Fußball gespielt – und im Sommer gehe ich gerne in die Berge.

Engagieren Sie sich im Bereich social networking (z. B. Facebook, Twitter, etc.)?
Ja, ich habe einen Facebook-Account, aber das ist auch das Einzige – Twitter ist mir zu anstrengend. Wenn ich schreibe, muss ich mich konzentrieren, und ich will der Versuchung nicht nachgeben müssen, jede halbe Stunde einen Tweet abzusetzen oder jemandes anderen Meldungen zu lesen. Ich glaube, ich hätte mich in dieser Hinsicht schlecht unter Kontrolle.

Wie kamen Sie zum Schreiben?
Ich habe selbst zwei Jahre lang in einem renommierten Säuglingsheim in Dänemark gelebt – in einem Heim namens Skodsborg –, und später, als Journalist, habe ich die Wege einiger dieser Säuglingsheimkinder verfolgt, die zur Adoption freigegeben wurden. (Das wurden die meisten der Kinder.) Ich wollte die Geschichte von sieben Kindern erzählen, die sich zur selben Zeit in derselben Säuglingsstation befanden. (Tatsächlich standen in „meiner“ Säuglingsstation sieben Betten.) Damals, in den Fünfzigern und Sechzigern, haben Tausende alleinerziehender, unverheirateter Mütter ihre Kinder weggegeben, weil sie die öffentliche Demütigung fürchteten. Ich behaupte, dass so gut wie jeder Däne heutzutage eine Familie kennt, in der ein Kind adoptiert oder zur Adoption freigegeben wurde – aber die wenigsten kennen die Hintergründe oder näheren Umstände, und ich wollte diese Umstände, diese dunkle Zeit in unserer dänischen Zeitgeschichte, unbedingt schildern. Ein Sachbuch zu schreiben wäre schwierig gewesen; schließlich bekamen die Adoptivkinder in der Regel neue Identitäten, sodass sie heute nur schwerlich auffindbar sind. Zudem hätte ich die entsprechenden Personen kaum aus dem Blauen heraus kontaktieren können, selbst wenn ich sie hätte ausfindig machen können: zum einen weil viele von ihnen womöglich nicht gesprächsbereit gewesen wären, andere wiederum – und zwar erschreckend viele – bis heute nicht wissen, dass sie adoptiert sind. Ich habe die Ergebnisse meiner Recherchen und meine persönlichen Erfahrungen also lieber in einen Roman einfließen lassen – in Das siebte Kind, das genau dort beginnt, wo auch mein eigenes Leben angefangen hat. Ich habe das Heim Kongslund genannt („kong“ heißt auf Dänisch „König“), weil „mein“ Säuglingsheim früher einmal die Residenz des beliebten Dänenkönigs Frederik VII war.

An welcher Geschichte arbeiten Sie aktuell?
Der Roman, an dem ich derzeit arbeite, spielt wie Das siebte Kind in der Landschaft meiner Kindheit und schildert das Leben eines Jungen, der geheimnisbeladen aufwächst (und es sind mitunter gefährliche Geheimnisse) und zu einem Einzelgänger und Sonderling wird. Nur eine einzige Frau kann ihn „knacken“ – eine Frau, die eine ganz ähnliche, aber noch erschreckendere Vergangenheit hat … Gemeinsam versuchen die beiden, das Rätsel zu lösen, das den Mann zu dem gemacht hat, der er heute ist.

Haben Sie ein Lebensmotto?
Ich glaube, wenn jeder – und insbesondere die Eltern einer jeden Generation – es schaffte, die Dinge immer nur ein klein wenig besser zu machen als die eigenen Eltern, würden wir in, sagen wir, zehntausend Jahren eine Art Paradies auf Erden erreicht haben. Vielleicht ist dies das einzige übergeordnete Menschheitsziel.

Fünf Dinge, die wir noch nicht über Sie wissen:
Ich kann mich für die Geheimnisse und seltsamen, immer noch nicht vollends erklärbaren Phänomene, die dort draußen vor sich gehen, über die Maßen begeistern. Für Schwerkraft, Theorien zur Zeit, zu Superstrings und Quantenprozessen … für Einstein, Hawking und all die großen Physiker, die in der Vergangenheit und die bis heute versuchen, uns die Welt zu erklären.

Ein weiteres Geheimnis ist, dass ich die Figur der Marie aus dem Siebten Kind nach meiner Großmutter geschaffen habe, bei der ich aufwuchs. Als sie starb – ich war knapp 15 –, konnte ich lange nicht um sie weinen. Und dann, auf den Tag genau ein Jahr später, kamen auf einmal die Tränen und liefen Stunde um Stunde. Da hatte ich wohl endlich begriffen, dass sie gestorben war. Meine Großmutter liebte Kanarienvögel. Sie hielt sie im ganzen Haus, sie waren in meiner Kindheit allgegenwärtig. Sie spielen in meinem Buch eine entscheidende Rolle und werden dies auch in allen noch folgenden Büchern tun.

Wie würden Sie Ihren Roman zusammenfassen?
Im Frühling 1961 werden sieben Kinder von sieben Familien adoptiert. 40 Jahre später bringt ein mysteriöser Todesfall in der Nähe des Säuglingsheims, in dem sie aufwuchsen, die sieben wieder zusammen. Gemeinsam versuchen sie, das dunkle Geheimnis in der Geschichte eines der ihrigen zu lüften – ein Geheimnis, das einige der mächtigsten Personen Dänemarks zu Fall bringen könnte.

Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Definitiv Marie – die mir half, die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen. Ich weiß nicht recht, wie es kam und warum ich beschloss, dass sie mir Augen, Ohren – und Zunge! – für diese Geschichte leihen sollte. Irgendeine Erklärung dafür muss es geben, aber ich habe sie noch nicht gefunden. Sie fasziniert mich, weil sie in allen Phasen ihres Lebens irgendwie undurchschaubar ist. Sie wird als hässliches Kind geboren, kommt aus dem Nirgendwo in das Säuglingsheim und wächst in diesem riesigen, düsteren Herrenhaus auf wie eine Prinzessin aus einem abgründigen Märchen (ich habe Hans Christian Andersen und die Gebrüder Grimm immer gemocht!); sie hat Kontakt zu den Lebenden wie auch zu den Toten (und mit denen fühlt sie sich wohler), und sie wächst zu einer leidenschaftlichen, aber sonderlichen Frau heran, die sich aufmacht, sich selbst und die anderen Kinder ihrer eigenen Kindheit zu „befreien“ und die Mächtigen Dänemarks ihrem gerechten Schicksal zuzuführen. Marie hat alle Nuancen – und auch diese großartige (und schöne!) Merkwürdigkeit, die Menschen ausmachen. Ich liebe sie von ganzem Herzen.

Welche Szene war am schwierigsten zu schreiben?
Orla, eines der sieben Kinder, sollte in demselben Viertel aufwachsen, in dem auch ich selbst meine Kindheit verbrachte. Er würde als Erwachsener zu den Mächtigen gehören, sollte ein Bürger sein, dem am Wohl der anderen gelegen ist, und so musste ich insbesondere ihn ganz genau verfolgen, um zu begreifen, wie aus dem kleinen Jungen ein Mann werden konnte, der den mächtigen, zynischen Menschen zu ähneln begann, die ich in meiner Zeit als Journalist dutzendfach kennengelernt hatte und bei denen ich mich immer fragte: Wie konnten sie nur so werden? Also musste Orla auch die gleichen Menschen treffen, die ich in meinem Leben getroffen hatte. Ich dachte zu Anfang, es würde das am leichtesten zu schreibende Kapitel werden, weil ich mich ja auskannte: Ich kannte den Ort, ich kannte reale Personen – aber nein. Orlas Background zu schildern war das Schwerste von allem. Vielleicht weil er mir so ähnlich ist und dann doch wieder nicht – und weil ich von ihm gelernt habe. Weil er mir vor Augen führte, und zwar in quälendem Detail, wie unendlich einsam und schmerzhaft seine Kindheit war und dass niemand, aber auch wirklich niemand in seiner Umgebung dies zur Kenntnis nahm.

Das siebte Kind

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