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Natalia Wörner: Heimat-Lust

Interview mit Natalia Wörner

„Jeder sollte ein Recht auf Heimat haben“

Natalia Wörner im Interview über „Heimatlust. Meine schwäbische Liebeserklärung“

Sie wurden 1967 in Stuttgart, Bad Cannstatt, geboren, und wuchsen dort im Kreis Ihrer Familie auf. Gleich nach dem Abitur brachen Sie Ihre Zelte dort ab, arbeiteten als international gefragtes Model und absolvierten eine Schauspielausbildung am Lee Strasberg Institute in New York. Was hat Sie damals von zu Hause fortgetrieben?

Ich empfand damals in Stuttgart schon eine große Enge, sowohl geistig als auch eine Enge des Herzens. Mir war das mit 18 Jahren alles zu klein, meine Neugier aufs Leben, meine Abenteuerlust und mein Freiheitsdrang waren zu groß – ich wollte hinaus in die Welt. Ohne Plan, aber mit dem klaren Ziel, Schauspielerin zu werden. Wie das gehen würde und was das bedeutet, war mir damals allerdings überhaupt nicht klar.

In den letzten 30 Jahren haben Sie unter anderem in Mailand, Paris, New York und Berlin gelebt. Was gab Ihnen den Anstoß, sich auf Ihre Wurzeln zu besinnen und sich intensiv mit dem Thema Heimat zu beschäftigen?

Als ich im Jahr 2011 zu den Dreharbeiten für „Die Kirche bleibt im Dorf“ über eine längere Zeit in Baden Württemberg war, überfiel mich ein Gefühl der Wehmut. Alles war so nah, vertraut, die Menschen, die Landschaft, Gerüche. Ich war am meisten darüber überrascht. Seitdem ich 18 Jahre alt war, war ich nicht länger als ein paar Tage in meiner alten Heimat gewesen. Auf einmal gingen in meinem Herzen ganz viele Fenster auf, die ich zuvor fest verriegelt hatte. Ich nahm das erst mal nur wahr und als wir dann zwei Jahre später wieder in die Region gingen, um zu drehen, war in mir der Wunsch entstanden, über Heimat zu schreiben, nicht nur im regionalen Bezug. Denn es geht in dem Buch auch um den Begriff ‚Heimat‘ in einer globalisierten Welt, die Lücken, Sehnsuchtsmomente und eine schleichende Überforderung hinterlässt.

2006 kam Ihr Sohn Jacob zur Welt, wenige Jahre später erwarben Sie ein altes Landgut in Brandenburg und legten bei den Renovierungen selbst Hand an. Heute bauen Sie dort eigenes Gemüse an, Sie ernten Kartoffeln und fahren Äpfel zur Mosterei. Wie wichtig ist diese Naturverbundenheit für Ihr Heimatgefühl?

Ich habe dort eine neue Heimat gefunden und das hat tatsächlich etwas mit „gestalten“ und „in der Natur aufhalten“ zu tun. Ein durchgängiges Stadtleben entspricht nicht mehr meiner Idealvorstellung von Leben und natürlich ist es für Kinder so entscheidend, einen Teil ihrer Zeit in Freiheit, Natur und Wildheit zu verbringen.
Ich frage mich schon, wie in der kommenden Generation ein Heimatgefühl wachsen kann, das ihnen Kraft für das Morgen gibt. Wir leben in einer sehr schnellen Welt, sind ständig erreichbar und es wird ein immer kostbareres Gut, das „bei-sich-Sein“ zu empfinden. Letztendlich ist dieses Gefühl der Grundstein für Heimat, nur wer bei sich ist, kann auch bei anderen sein.

Heimat bewegt sich in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Entwurzelung und Verortung. Das zeigen Sie in Ihrem Buch eindrücklich, indem Sie Ihre Familiengeschichte, Ihre Biografie, historische Betrachtungen und den Blick auf das aktuelle Weltgeschehen in einen lebendigen Zusammenhang bringen. Zum Ausdruck kommt dies auch im Zitat Ihrer Mutter Susanne: „Um dem Begriff der Heimat gerecht zu werden, müsste man Flüchtlinge befragen.“ Können Sie dazu bitte etwas mehr erzählen?

Jeder sollte ein Recht auf Heimat haben. Angesichts von 54 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, ist das kein einfacher Wunsch. Es geht hier, nebst der politischen Diskussion um Gesetze, Möglichkeiten und Pflichten, auch um unser Mitgefühl und unsere Toleranz und wie wir als Gesellschaft eine Haltung entwickeln, die von Möglichkeiten geprägt ist und nicht durch unsere Ängste gesteuert ist. Niemand gibt seine Heimat leichtfertig auf, davon bin ich zutiefst überzeugt. Keine Mutter riskiert das Leben ihrer Kinder auf einer Flucht, die von schierer Not getrieben ist. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass das Buch auch eine Hommage an das Leben ist, an das, was wir teilen und geben können – materiell und ideell.

Man könnte Sie als Weltbürgerin mit schwäbischen Wurzeln bezeichnen. Erkennen Sie – vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen und Ihrer internationalen Karriere – „typisch schwäbische“ Eigenschaften an sich?

Man läuft ja schnell in die Gefahr, in Klischees zu rutschen, wenn man sich der Verallgemeinerung hingibt. Also wenn das ein Teil meiner schwäbischen DNA sein sollte, würde ich mir selbst schon eine Form der Verbindlichkeit und Verlässlichkeit attestieren, die ich selbst auch an anderen Menschen schätze. Typisch schwäbisch ist übrigens auch eine Tüftler-Klugheit und tatsächlich nicht zu unterschätzen: der Humor!

Interview: Elke Kreil