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SPECIAL zu James Pattersons Krimireihe »Club der Ermittlerinnen«

Mordsweiber

Rezension von Bianca Reineke

Seine Krimis um den Polizeipsychologen Alex Cross sind allesamt Bestseller, und mit dem Blockbuster "…denn zum Küssen sind sie da" hat auch das Kinopublikum den Autor James Patterson und seinen sympathischen Helden kennen und schätzen gelernt. Der US-Amerikaner, Jahrgang 1949, hat lange Jahre als Creative Director in einer Werbeagentur gearbeitet, doch seine heimliche Liebe galt immer schon dem Schreiben. Zum Glück entschloss er sich schließlich, sein Hobby zum Beruf zu machen und versorgt seitdem die Fans weltweit in regelmäßigen Abständen mit großartigen Kriminalromanen. Wenn Patterson nicht gerade Golf spielt oder Zeit mit seinem kleinen Sohn und seiner Frau verbringt, feilt er sorgfältig und präzise an spannenden Storys, deren überraschende Wendungen auch die versiertesten Krimileser verblüfft zurück lassen.

Neben der erfolgreichen Serie um Alex Cross hat Patterson in den letzten Jahren eine weitere Reihe begründet, deren Brillanz ebenfalls nichts zu wünschen übrig lässt. Mit Lindsay Boxer, dem einzigen weiblichen Inspector bei der Mordkommission von San Fransisco, schuf er eine der wenigen Frauenfiguren in der knallharten amerikanischen Ermittlerwelt, die sich in dieser Männerdomäne behauptet und dennoch das Herz auf dem rechten Fleck behält.

James Patterson schreibt aus Sicht einer Frau unter Männern und das in Form einer Ich-Erzählung. Eine Gratwanderung sollte man meinen, doch der Autor bekennt, dass er Frauen lieber mag als Männer. Aufgewachsen mit Großmutter, Mutter und drei Schwestern, ist er vertraut mit der weiblichen Sichtweise, und es gelingt ihm tatsächlich ganz großartig, Lindsay Boxer lebendig werden zu lassen. Mehr noch, die gute Lindsay wächst dem Leser schon nach dem ersten Roman ("Der 1. Mord") ans Herz, und man sehnt sich danach, endlich mehr von ihr zu erfahren.

Powerfrau Lindsay Boxer
Sie ist inzwischen 36 Jahre alt, hat sich aus eigener Kraft nach ganz oben gearbeitet und geht völlig auf in ihrer schwierigen beruflichen Rolle. Lindsay Boxer ist eine echte Amazone, groß und blond, dabei schlank und durchtrainiert und - wie sie sich nur in seltenen Momenten vor dem Spiegel eingesteht - ziemlich gut aussehend. Doch sie ist Single und manchmal ganz schön einsam. Eine kurze Ehe nach dem College endete in einer unrühmlichen Scheidung, ihre Mutter starb vor zehn Jahren qualvoll an Krebs, zur einzigen Schwester hat sie wenig Kontakt und ihr Vater verließ die Familie, als die Töchter noch Kinder waren.

Vater Boxer war ebenfalls Polizist, quittierte jedoch aus ominösen Gründen den Dienst und verschwand aus dem Leben der Familie. Lindsay hat ihrem Vater diese Feigheit nie verziehen und ist doch in seine beruflichen Fußstapfen getreten. Als Boxer senior im zweiten Buch ("Die 2. Chance") plötzlich wieder auftaucht und Lindsay um Verzeihung bittet, gerät diese in ein Wechselbad der Gefühle, lässt schließlich eine Annäherung zu, doch die fragile Beziehung der beiden erweist sich als zu zerbrechlich, um Bestand zu haben.

Mit Männern hat Lindsay einfach kein Glück. Als sie sich in ihren Kollegen Chris verliebt und die beiden ein Paar werden, gönnt ihnen James Patterson keine lange gemeinsame Zeit, Chris stirbt bei den Ermittlungen von "Der 1. Mord", als sie den Honeymoon-Killer jagen, der frisch getraute Brautpaare brutal ermordet.

Der "Club der Ermittlerinnen"
Lindsay verliert damit schon im ersten Roman ihre große Liebe, doch durch die Ergreifung des Täters gewinnt sie an beruflichem Ansehen und klettert die Karriereleiter hinauf. Und sie gewinnt noch etwas viel Wichtigeres hinzu: Beste Freundinnen, auf die sie sich in wirklich jeder Lebenslage verlassen kann. Die Damen sind erfolgreiche, stahlharte Karrierefrauen in unterschiedlichen Berufen, die sich wie Lindsay Boxer in der von Männern dominierten Arbeitswelt behaupten müssen.

Zu Lindsays ältester und bester Freundin, der leitenden Pathologin Claire Washburn, einer schwarzen Ärztin, die klug, warmherzig und engagiert ihren schwierigen Beruf und ihre Familie meistert, gesellen sich die zielstrebige Journalistin und selbstbewusste Singlefrau Cindy Thomas und die stellvertretende Staatsanwältin Jill Meyer Bernhardt, die mit ihrem Gatten Steve ein Yuppie-Eheleben führt.

Schnell entdecken die vier, dass sie vieles gemeinsam haben und dank ihres geballten Insiderwissens die Mordfälle in San Francisco gemeinsam viel besser lösen können, als jede einzelne alleine. Dabei achten sie meistens darauf, nicht die Grenzen ihrer beruflichen Schweigepflicht zu übertreten, doch manchmal müssen diese Linien einfach überschritten werden; und dann reden die vier Ladies bei eisgekühlten Margaritas und scharf gewürzten Chicken Wings ganz inoffiziell über alle Infos, die auf ihren Schreibtischen liegen. Zusammen sind die vier ein unschlagbares Team, das zeigt sich schnell. Sie erreichen viel und schaffen es, Mörder zu überführen und schwierige Fälle zu lösen.

Doch die Freundschaft des Quartetts geht über eine reine Arbeitsbeziehung weit hinaus. Sie stützen sich gegenseitig, lachen gemeinsam oder weinen sich an der Schulter der anderen aus, sprechen offen über Ehe-, Beziehungs- und Familienprobleme und helfen sich so gegenseitig über manche Krisensituation hinweg. Die Polizistin Lindsay, die Journalistin Cindy, die Pathologin Claire und die Staatsanwältin Jill nennen ihren Freundschaftskreis den "Club der Ermittlerinnen", und genau das tun sie: erfolgreich ermitteln.

Terror in San Francisco
Auch in "Der 3. Grad" ist es der Club der vier Ladies, der die ersten richtigen Anstöße für die Lösung des Falls gibt. 18 Monate nach dem Tod ihres Freundes Chris joggt Lindsay gemeinsam mit ihrer geliebten Bordercollie-Hündin Martha durch San Francisco und wird plötzlich Zeuge eines brutalen Mordanschlages. Lindsays Privatleben liegt noch immer brach, allerdings könnte sie sich langsam wieder eine Beziehung vorstellen, doch als sie durch Zufall über diesen Fall stolpert, muss alles andere hinter dem Beruf zurückstehen. Eine elegante Villa fliegt direkt vor ihren Augen in die Luft. Die zufällig anwesende Lindsay stürzt sich kurz entschlossen in die Flammenhölle und rettet einen Jungen vor dem sicheren Tod. Für die anderen Hausbewohner jedoch kommt jegliche Hilfe zu spät, und als ein Bekennerschreiben in der Nähe des Tatorts gefunden wird, ist klar, dass es sich um einen gezielten Mord handelt. Eine fanatische Terrorgruppe, deren Mitglieder hasserfüllte Gegner der Globalisierung und ihrer Folgen sind, nennt den getöteten Besitzer der Villa, einen skrupellosen Internet-Millionär, einen "Feind des Volkes", dessen Tod ihnen gerechtfertigt erscheint. Lieutenant Lindsay Boxer und ihr Team tun alles, um diesen Mord aufzuklären und suchen intensiv und hartnäckig nach den Drahtziehern des Terroranschlags.

Kurz darauf werden zwei weitere Geschäftsmänner brutal ermordet. Bei den Opfern handelt es sich um einen hochrangigen Repräsentanten einer Versicherungsgesellschaft und um einen leitenden Schweizer Ökonom, der für die OECD arbeitet. Da bei den Leichen Bekennerbriefe der gleichen Gruppe auftauchen, die weitere, grausame Terroranschläge androhen, schaltet sich schließlich das FBI ein.

Immer im Dienst
Lindsay arbeitet nur zähneknirschend mit den Agenten zusammen, doch einer von ihnen, Joe Molinari, fasziniert sie sehr, und diese Anziehung scheint auch auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Doch die sich überstürzenden Ereignisse und die anstrengende Ermittlungsarbeit lassen keinen Platz für eine kleine Romanze, und so liegen die zarten Gefühle der beiden erstmal auf Eis.

Mit Hilfe von Cindys journalistischen Quellen arbeitet sich Lindsay intensiv in die Hasstheorie der Terroristen ein, die dem sogenannten "globalen Vampir-Kapitalismus" den Kampf angesagt haben. Die Gruppe, die sich "August Spies" nennt, macht die reichen Staaten, Firmen und Geschäftsmänner der westlichen Welt verantwortlich für die Unterdrückung und Unterwerfung der armen Länder, Menschen und Völker, deren Menschenrechte und -würde verletzt werden. Dass die Fanatiker in ihrer blinden Wut dabei auch Unschuldige töten, spielt für sie keine Rolle. Lindsay stößt schnell auf eine Spur in der linken Szene der Uni Berkeley und einen verblendeten Professor, der seine Studenten aufhetzt. Allerdings kann sie ihm keinerlei Verbindung zu der Terrorgruppe nachweisen und muss den Verdacht widerwillig zu den Akten legen.

Doch dann erschüttert ein schwerer Terrorakt die Stadt: in einem Einkaufszentrum explodiert eine Bombe und tötet zahlreiche Menschen. Fieberhaft und unter Hochdruck wird weiter ermittelt, doch Polizei und FBI treten auf der Stelle. Erst als Lindsay mit ihren drei Freundinnen die Fälle durchspricht, beginnt sich der Nebel zu lichten. Dabei kommt Privates in der Runde zu kurz: Lindsay übersieht die schweren Probleme ihrer Freundin Jill, in deren Beziehung es nach einer Fehlgeburt kriselt und die nicht nur ihre seelischen Verletzungen vor den anderen verbirgt.

Tod einer Freundin
Als Jill sich schließlich den Freundinnen anvertraut und ihren Mann Steve vor die Tür setzt, schlägt mit unvermittelter Wucht das Schicksal in Form der Terrorgruppe "August Spies" zu. Denn in der Vergangenheit einer der vier Damen gibt es etwas, das den Fanatikern zutiefst missfällt. Und so wird dem Club der Ermittlerinnen eines seiner Mitglieder auf grausame und brutale Weise entrissen.

Tief getroffen, geschockt und erschüttert, machen die verbliebenen drei Frauen weiter. Wie besessen setzten sie alles daran, die Schuldigen zu fassen, die ihnen ihre Freundin genommen haben. Ihre verbissene Hartnäckigkeit führt sie bald schon auf eine heiße Spur - eine tödliche Spur, die den hochrangig besetzten G8-Gipfel in San Francisco zum Ziel hat, auf der auch der Vizepräsident der USA erwartet wird…

Temporeicher Action-Krimi
James Patterson lässt auch in "Der 3. Grad" Lindsay Boxer in Ich-Form erzählen. Abwechselnd fügt er Kapitel ein, in denen ein scheinbar allwissender Erzähler die Aktivitäten der Mörder schildert. So erhält der hilflose Leser gegenüber den Ermittlern einen schier unerträglichen Wissensvorsprung und knabbert nervös und ungeduldig an den Fingernägeln, während die Polizisten noch im Nebel stochern oder in die falsche Richtung tapsen. Wie die beiden vorherigen Romane dieser Serie ("Der 1. Mord", "Die 2. Chance") ist auch "Der 3. Grad" enorm temporeich und atemberaubend spannend. Schlag auf Schlag entwickeln sich die Ereignisse, eine Geschichte mit echter Sogwirkung, die dem Leser keine Atempause gönnt.

Einen Gegenpol zum schnellen und harten Krimiplot bildet die Freundschaft der vier Frauen, deren Zuneigung, Herzlichkeit und Wärme zueinander rührend wirkt. Lindsay, Claire, Cindy und Jill sind lebendig gezeichnete Persönlichkeiten, stark und liebenswert zugleich. Sie scheinen zu atmen, ebenso wie alle anderen Akteure dieses Kriminalromans, die Patterson bunt, vielfältig und authentisch gestaltet hat.

Mit Herz, Verstand und Handschellen
Der Fall in "Der 3.Grad" ist auch für eine so unerschütterliche Powerfrau wie Lindsay Boxer starker Tobak. Die Motive der Täter resultieren aus einer Ungerechtigkeit, die auch vom Leser und den vier Ermittlerinnen empfunden wird. Doch die Fanatiker entwerten ihre ursprünglich hehren Ziele durch brutale Attentate. Wenn von Kinderarbeit und hungernden Menschen in der Dritten Welt die Rede ist, deren Leid mächtige Konzerne zu verantworten haben, dann macht das wütend und traurig. James Patterson lässt diese Wut zu. Er lässt seine Heldinnen kritisch und offen darüber diskutieren, verdeutlicht jedoch gleichzeitig, dass Terror ein sinnloses und ungerechtfertigtes Mittel ist, um gegen die Ungerechtigkeit der Welt zu kämpfen. Patterson fällt keine Pauschalurteile und überlässt es dem Leser Stellung zu beziehen.

Dass sich der Autor nicht scheut, in seinen Krimis brisante, hochaktuelle soziale und politische Brennpunkte zu benennen, macht die Bücher zu etwas ganz Besonderem. "Der 3. Grad", das dritte Buch um Lindsay Boxer und ihre Freundinnen vom "Club der Ermittlerinnen", findet hoffentlich recht bald eine Fortsetzung.

Bianca Reineke
Oxford, Juni 2005

Der 3. Grad - Women's Murder Club

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