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SPECIAL zu Jean M. Auel »Ayla«

Wie alles begann

Jean M. Auel wurde 1936 in Chicago geboren. Direkt nach der Highschool heiratete sie und bekam in kurzer Folge ihre Kinder: Schon mit 25 war sie fünffache Mutter. Nur wenig später begann sie an der Abendschule zu studieren: zunächst Physik – um zu verstehen, wie Dinge funktionieren. Später sattelte sie auf Betriebswirtschaft um. Obwohl sie nebenher stets arbeiten musste und die Kinder zu versorgen hatte, schloss Jean M. Auel ihr Studium 1976 mit einem Master ab. Kurz darauf kündigte sie ihren Job als Kreditmanagerin, weil sie sich mit ihrem Chef angelegt hatte und eigentlich auf der Suche nach etwas Besserem war.

»Plötzlich hatte ich all die Energie übrig, die ich jahrelang im Alltag benötigt hatte. Und dann kam mir eines Tages diese Idee für eine Geschichte über eine junge Frau, die unter Menschen aufwächst, die alle ganz anders sind als sie. Sie ist unbeliebt, weil sie so fremd ist, aber sie darf bleiben, weil sie sich um einen behinderten Mann kümmert. So gegen 11 Uhr nachts sagte ich mir: Ob sich daraus wohl eine Erzählung machen ließe? Das könnte mir ja die Zeit vertreiben, bis ich wieder einen Job habe.«

Also entwickelte die Autorin Figuren, sie entdeckte die Steinzeit als ideales Setting – und sie begann zu recherchieren: »Ich startete mit einem Lexikon und zog mir ein bisschen Informationen daraus. Dann ging ich in die Bibliothek und fing an, zu lesen und stapelweise Bücher mit nach Hause zu nehmen. Und je mehr ich las, desto mehr wuchs die Geschichte in mir. Ich dachte: Das ist eine komplett neue und frische Welt. Darüber kann man einen Roman schreiben, wie es ihn noch nie gab. Und zwar nicht über so Hollywood-Höhlenmenschen. Sondern über Menschen, die wie wir waren.«

Ein halbes Jahr lang arbeitete Jean M. Auel täglich 14 bis 16 Stunden, bis aus dem Exposé für eine Kurzgeschichte eine solide Grundlage für einen sechsbändigen Zyklus geschaffen war. Ausgerechnet da bekam sie plötzlich ein fantastisches Jobangebot: eine wichtige Managerstelle mit hervorragendem Gehalt, genau das, wonach sie eigentlich gesucht hatte. Nach langem inneren Ringen entschied sie sich für den schweren Weg: Sie schlug die Stelle aus und begann stattdessen erneut zu studieren – diesmal die Schreibkunst. Das Risiko war groß: Alle fünf Kinder steckten noch in der Ausbildung, und es sollte noch einmal zwei Jahre dauern, bis der erste Band fertiggestellt war. Jean M. Auel schickte das Manuskript an Verlage und bekam die ersten Absagen. Doch dann steckte sie das Werk auf einer Feier einer Agentin zu – und die nahm es prompt an. Bei der Verhandlung mit interessierten Verlagen erzielte sie einen Rekordabschluss.

1980 endlich erschien Ayla und der Clan des Bären. Bereits innerhalb des ersten Monats verkaufte das Buch sich in den USA 100.000 Mal.

Und es wurde ein weltweiter Siegeszug, 22 weitere Länder folgten. Der überwältigende Erfolg setzte sich mit allen weiteren Ayla-Bänden fort: Von den ersten fünf Bänden wurden mittlerweile 45 Millionen Exemplare verkauft, allein im deutschsprachigen Raum sind es drei Millionen. Sogar eine Hollywood-Verfilmung mit Daryl Hannah gibt es zum ersten Band. Doch die Autorin war dermaßen enttäuscht davon, dass sie die weiteren Filmrechte wieder zurückkaufte. Denn hier trat genau die Art von Klischee-Steinzeitmenschen auf, die sie immer lächerlich und gänzlich unhistorisch fand.

Sie ist inzwischen durch ihre langjährigen Studien selbst zu einer Expertin der Steinzeit geworden, besucht regelmäßig Fachkongresse und erhält weltweit Anerkennung von bekannten Wissenschaftlern und Archäologen. So meinte auch Professor Donald Johanson, Direktor des Instituts für die Ursprünge der Menschheit an der Universität in Berkeley: »Sie hat unheimlich viel dafür getan, diese Knochen, die jahrhundertelang in Museen herumgehangen haben, zum Leben zu erwecken.«



Jean M. Auel über Ayla, »Die Kinder der Erde« -Saga

Ihre Romane erzählen von einer längst vergangenen Zivilisation. Aber wollten Sie Ihrer Figur Ayla auch modernes Empfindungsvermögen mitgeben?
Jean M. Auel: Meine Figuren haben ein Empfindungsvermögen wie wir, weil diese Cro-Magnon-Höhlenmenschen moderne Menschen waren, die ersten in Europa. Ich habe meine Figuren genauso recherchiert wie alle anderen Aspekte dieser frühen Zivilisation. Meine Informationen gründen sich auf das heutige Forschungswissen. Ich bin an viele der Stätten gereist, wo frühe Menschen lebten, und habe zahlreiche Experten kennengelernt, die mich durch diese Wohnstätten geführt haben. Die frühen modernen Menschen hatten nicht nur Skelette wie wir, sondern waren auch in jeder anderen Hinsicht wie wir, wie sich in archäologischen Funden eindeutig zeigt.

Sie waren unsere vielfachen Ur-Großeltern, und daher müssen wir ihnen all die Fähigkeiten zugestehen, die wir selbst besitzen. Sie waren genauso intelligent wie wir, empfanden wie wir, zeigten dieselben psychologischen Reaktionen, dieselbe Gewandtheit im Umgang mit Sprache, dieselben Talente, Kunstfertigkeiten und Fähigkeiten. Und sei verfügten über eine verblüffende Kreativität. Das habe ich selbst gesehen, und ich fand es sehr überzeugend.

Neandertaler sind immer noch die großen Unbekannten, aber sie waren sehr viel weiter entwickelt, als die meisten von uns sich vorstellen; sie waren auch menschlich und hatten ein größeres Gehirn als der heutige Durchschnittsmensch. Es gab Unterschiede, aber sie sind unsere nahen Cousins und Cousinen. Sobald ich das gelernt hatte, wusste ich, dass ich eine Geschichte über eine junge Cro-Magnon-Frau schreiben könnte, die bei einem Clan der Neandertaler aufgezogen wird und dann den Weg zurück zu ihren eigenen Leuten findet. Aylas Kampf ist kein ausschließlich modernes, sondern ein universelles Thema. Es ist natürlich, akzeptiert sein zu wollen, es gehört zum Menschen.

Weltweit werden Sie für Ihre sorgfältige und detailgenaue Recherche gerühmt. Können Sie ein wenig davon erzählen?
Jean M. Auel: Die meisten Informationen habe ich in Bibliotheken erforscht und mir angelesen. Aber ich habe auch viel gelernt, indem ich Fragen stellte, Kurse belegte und reiste. Zum Beispiel habe ich an einem Kurs bei einem Experten für Überleben in der Arktis teilgenommen, wo wir lernten, wie man in großer Kälte zurechtkommt, und wo wir selbst eine Nacht am schneebedeckten Hang eines Berges verbrachten. In dem Kurs »Lebenskunde der Aborigines« bekam ich mit, wie Menschen von ihrem Land leben und wie man ein Hirschfell zu Hirschleder verarbeitet, das als Kleidungsstück taugt. Ich habe Seminare zu Pflanzenbestimmung und einen Kochkurs für wild wachsende Pflanzen belegt. Aylas Kenntnisse als Heilerin beruhen auf einer Mischung von Erste-Hilfe-Büchern, Handbüchern zu pflanzlichen Heilmitteln und zahlreiche Gesprächen mit Doktoren, Heilpraktikern, Krankenschwestern, Sanitätern etc..

Ich habe viele von den Stätten, über die ich berichte, besucht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, auch wenn die Bedingungen dort heute anders sein mögen. Und eine Zeit lang habe ich sogar an einer Ausgrabung teilgenommen, um zu verstehen, woher die Informationen stammen und wie die Archäologen sie gewinnen.

Wie viel in Ihren Büchern beruht auf Fakten, und wie viel ist Fiktion? Füllen Sie die Lücken, die die Geschichte gelassen hat?
Jean M. Auel: Meine Bücher sind komplett fiktional, basieren aber auf allen Fakten, die ich nur irgend zu dem Thema finden konnte. Sie spielen vor über 30.000 Jahren, und die einzigen Dinge, die von damals übrig sind, sind harte Gegenstände, die aus Stein oder Knochen gefertigt wurden, etwa Steinwerkzeuge, Schnitzarbeiten, Tier- und Menschenknochen – und mikroskopische Überreste: So wurden Pollen von besonders schönen Heilpflanzen in Gräbern von Neandertalern gefunden. Oder DNA-Spuren von Tierblut an Messern. Und man kann auch schlussfolgern. Beispielsweise wurde ein Neandertalerskelett gefunden, das erkennen lässt, dass der Verstorbene von früher Jugend an auf einem Auge blind war, einen Arm amputiert bekommen hatte und hinkte. Man kann also getrost annehmen, dass er nicht mit auf die Mammutjagd ging. Aber das zieht interessante Fragen nach sich: Wer amputierte seinen Arm? Wer stoppte die Blutung? Wie konnte er noch ein alter Mann werden? Offensichtlich, weil sich jemand um ihn kümmerte – aber warum? Vielleicht weil er geliebt wurde? Oder weil in seiner Kultur die Schwachen und Verletzten versorgt wurden? Unsere rätselhaften Vorfahren waren keinesfalls Rohlinge.

Ayla ist eine sehr starke Heldin. Wer sind Ihre liebsten Heldinnen in der Literatur?
Jean M. Auel: Eigentlich habe ich keine. Früher war es vielleicht die Prinzessin im Märchen »Östlich der Sonne und westlich vom Mond«, das uns mein Lieblingslehrer in der sechsten Klasse vorgelesen hat. Ich denke, der Grund dafür war schlicht, dass in diesem Märchen der Mann gefangen war und die Prinzessin ihr Können unter Beweis stellen musste, um ihn zu retten. Das war das Problem mit so vielen Büchern, die ich als Mädchen gelesen habe: Ich habe immer actionreiche Abenteuergeschichten geliebt, aber dort durften nur die Männer handeln und Abenteuer erleben.
Mit der Heldin, die nur herumsaß und auf die Befreiung wartete, konnte ich mich nie identifizieren. Ich war der Held, der mit dem Schwert klirrte. Es war keine bewusste Entscheidung, aber als ich mit dem Schreiben begann, wollte ich über eine Frau schreiben, die interessante Dinge tat. So kam es zu meiner Heldin Ayla.

In Ihrem neuen Buch spielen prächtige Höhlenmalereien eine zentrale Rolle. Haben Sie alle Höhlen, die Sie beschreiben, selbst besucht?
Jean M. Auel: Ja, ich habe alle Höhlen, die im Buch vorkommen, selbst besichtigt, bis auf eine kleine. Außerdem habe ich die Fachveröffentlichungen der Experten studiert. In den Höhlen habe ich eine sehr starke Verbindung zu den Menschen gespürt, die diese Kunstwerke erschaffen haben. Die Malereien sind so beeindruckend, dass man sie mit Fotos nur sehr unzureichend wiedergeben kann. Und die Atmosphäre in den Höhlen ist unbeschreiblich.

Nach über 30 Jahren ist der letzte Band beendet, Aylas Weg ist vollendet. Wie geht es nun für Sie weiter? Können Sie Ayla wirklich ruhen lassen?
Jean M. Auel: Ich habe so viel recherchiert und eine ganze Menge Ideen, aber im Moment noch keine konkreten Pläne. Sicher ist aber: Ich werde auch weiterhin schreiben.