Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Berlin – Hauptstadt des Verbrechens

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Tolles Sachbuch, das so spannend ist wie ein Krimi.

Von: Buchhandlung Schwarz auf Weiß
22.10.2018

Babylon Berlin ist in aller Munde und die 1920er Jahre in Berlin ein aktuelles Thema. Passender konnte die Deutsche Verlags-Anstalt ein Sachbuch über „die dunkle Seite der goldenen Zwanziger“ in der deutschen Hauptstadt nicht veröffentlichen. Natalie Boegl bringt ihren Lesern den Sündenpfuhl Nummer 1 der damaligen Zeit anschaulich und kurzweilig näher. Klaus Mann, Sohn von Thomas Mann, wird von der Autorin wie folgt zitiert: „Ich bin Babel, die Sünderin, das Ungeheuer unter den Städten. Sodom und Gomorra waren nicht halb so verderbt, nicht halb so elend wie ich!“. Der britische Schriftsteller Netley Lucas, der selbst mehrfach verurteilter Trickbetrüger war, bezeichnet Berlin gar als „schäbigste Unterwelt aller Städte“ und den Deutschen als „abstoßend in seiner Amoral“, der das Obszöne genießt „in einer Form, die nicht einmal Pariser dulden würden.“ (S. 122/123). Kaum vorstellbar, dass aus dieser schillernden Hauptstadt in nur wenigen Jahren eine Nazihochburg werden sollte. Nathalie Boegl, geboren 1967, hat unter anderem eine zweiteilige Fernsehdokumentation „Sündenbabel Berlin – Metropole des Verbrechens 1918 – 1933“ für SPIEGEL TV veröffentlicht. Sie ist also bestens vertraut mit dem Thema. Der Inhalt ist daher auch breit aufgestellt: von der öffentlichen Verwaltung, über einzelne Verbrecher und ihre Organisationen bis hin zu den SA-Schergen von Goebbles, findet sich in drei Teilen ein breites Wissen über die „erstklassige Brutstätte des Bösen“ (Ben Hecht, Auslandskorrespondent der Chicago Daily News, S. 123). Im ersten Teil geht es um die „Geburtswehen der Weimarer Republik“. Hier spannt Nathalie Boegl den Bogen von institutionellen Unruhen bei der Polizei über die kriegsversehrten Soldaten des 1. Weltkrieges bis hin zu Einzelverbrechern, wie Friedrich Schumann, der als Massenmörder vom Falkenhagener See bekannt werden sollte. Besonders gern habe die Geschichte von Karl Friedrich Bernotat, den bücherbesessenen Meisterdieb gelesen. Immer auch hat die Autorin einen Blick auf die politisch motivierten Verbrechen, die durch links- und rechtsradikale verübt wurden. Im zweiten Teil geht es um die goldenen Zwanziger. Nathalie Boegl führt ein in die Ringvereine, die als Gauner mit Ehrenkodex mit der Polizei zusammenarbeiten. Sie stellt Dr. Dr. Erich Frey vor, der als Strafverteidiger sowohl Friedrich Schumann als auch Carl Großmann sowie weitere illustre Persönlichkeiten aus der Unterwelt vor Gericht vertritt. Frey muss 1933 aus Nazi-Deutschland fliehen. Zum einen aufgrund seiner jüdischen Herkunft, aber auch weil er sich mit seiner Berufspraxis schon einige Feinde im rechten Lager gemacht hat. Beeindruckt hat mich auch das Kapitel über Ernst Gennat den Meister-Aufklärer der Berliner Polizei und Erfinder der Mordkommission. Die Autorin erzählt uns von weiteren skurrilen Verbrechern, die wohl nur in dieser Zeit ihr Unwesen treiben konnten. Im dritten Teil geht es dann um den Untergang der Weimarer Republik. Neben dem Kapitel über die SA-Greultaten, gerade auch in Berlin unter der persönlichen Aufsicht von Josef Goebbels, lernen wir noch die beliebtesten Verbrecher Berlins kennen: die Gebrüder Sass. Sie halten die Polizei mit ihren spektakulären Einbrüchen auf Trab. Der Einbruch in die „Disconto-Gesellschaft“ wird ihr Meisterstück. Drohte ihnen bisher immer Gefängnis, finden sie unter den Nazis ein tödliches Ende. Dieses Buch ist nicht nur ein echter Lesegenuss, sondern vermittelt konzentriertes Wissen über diese schillernde Berliner Zeit. Fast jede Persönlichkeit, die Natalie Boegl vorstellt, hat Potential für ein eigenes Buch. Umso erfreulicher sind die zusätzlichen Quellenangaben zum Weiterlesen über Gennat, Dr. Dr. Frey, Manfred Bastubbe oder Karl Friedrich Bernotat sowie viele weitere Aspekte aus dem Buch. Die Autorin vermittelt ihr Wissen mit einem erfrischenden Schreibstil, der die Lektüre der 280 Seiten so kurzweilig macht. Ein tolles Sachbuch, das so spannend ist wie ein Krimi. 100 %ige Leseempfehlung.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.