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Rezension zu
Joe

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Atmosphärisch dichtes Südstaaten-Drama mit authentisch wirkenden Figuren am Rande der Gesellschaft

Von: Dirk Hoffmann
11.11.2018

Ohne Ziel laufen der nichtsnutzige, alkoholabhängige Wade Jones, seine Frau, ihr ungefähr fünfzehnjähriger Sohn Gary und dessen beiden Schwestern Dorothy und die hochschwangere Fay eine wenig befahrene Straße entlang. Die drei verbeulten Dosen Budweiser, die der Vater im Graben findet, sind im Nu geleert, übernachtet wird an tristen Orten irgendwo in Mississippi, bis sie eine seit Jahren verlassene Blockhütte beziehen. Im Gegensatz zu seinem Vater will der für sein Alter etwas zu klein geratene Gary aus seinem Leben etwas machen und arbeiten. Für den ehemaligen Zuchthaus-Insassen Joe Ransom fängt Gary im Mai an, flächendeckend Bäume zu vergiften, damit dort Babykiefern gepflanzt werden können, doch sein Vater ist stets hinter dem Lohn her, den er nach Hause bringt, um Lebensmittel und vor allem Alkohol kaufen zu können. Als Gary aber angeboten bekommt, Joes alten Pick-up für zweihundert Dollar zu kaufen, versteckt der Junge das Geld vor seinem Vater, der seine Wut auf Joe kaum noch zurückhalten kann. Aber ebenso wie Wade ist auch Joe von gewalttätiger Persönlichkeit, verfügt im Gegensatz zu dem Alten aber über ein gutes Herz. Er hängt mit Connie zusammen, die mit seiner Tochter zusammen zur Schule gegangen ist, und bemüht sich um ein gutes Verhältnis zu seiner Ex-Frau Charlotte, aber in Beziehungssachen lässt sich Joe einfach treiben. Gary hängt immer öfter mit seinem Chef zusammen und hofft so, seinen Traum von einem besseren Leben verwirklichen zu können. „Er hatte schon festgestellt, wie gut das kühle Bier schmeckte. Er begriff jetzt, worauf der Alte in all den Nächten, an den Wochenenden und manchmal auch wochentags aus war, worauf es ihm ankam und was er spüren wollte. Nichts spielte jetzt eine Rolle, das wusste er beim ersten Mal, als er damit Bekanntschaft machte.“ (S. 256) Der in Oxford, Mississippi, geborene Larry Brown (1951-2004) hat erst spät angefangen zu schreiben, wollte seinem Vorbild Stephen King nacheifern, kam aber zunächst über einige kaum beachtete Kurzgeschichten nicht hinaus. Erst mit seiner ersten Kurzgeschichten-Sammlung „Facing The Music“ (1988) konnte der Feuerwehrmann anfangen, von seiner Schreiberei zu leben, und veröffentlichte bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahre 2004 leider nur fünf Romane, die nun endlich sukzessive ins Deutsche übersetzt werden. Nachdem der Heyne Verlag im vergangenen Jahr Larry Browns vierten und erfolgreichsten Roman „Fay“ als deutsche Erstveröffentlichung präsentierte, folgt mit „Joe“ nun dessen zweites Werk, das vor allem von den beiden eindringlich charakterisierten Figuren Gary und Joe geprägt wird, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch so eng miteinander verbandelt sind. Joe ist als kleiner Unternehmer zwar sein eigener Herr und weiß sich gegen seine Arbeiter souverän zu behaupten, dabei hilft ihm aber auch sein Ruf als trinksüchtiger Raufbold, was ihm bereits eine längere Gefängnisstrafe eingebrockt hat. Davon abgesehen ist er eigentlich ein liebevoller Kerl, der sich um eine Annäherung zu seiner Ex-Frau und seiner Tochter bemüht, dem Geld so unwichtig ist, dass er es gern mal verspielt, und der auch sehr lockere Beziehungen zu den Frauen unterhält, denen er begegnet. Dagegen muss sich Gary erst einmal wie seine ältere Schwester Fay, der Larry Brown später seinen erfolgreichsten Roman widmet, von der völlig verkorksten Familie lösen, die unter der Fuchtel des ebenso brutalen wie alkoholsüchtigen Wade steht, der auch die einzige durch und durch unsympathische Figur im Roman verkörpert. Dem Jungen ist durchaus bewusst, dass er nur durch harte Arbeit zu Anerkennung kommen kann, und so legt er sich nicht nur bei Joe, sondern später auch bei einem Farmer mächtig ins Zeug. In der Ausgestaltung der Beziehung zwischen Joe und Gary demonstriert der Autor seine wahre Meisterschaft, authentische Figuren am äußersten Rand der Gesellschaft im Süden der Vereinigten Staaten zu zeichnen und ihren schweren Kampf um einen Platz im Leben zu beschreiben. Nach fast 340 Seiten sind Gary und Joe dem Leser so ans Herz gewachsen, dass man das Ende der Geschichte nur noch hinauszögern möchte.

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