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Rezension zu
Hör auf zu lügen

Eine Geschichte, wie nur das Leben sie schreibt

Von: queerBUCH - Der LGBT+ Buchblog
14.11.2018

Hör auf zu lügen war für mich eine »Liebe auf den zweiten Blick«, denn durch das in meinen Augen nicht sehr ansprechende Cover hätte ich mich fast gegen einen zweiten Blick entschieden. Zum Glück habe ich diesem autobiografischen Roman eine Chance gegeben. Es war für mich eines der echtesten und beeindruckendsten Leseerlebnisse seit Langem – denn Besson schreibt über sein eigenes Leben so augenöffnend und mitreißend, dass ich mich vor seiner Selbstreflexionsgabe nur verneigen kann. Er ist nicht nur ein begnadeter Schriftsteller, sondern lässt uns teilhaben an einer Verknüpfung von wahren Ereignissen, die wie einem dramatischen Drehbuch entnommen wirken. Kurzbeschreibung Inhalt Philippe wächst in einem französischen Dorf in ländlicher Gegend auf. Im Jahr 1984 ist er 17 Jahre alt, er ist intelligent, der Sohn des Schulrektors und, wie er schon lange weiß, nicht interessiert an Mädchen. In der Schule sieht er Thomas, ein Jahr älter als er, der für ihn unerreichbar erscheint. Bis Thomas eines Tages die Initiative ergreift und beginnt, sich heimlich mit Philippe zu treffen. Eine Bekennung zu ihrer Homosexualität: zu dieser Zeit undenkbar. Zeitsprung ins Jahr 2006 – Philippe ist inzwischen ein bekannter Schriftsteller und hat es auf seinem Provinznest heraus geschafft. Er begegnet einem Mann, in dem er Thomas erkennt. Ein letzter Zeitabschnitt im Jahr 2016. Der Grund, weshalb Besson dieses Buch geschrieben hat. »In Erinnerung an Thomas Andrieu (1966 – 2016)« lautet die Widmung. Was genau passiert, möchte ich nicht vorwegnehmen – doch es ist herzzerreißender als erwartet. Meine Meinung Besson hat es mehrmals geschafft, meine Erwartungen zu widerlegen und mir zu zeigen, dass das Leben anders läuft. Kaum hatte ich mich mit der einen Wendung angefreundet und gedacht, ich hätte nun verstanden, worauf seine Geschichte hinausläuft, legt er in einem neuen Zeitabschnitt wieder völlig neue Wege frei, die das Leben geht. Der Autor hat einen einzigartigen Schreibstil, der schwankt zwischen stilfrei, Gedankenausguss, penibler Wortwahl und System. Der Prolog zieht sich über zwei Seiten und besteht aus nur einem einzigen Satz. Man könnte vermuten, Thomas‘ Tod hätte in Besson einen Wortausbruch zu Tage gefördert, den er einfach nur niederschreiben musste. Dennoch gehe ich davon aus, dass er genau wusste, mit welchem Wort er welche Emotion beim Leser auslöst. Genau deshalb reichen 160 Seiten auch vollkommen aus, um die Tragweite der Ereignisse zu begreifen und den Leser in die Ohnmacht des Autors hinabzuziehen, die er durch Thomas‘ Tod erfahren haben muss. Bessons Geschichte zeigt, dass wir Spuren hinterlassen bei Menschen, denen wir mal nah standen. So oft wir uns manchmal an vergangene Momente und Beziehungen zurück entsinnen und uns fragen, ob wir wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, ob diese Begegnung auch für das Gegenüber noch Auswirkungen hat, so werden wir das in den meisten Fällen niemals erfahren. Doch Besson zeigt uns durch seine Geschichte einen genau dieser Fälle, in denen diese Auswirkungen durchsickern, wenn auch erst Jahrzehnte später. Denn so unbedeutend wir uns manchmal selbst nehmen, so viel setzen wir durch unsere Begegnung manchmal bei unserem Gegenüber in Gang. Der Titel Hör auf zu lügen ist Gesetz, denn durch diese Veröffentlichung als autobiografischer Roman gesteht er sich zum ersten Mal ein, schon immer über sein Leben geschrieben zu haben. »Lügen«, so nannte seine Mutter es, wenn er sich Lebensgeschichten zu Personen ausdachte, die ihm in seinem Alltag begegneten. »Lügen« nennt er dadurch selbst seine Romane, denn offiziell waren diese Geschichten frei erfunden und beruhten nicht auf seinem Leben. Gelogen hat Thomas sein ganzes Leben lang, bis zu einem kleinen Schritt am Ende, der als Rebellion gedeutet werden kann, sodass er seine Geheimnisse nicht mit ins Grab nahm. Und Besson selbst hört durch diesen autobiografischen Roman auf zu lügen, er teilt eine seiner tiefsten Erfahrungen mit uns, über die er vor Fertigstellung dieses Werks mit niemandem gesprochen hat. Fazit Philippe Besson lässt uns mit Hör auf zu lügen tief in seine Lebensgeschichte und hinter seine Fassade blicken, die er bis zur Veröffentlichung aufrechterhalten hat. Er lässt uns seine Geschichte erleben, wie nur das Leben sie schreiben kann. Das für mich Aufwühlendste war die Tatsache, dass die Ereignisse wirklich so eingetreten sind. Das Buch lenkt uns in eine Richtung, die Besson selbst gegangen ist, denn wir müssen aufhören zu lügen und uns selbst annehmen. Wir müssen zu uns selbst stehen, um ein erfülltest Leben führen zu können und vielleicht eine erfüllte Liebe finden.

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