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Rezension zu
Hör auf zu lügen

Mutig, melancholisch, hoffnungsvoll und deprimierend gleichermaßen. Beeindruckende Ode an die Liebe.

Von: Wolfgang Brunner - Buchwelten
15.11.2018

Mit 17 Jahren entdeckt Philippe, dass er sich eher zu Jungs als zu Mädchen hingezogen fühlt. Vor allem Thomas, ein Mitschüler aus einer Parallelklasse, hat es ihm angetan. Wie durch ein Wunder kommen sich die beiden näher. Doch schon bald muss Philippe erkennen, dass ihre Liebe nicht sein darf und sie ihre sexuelle Identität in den 80er Jahren nicht öffentlich ausleben dürfen. . Das Buch wurde von der Presse als „Brokeback Mountain auf französisch“ bezeichnet, allerdings fühlte ich mich nach den ersten Seiten eher an „Maurice“ von E.M. Forster erinnert, in dem es ebenfalls um die erste Liebe zwischen zwei Teenagern ging. Philippe Bessons autobiografischer Roman erzählt eine ähnliche Geschichte, die Mitte der 80er Jahre angesiedelt ist. Klar haben sich die Zeiten gegenüber dem viktorianischen, steifen England geändert, aber dennoch haftete dieser Beziehung etwas Verbotenes und Vulgäres an. Das hat Besson hervorragend zum Ausdruck gebracht, denn man kann die Unschlüssigkeit, die Ängste und Qualen seines Protagonisten (der zugleich der Autor selbst ist/war) absolut nachvollziehen. Die Erzählung liegt auch unter einem gewissen nostalgischen Schleier, der manches verklärt wirken lässt und die geschilderte Zeit wieder erweckt. „Hör auf zu lügen“ ist ein Coming of Age-Drama, das wohl vielen jugendlichen Homosexuellen in jener Zeit genauso oder zumindest ähnlich widerfahren ist. Philippe Besson zeigt Mut, wenn er seine erste gleichgeschlechtliche Liebe schildert, und auch wenn er manchmal detailliert in seinen Bescheibungen wird, behält der Roman durchweg seine poetische und melancholische Seite. Es ist eine kurze Geschichte, die hier erzählt wird, was aber nicht ausschließt, dass jede Menge in den Sätzen zum Ausdruck gebracht wird. Da geht es im Grunde genommen gar nicht um Homosexualität, sondern einfach nur um Liebe. Und spätestens, wenn man das erkannt hat, ist man tatsächlich bei einem literarischen „Brokeback Mountain“ angekommen. „Hör auf zu lügen“ ist eine Ode an die Liebe und das Leben. Ein Aufruf, sich nicht hinter seinem wahren Ich zu verstecken, sondern zu tun, was in einem steckt und wobei man sich wohlfühlt. Dieser Roman ist der Spiegel, der einem sein eigenes Leben zeigt und sagt: „Mach, was du für richtig hältst. Du kannst Dein Leben bestimmen, also tu es.“ Die Liebe, die hier beschrieben wird, handelt zwar von gleichgeschlechtlichen Menschen, könnte aber genauso gut den Weg (die erste Liebe und was daraus ein Leben lang wird) einer heterosexuellen Beziehung behandeln. Liebe ist nun mal Liebe, egal zwischen welchen Geschlechtern. Gleichzeitig zu seinem „Outing“ führt uns Philippe Besson in die Welt der 80er Jahre zurück, wo alles noch anders war. Die Gedankengänge seiner Protagonisten, die musikalische und filmische Umwelt sind sehr intensiv beschrieben, so dass man nicht nur Lektionen in Sachen Liebe lernt, sondern auch in eine Welt zurückgeführt wird, in der es noch kein Internet und keine Handys gab, wo man mit Menschen noch Auge in Auge kommunizieren musste, um jemanden kennenzulernen. Und im letzten Drittel nimmt der Roman Ausmaße an, mit denen ich nicht gerechnet habe. Da wird das Thema sexuelle Orienterung noch einmal von einer anderen Seite beleuchtet, die einem sehr nahe geht. Auch hier ist der Vergleich zu „Brokeback Mountain“ sehr passend. „Hör auf zu lügen“ regt absolut zum Nachdenken an und zeigt auf, wie schnell ein Leben vergehen kann, ohne dass man das gemacht hat, was man eigentlich machen will, vor allem weil man sich den gesellschaftlichen Zwängen anpasst beziehungsweise leider anpassen muss, um nicht anzuecken. „Hör auf zu lügen“ ist ein mutiges, ein melancholisches, ein hoffnungsvolles und ein deprimierendes Buch. Bessons Schreibstil ist unglaublich bildhaft und intensiv. Gerade durch seine Schachtelsätze vermittelt er das Gefühl, er spräche den Leser direkt an. Dass es sich dann auch noch um eine Geschichte handelte, die tatsächlich geschehen ist, macht den Roman und seine Aussage um so eindrucksvoller. . Fazit: Mutig, melancholisch, hoffnungsvoll und deprimierend gleichermaßen. Beeindruckende Ode an die Liebe. © 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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