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Rezension zu
Sex und Lügen

Wenn das Streben nach sexueller Freiheit auf Doppelmoral trifft

Von: Exlibris JMalula
30.11.2018

August 2016, Casablanca: der verheiratete siebenfache Familienvater Omar Benhamad und die verwitwete sechsfache Mutter Fatima Najjar werden von einer Polizeistreife in einem am Strand geparkten Auto in flagranti beim Ehebruch erwischt. Und das in einem Land, in dem „jede verheiratete Person, die des Ehebruchs überführt wird“ zwei Jahre Gefängnis riskiert. Das wirklich Delikate daran: der Professor für religiöse Studien und die Predigerin gelten als religiöse und moralische Instanzen in Marokko. Beide vertreten ultrakonservative Auffassungen – so erklärte Benhamad den Austausch von Liebesbekundungen auf Facebook zur Sünde, Najjar setzte schon das Lächeln einer Frau auf offener Straße mit "dem Geschlechtsakt" gleich. In „Sex und Lügen – Gespräche mit Frauen aus der islamischen Welt“ sammelte die in Frankreich lebende Autorin Leila Slimani Erfahrungsberichte unterschiedlichster Frauen aus ihrem Heimatland Marokko mit dem Ziel „die Realität dieses Landes zu zeigen, die so viel komplexer und schmerzlicher ist, als man uns glauben machen will.“. „Die Spannung zwischen dem Wunsch nach Modernität und dem – aufgesetzten oder einem echten Bedürfnis entspringenden – Festhalten an traditionellen Werten zerreißt die marokkanische Gesellschaft“. Bei einer mehrtätigen Autofahrt von Marrakech durch das Atlasgebirge bis in die Nähe des algerischen Grenze in der Sahara fiel mir Eines immer wieder auf: Insbesondere in den kleinen, abgelegenen Dörfern, aber auch in den größeren Städten und Orten sah man nicht viele Frauen auf den Straßen. Und fast nie sah man eine Frau allein. Auch schien es keine Durchmischung der Geschlechter im öffentlichen Raum zu geben, von körperlicher Nähe und Zärtlichkeit ganz zu schweigen. Durch die Lektüre von „Sex und Lügen“ erschlossen sich mir etliche Hintergründe dieser Wahrnehmung. Slimani beschreibt das Erwachsenwerden der Frau als einen „mit Demütigungen gepflasterten Weg“. So wird bspw. ein intaktes Jungfernhäutchen als Zwangsinstrument eingesetzt, um die Frauen ans Haus zu binden und zu überwachen. Eine intime Privatangelegenheit wird zum Gegenstand kollektiver Besorgnis. Im marokkanischen Strafgesetzbuch finden sich ganze Kapitel über Sittlichkeit und in allen geht es um das vorgeschriebene Verhalten der Frau. „Sie ist Garant der Familienehre und, schlimmer noch, der nationalen Ehre.“ „Sex und Lügen“ ist ein wichtiges Buch, das durch das Zeugnis einiger mutiger Frauen Einblicke bietet in eine Gesellschaft im Umbruch. Eine Gesellschaft, die durch eine schizophrene Doppelmoral zwischen Gesetzen und Regeln und einer Realität, die mitnichten diesen entspricht, viel Angriffsfläche bietet für extremistische Tendenzen. Slimani erhebt dabei nicht den Anspruch eine soziologische Studie über die Sexualität in Marokko zu verfassen. Sie will vielmehr die oft erschütternden Aussagen der Frauen ungefiltert wiedergeben und ihnen damit Gehör verschaffen. Das ist ihr auf jeden Fall gelungen! Einzig ein Glossar im Anhang wäre noch wünschenswert gewesen.

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