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Rezension zu
1968

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die Psychologie von 1968

Von: Franziska_J
23.12.2018

„Aber für uns, die jungen Leute, die Schüler und Studenten, die Arbeiter, die sich mancherorts spontan anschlossen, fühlte es sich in diesen Tagen manchmal tatsächlich so an, als würde die Revolution unmittelbar bevorstehen.“ 1968 – ein Jahr der Proteste und der Aufstände, die in die Zeitgeschichte eingegangen sind. Heute, 50 Jahre später, sind bereits genügend Sachbücher und auch Filme, die Fakten und die Chiffre 68 beschreiben, erschienen. Claus Koch, Diplompsychologe und selbst ein 68er, sticht mit seinem Buch 1968 Drei Generationen eine Geschichte (2018) aus dieser Masse an meist historisch angelegten Büchern heraus. Aus einer vorwiegend psychologischen Perspektive erkundet er das Phänomen 1968 und nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Elterngeneration der 68er, dann durch die 68er selbst und endet schließlich in der Gegenwart bei ihren Kindern und Enkelkindern. Koch fragt danach, was heute noch übrig ist von den Träumen und Idealen dieser wilden Jahre und besonders, wie die Kinder der damaligen Revolutionäre mit dieser Welt umgehen sollen, die sich seit 1968 nicht wirklich zum Besseren gewendet hat. Gleich vorweg: Wer sich entschließt, dieses Buch zu lesen, der sollte ein gewisses Interesse an Psychologie mitbringen. Besonders zu Beginn wird die Elterngeneration der 68er auf einer ausschließlich psychologischen Ebene beschrieben. Dieser extrem auf die Psyche fokussierte Blickwinkel zieht sich auch durch den Rest des Buches, wird aber doch immer wieder zugunsten von allgemeineren gesellschaftlichen Überblicken unterbrochen. Dieser Blickwinkel, den Koch hier gewählt hat, bietet jedoch einen besonderen Vorteil: Es wird möglich, zu verstehen, wie es überhaupt zu den Ereignissen von 1968 kommen konnte und warum sie letztlich zum Scheitern verurteilt waren. In einer teilweise sehr poetischen Sprache, die das Buch eher zum Roman als zum Sachbuch macht, schildert er die Kette der Ereignisse, beginnend bei der Elterngeneration, die geprägt ist durch die die Verleugnung der NS-Verbrechen und die Entbehrungen des Krieges. Es wird klar: hieraus erhalten die 68, die Kinder dieser Generation, ihre entscheidendsten Prägungen. Sie können sich nicht abfinden mit diesem Schweigen und den Verleugnungen ihrer Eltern. Hinzu kommt die aktuelle politische Lage, die v.a. durch den Vietnamkrieg bestimmt ist. Diese Kinder, inzwischen herangewachsen zu Schülern und Studenten, beginnen sich zu wehren. Zunächst noch friedlich, doch dann mit Gewalt. Besonders treffend legt Koch in diesem Zusammenhang die philosophischen Einflüsse dar, die von Marx und Lenin über Adorno bis hin zu Marcuse reichen. Leider ist der Teil zur Generation der 68er selbst sehr kurz geraten. Zwar beschreibt er mit einem rebellischen Unterton, der sicher die Kampfstimmung dieser Jahre wiederspiegelt, die damaligen Verhältnisse, doch er bleibt dabei – zumindest, was das große gesellschaftliche Ganze betrifft – zu sehr an der Oberfläche. An dieser Stelle wäre etwas mehr historischer Kontext doch angebracht gewesen. Auch methodisch ist sein Vorgehen ein wenig unsicher. Er schildert hier nur aus seiner eigenen Erfahrung heraus und stellt jedem Kapitel eine kurze Erzählung aus seinem Privatleben voran, was zwar das Buch erzähltechnisch aufpeppt, doch es letztlich sehr eindimensional und fast zu einer Art Biographie werden lässt. Es wäre gut gewesen, hier noch andere Zeitzeugen mit einzubeziehen. „Aber das revolutionäre Experiment unserer Generation ist gescheitert. Und dieses Scheitern empfanden viele von uns als ebenso grandios wie vorher die hochfliegenden Träume.“ Trotz alledem ist der Bogen, den er bis zur Gegenwart spannt, sehr gelungen. Koch zeigt, dass 1968 nicht nur ein Scheitern oder das Zerplatzen einer Revolution war, sondern dass die Auswirkungen heute noch immer, wenn auch unbewusst, spürbar sind. Koch ruft sie uns wieder ins Gedächtnis und damit zeigt das Buch auch, dass die Welt eine Veränderliche ist und wir auch endlich anfangen sollten, eine für uns lebenswerte Zukunft zu formen.

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