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Rezension zu
So viele Jahre

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Einfühlsames Portrait einer Familientragödie

Von: L.B
04.01.2019

Carla Freiecks „So viele Jahre“ weckt gleich auf den ersten Blick Interesse. Der Titel zieht einen in seinen Bann und das Cover gibt einen Ausblick auf die Atmosphäre des Buches. Inhaltlich hat das Buch langsam begonnen. Die ersten Seiten hat Freieck darauf verwendet, uns ihre Protagonistin und ihre Familie vorzustellen. Thea ist Anfang fünfzig, verheiratet, Mutter und Großmutter, ihr Leben scheint erstrebenswert zu sein- fast schon perfekt. Doch dem Leser wird deutlich, dass ihr Leben alles andere als perfekt ist. Thea hat drei Dämonen, Angst, Migräne und Wut. Sie ist ausgelaugt, ständig müde, Gefühle sind in ihrer Ehe schon lange nicht mehr existent. Auf den ersten Blick ist man verführt anzunehmen, dass die Geschichte sich um eine Frau dreht, deren ewige Suche nach Perfektion, sie an den Abgrund des Zusammenbruchs geführt hat. Von dem Drang angetrieben, endlich wieder etwas zu fühlen, beginnt Thea eine Affäre. Für einige Wochen lebt sie einen Höhenflug, aber schnell muss sie einsehen, dass sie dieses Doppelleben, weder zufrieden stellt, noch sich lange aufrecht erhalten lässt. Doch obwohl die Affäre die erste Hälfte des Buches dominiert, stellt sie nicht den Hauptpunkt der Handlung dar. Erst in der zweiten Hälfte des Buches beginnt die eigentliche Geschichte an Fahrt aufzunehmen. Thea besucht eine alte Villa und von da an wendet sich ihr Leben zum Schlechteren. Eine unerklärliche Angst packt sie, lässt sie nicht wieder los. Nach einem Nervenzusammenbruch ist für niemanden mehr zu erreichen. An diesem Punkt in der Handlung beginnt Thea eine Therapie, um ihre Ängste aufzuarbeiten. In den Gesprächen mit ihrer Therapeutin erkennt sie, dass sie nur in ihrer Kindheit Antworten finden kann. Die Handlung ist fein komponiert- Freieck zielt auf eine Tragödie und nicht auf einen Thriller ab. Die Handlung wird zwar realistisch erzählt, hat mich aber dennoch nicht großartig überrascht oder schockiert. Stellenweise neigte das Buch sogar dazu, vorhersehbar zu sein. Dennoch kann ich das Buch nur jedem wärmstens empfehlen, es fesselt den Leser mit seinen meisterhaften Charakteren, und seiner einfühlsamen, klaren Erzählweise. Wie bereits erwähnt, hat der Leser viel Zeit, um Thea kennen zu lernen. Thea ist in ihren Eigenschaften dabei gleichsam so universell, dass niemand umhin kommt, mit ihr mitzufühlen. Freieck hat alle ihre Charaktere mit viel Tiefe und Komplexität beschrieben, man kann ihr Handeln nachvollziehen. Freieck gelingt dies auf zwei Wegen. Zum einen konzentriert sie sich auf die Beziehungen der einzelnen Charaktere untereinander, besonders die Beziehung die sie zu Thea unterhalten. Viele dieser Beziehungen sind zerrüttet. Doch gerade das Aufzeigen dieser menschlichen Konflikte, bildet ein intimes Porträt der Charaktere. Zum anderen hat Freieck ein Talent für eine sehr punktierte Sprache. Sie bringt deutlich und klar die verschiedenen Positionen und Gefühle der Beteiligten zum Ausdruck. Beim Lesen sind mir immer wieder deutsche Worte aufgefallen, die so in, aus anderen Sprachen übersetzten Bücher nur selten zu finden sind. Ich habe es als erfrischend empfunden meine Muttersprache, in ihrem vollen Potenzial ausgeschöpft zu erleben. Das spiegelt sich auch in den Dialogen wieder. Sie stehen nicht nur im richtigen Verhältnis zu Beschreibungen und inneren Monologen, sondern sind auch realistische Abbilder von Konversationen. Generell sind Freiecks Schilderungen sehr realistisch. Es sind die kleinen Alltäglichkeiten, an denen sich die wahre Natur vieler Charaktere zeigt. Für jemanden der nach viel Aktion sucht, ist dieses Buch nicht geeignet, aber jeder andere wird seine Freude damit haben. Freieck beschreibt eine Familientragödie ohne den Leser künstlich schockieren zu wollen. Einfühlsam und tiefgründig, aber genauso präzise beschreibt Freieck die Vorgänge in Theas Innerem und öffnet dem Leser damit die Tür in eine schmerzhafte und beängstigend realistische Geschichte.

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