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Rezension zu
Die Gewissenlosen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein Krimi wie ein Punksong: kurz, laut, heftig!

Von: DunklesSchaf
10.01.2019

Schon als ich damals „Jähzorn“ gelesen habe, wusste ich, dass, sollte ein weiteres Buch des Autors erscheinen, ich auch dieses gerne lesen würde. Mit „Die Gewissenlosen“ knüpft der Autor allerdings nicht an sein voriges Buch an, sondern erfindet sich neu. Natürlich nicht völlig, denn man erkennt den Autor schon in seinem neuesten Werk, doch es ist entschieden anders als sein voriges. Allerdings muss man noch erwähnen, dass im Original „Die Gewissenlosen“ zeitlich vor „Jähzorn“ erschienen ist. War „Jähzorn“ ein recht dickes, fast schon monumentales Werk, welches die letzten Jahrzehnte der Geschichte Brasiliens aufwühlend und spannend in einen Krimi verarbeitete, ist das jetzige Werk eine schnelle, harte Geschichte, die zwar über 200 Seiten fasst, aber auch nur wegen einer größeren Schriftgröße und sich zügig liest. Der Vater Passend zur Form der Geschichte ist Mc Cash die längste Zeit seines Lebens Polizist gewesen, lernt man ihn doch kennen, als er sich das Licht ausblasen will. Lange würde es nicht mehr dauern, bis er erblindete, also warum es nicht selbst in die Hand nehmen? Der Ire, der nach IRA-Mitgliedschaft, Unruhen, dem Verlust eines Auges, eines Prozess ausgewiesen wird und in Frankreich gelandet ist, wird nach einem Jurastudium Polizist. Doch bevor er abdrücken kann, klingelt es an der Tür, ein Einschreiben. Carole, eine flüchtige Geliebte, schreibt ihm aus dem Grab – er hat eine Tochter, Alice. Unwillig und knurrig kündigt er seinen Job und fährt in das kleine Dorf, in dem Alice lebt, und landet mitten in einem Sumpf des Verbrechens. Ein kleines Mädchen wurde tot aus dem Fluss gezogen und seine Tochter ist die einzige Zeugin. Kurz darauf explodiert eine Orgie von Gewalt. Anti-Held Ein Charakterzug des „Einäugigen“ machte ihn mir unsympathisch, mit Misshandlung von Tieren bin ich nicht einverstanden, denn auch wenn der Hund nur ein Streuner ist, muss man ihn nicht mit dem Fuß treten. Doch so einen Helden muss man ja auch nicht unbedingt sympathisch finden, und so passt der Begriff hardboiled auf ihn wie die Faust aufs Auge. Abgeratzt, eigenwillig, wortkarg, missmutig … kurz gesagt: ein Arsch. Nichtsdestotrotz fahren die Frauen natürlich auf ihn ab, einsamer Wolf und so. Und er hat sowohl sein Vaterherz als auch sein Rechtsempfinden am rechten Fleck. Ein „Held“, wie wir Noir-Liebhaber ihn lieben. Eben kein Held. Ein Raubein, ein Ausgestoßener, ein Sonderling, das ist Mc Cash. Und ein Vater. Ohne Worte Atmosphärisch hat der Autor hier auch viel richtig gemacht. Es scheint ständig schlechtes Wetter zu herrschen, kalt und ungemütlich, von Regen bis Schnee, doch der Autor gibt sich nicht mit ausufernden Beschreibungen ab. Das Dorf ist eine Ödnis, Tristesse und Grau gehen Hand in Hand. Manches ist eingeflochten, manchmal nur mit einem Wort, vieles auch ungesagt, doch deutlich spürbar. Atmosphäre eben. Überhaupt ist das eines der Dinge, die ich an französischen Krimis sehr liebe – diese Nichtvorhandensein von langen Erklärungen oder Ausschweifungen. Mitunter hat man ja manchmal das Gefühl, Autor*innen erklären einem alle zwanzig Seiten von Neuem, wer in dem Buch alles eine Rolle spielt, doch hier ist das ganz bestimmt nicht so. Wer nicht aufpasst hat verloren, aber wer sich das Buch einverleibt, aufgrund seiner kurzen Seitenzahl kann das auch mal an einem Nachmittag geschehen, der braucht nicht nochmal auf etwas hingewiesen werden. Der Leser weiß worum es geht, folgt Mc Cash, auch ohne viele Worte, und pflügt rasend durch das Buch. „Somebody got murdered Somebody’s dead forever” (The Clash, Somebody got murdered) Punk Und dann ist da ja noch Joe Strummer. Wer ihn nicht kennt, dem möchte ich jetzt ein „na na na!“ hinwerfen, doch ich weiß ja nun, dass nicht jeder sich im Punk zu Hause fühlt, allerdings muss man doch ein wenig vorwurfsvoll gucken, wenn jemand The Clash nicht kennt. Joe Strummer ist der Held von Mc Cashs Jugend, auf ihn wird immer wieder verwiesen – im Original Titel kommt denn auch sein Name vor: „La jambe gauche de Joe Strummer“ – aber noch viel cooler ist, dass jedes Kapitel den Titel eines The Clash Songs trägt und natürlich gar wunderbar zum Inhalt des jeweiligen Kapitels passt. Ich wusste das ja vorher nicht, aber bin davon restlos begeistert. Wie abgefahren ist das denn? Gekrönt wird das Ganze am Anfang von einem Zitat von Thom Yorke… na, muss ich das etwa auch erklären? Na ok, Thom Yorke halt, der Sänger von Radiohead, der zwar sein Auge noch hat, aber das meiste seiner Sehkraft eingebüßt hat und damit schließt sich wunderbar der Kreis zu Mc Cash, unserem Einäugigen hier. Ich bin begeistert davon, dass Zitate und Kapitelüberschriften auch ihren Sinn haben können, denn meistens erschließt sich mir dieser nicht und bin deshalb ein Verfechter davon, dass Autor*innen sich diese doch sparen könnten. Wahrscheinlich war es aber wohl meist einfach nur die falsche Musikrichtung für mich. Fazit: Ein Buch wie ein Ritt, stampfend und pulsierend. Ein kurzes Buch, kurze Kapitel, aber genau richtig, kurz eben. So wie Punk. Ein Gaumenschmaus an düsterem, hartem Lesestoff. Und: nicht nur für Fans von Joe Strummer ein Muss, sondern eben auch für Fans des harten, rauen Krimis.

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