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Rezension zu
Stella

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Andere sehen die Dunkelheit. Ich sehe die Schönheit."

Von: Travel Without Moving
27.01.2019

"Andere sehen die Dunkelheit. Ich sehe die Schönheit." (CD 2, Track 5) Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich während meines Studiums erstmals im Detail vom Milgram-Experiment gehört habe. Nach der Präsentation des Versuchsaufbaus und der Ergebnisse wurde im Hörsaal aufgeregt diskutiert, und viele der anwesenden Psychologie-Studenten waren der Meinung, sie würden ganz anders reagieren, sie würden den anderen Versuchsteilnehmern keine gefährlichen Stromstöße verpassen, sie würden sich wehren und dem Versuchsleiter sagen, dass sie ein solches Vorgehen ethisch nicht vertreten könnten. Ich war schon damals der Meinung, dass solche Situationen aus der Entfernung schlecht eingeschätzt werden können, und dass auch gute Menschen unter bestimmten Bedingungen schlimme Dinge tun, die sie sich im Vorfeld vielleicht selbst nicht zutrauen würden. Mit einer solchen Meinung möchte ich Gräueltaten nicht herunterspielen oder verharmlosen, sondern lediglich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man nicht wissen kann, wie man unter Druck, aus Angst oder aus x anderen Gründen tatsächlich reagiert, wenn man mit einer Ausnahmesituation konfrontiert wird. Wer sich mehr für dieses Thema und damit verbundene Forschungsergebnisse interessiert, dem lege ich das wunderbare Buch ‚Der Luzifer-Effekt. Die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen‘ von Philip Zimbardo ans Herz. Unter diesen Gesichtspunkten habe ich ‚Stella‘ angehört. Eigentlich hatte ich das Buch gar nicht auf dem Schirm, obwohl ich mich für das Dritte Reich und die Shoa interessiere. Vielleicht war das so, weil ich Takis Würgers Erstling ‚Der Club‘ noch nicht kenne, oder weil ich mich noch nie mit dem Leben von Stella Goldschlag beschäftigt hatte. Letztendlich haben mich jedoch die kontroversen Besprechungen des Buches neugierig gemacht, so dass ich schließlich das Hörbuch gehört habe. Um es kurz zu machen: Mir hat ‚Stella‘ gut gefallen, und ich verstehe die Aufregung um das Buch sowie die massive Kritik am Roman, am Autor und am Verlag nicht recht. Ich empfand das Buch nicht als kitschig, nicht als verharmlosend und nicht als eine unerlaubte Art und Weise, wie man über die Shoa sprechen darf. Vielmehr zeigt Würger in seinem zweiten Buch, dass das Leben komplexer ist als die simple Einteilung in gut und böse, schwarz und weiß, Opfer und Täter, richtig und falsch. Und weil Dinge komplex sind, darf es meiner Meinung nach auch ein solches Buch geben. "Ich weiß nicht, ob es falsch ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten." (CD 4, Track 16) Vollends begeistern konnte mich ‚Stella‘ dennoch nicht, was sicherlich an der langen Einführung in die Geschichte lag, wo der Hörer viele Informationen über Friedrich und seine Familie erhält, die zwar nicht uninteressant sind, die ich in dieser Ausführlichkeit aber nicht als sonderlich relevant für die Geschichte empfand. Sobald Friedrich im kriegsgebeutelten Berlin eintrifft und Stella, die sich zu der Zeit noch Kristin nennt, kennenlernt, hat mich das Hörbuch mitreißen können. Die Einschübe von historischen Dokumenten haben mir gut gefallen, und diese tragen meiner Meinung nach sehr zur Spannung bei. Auch die Stimmung im Berlin der 1940er Jahre wurde vom Autor hervorragend eingefangen, und die Sprecher Robert Stadlober und Valery Tscheplanowa geben der Geschichte die passende Intonation. ‚Der Club‘ von Würger liegt schon recht lange auf meinem Hörbuch-Stapel, und nachdem ich ‚Stella‘ fertiggehört habe, bin ich noch gespannter auf Würgers Erstling als ohnehin schon. Takis Würger: Stella. Ungekürzte Lesung mit Robert Stadlober und Valery Tscheplanowa. Random House Audio, 2019; 20 Euro.

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