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Rezension zu
Wundbrand

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wunderbare Verwundbarkeit

Von: Michael Sterzik
02.02.2019

Das schwedische Autorenehepaar Cilla & Rolf Börjlind sind erfolgreiche Drehbuchautoren und über die skandinavischen Grenzen hinweg sehr bekannt. Seit einigen Jahren schreiben sie ebenfalls Kriminalromane – „Wundbrand“ ist der fünfte Band der Reihe um die beiden Protagonisten Olivia Rönning und Tom Stilton. Die Erwartungshaltung ist enorm hoch, denn die Vorgängerromane sind nicht nur unheimlich spannend, sondern demnach auch sehr erfolgreich. Der erste Roman „Springflut“, bei dem das schwedische Ehepaar natürlich das Drehbuch verfasste, wurde als Serie fantastisch umgesetzt. Die Reihe überzeugt sowieso durch eine faszinierende Charakterzeichnung. Im ersten Band studierte Oliva Rönning noch auf der Polizeihochschule und widmete sich schicksalshaft einen alten Cold-Case-Fall. Und es war genau dieser ungelöste Mord, der den erfolgreichen und charismatischen Kommissar Tom Stilton das soziale Leben unter den Füßen wegriss. Zerbrochen, verzweifelt, sich selbst verlierend lebte er von nun an als Obdachloser auf der Straßen Stockholms, verkaufte Zeitungen und (über)lebte irgendwie. In den folgenden Bänden festigte sich nur beider Leben im beruflichen, wie auch privaten Sinne, sondern auch die Freundschaft zwischen ihnen und anderen involvierten Personen. Der Personenkreis ist überschaubar, aber geschickt entwickelt das schwedische Autorenehepaar mit und ihnen eine komplexe Welt mit einer immensen Tiefenwirkung. Die Schicksale dieser Nebenfiguren wie Mette und ihr Mann Marten, oder Stiltons Freund – der ehemalige Messerwerfer Abbas übernehmen nicht den Hauptpart der Story, aber als eigenständige Figuren sind diese der letzte Feinschliff. „Wundbrand“ erfüllt sämtliche vorsichtigen Erwartungshaltungen und eröffnet ein dynamisches Labyrinth von Haupt- und Nebengeschichten. Als ein Ehepaar, mitsamt ihrer Tochter bei einem Bombenattentat ums Leben kommt ist der Leser schon an der Seite von Olivia Rönning, die nun als Ermittlerin im Team von Mette tätig ist. Terror in Stockholm? Ein terroristischer Akt – oder einfach ein Racheakt und wenn letzteres – steht hier ein großes „Warum“ herum. Cilla und Rolf Börjlind schreiben mit einer Mischung aus Strategie und Taktik und verwenden allerlei aktuellen Themen, denen wir im Alltag begegnen. Vergeltung und Rache als Dreh- und Angelpunkt in Kombination mit der Me-Too-Diskussion, Drogen im Goldenen Dreieck und Tom Stilton mittendrin, flankiert von Sextourismus und dunklen Begierden. Klingt nicht unbedingt überschaubar, oder?! Ist es auch nicht – irgendwann verliert man sich in diesem Storydschungel und es braucht ein wenig, bis man ein Lichtung erreicht. Doch verdammt – es lohnt sich allemal. Der Part von Tom Stilton, der sich nach den letzten Ereignissen wieder zurückzieht, ist deutlich kleiner. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin versucht der Ex-Kommissar auf einer Yogamatte – seine „goldene Mitte“ wiederzufinden. Zweifel drängen sich an die Oberfläche – also runter von der Yogamatte und auf in ein wildes Abenteuer. Willkommen in der Selbstfindungsphase. Tja, und genau dieser Part – besagte Selbstfindungsphasen beherrschen die Nebengeschichten außerordentlich unterhaltsam. Auch Olivia sucht sich noch selbst, findet auch etwas um dass sie sich kümmern möchte und geht konsequent ihren Weg Schritt um Schritt weiter. Manchmal stolpernd, manchmal wird ihr unter die Arme gegriffen – aber eigentlich immer gut unterwegs auf den Boden der Tatsachen. „Wundbrand“ ist großartig – eine grandiose Vorgeschichte und eine Positionierung – ein Ausgangspunkt für den hoffentlich bald sechsten Band dieser brillanten Kriminalreihe. Diese Reihe gehört mit zu den besten Kriminalreihen unserer Zeit – Protagonisten sind keine klischeeversehende Anti-Helden, keine James-Bonds, und sind weit davon entfernt charakterliche Züge eines Sherlocks Holms anzunehmen. Die Handlungen der Protagonisten sind authentisch – die Grundidee der Story in Kombination mit Schicksal und Kommissar Zufall, grenzen manchmal etwas ins fantastische ab. Aber nun gut – Logik und Authentizität mal ausgeklammert – überzeugt „Wundbrand“ und garantiert ein großes Lesevergnügen. Fazit „Wundbrand“ von Cilla und Rolf Börjlind hat eine Sogwirkung, der den Leser keine Ausweichmöglichkeiten lässt, also anzufangen und nicht aufhören zu wollen. Diese Reihe ist einer der wenigen, die nicht inflationär erscheinen und die qualitativ das Prädikat „Hochspannung“ nicht nur verdienen, sondern ausleben. Michael Sterzik

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