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Rezension zu
Lust auf Frische!

Tolle Tipps für frische Lebensmittel

Von: magentratzerl
05.02.2019

Wer Essen liebt, verbannt es nicht in den Kühlschrank.“ So. Wir kaufen regional und saisonal, gerne auch bio, achten bei Eiern und Fleisch auf Haltungsbedingungen und Herkunft, reduzieren Plastik und versuchen unseren ökologischen Fußabdruck gering zu halten. Aber jetzt auch noch den Kühlschrank abschaffen? Ist das nicht, sagen wir mal, etwas übertrieben? Genau darum geht es in diesem Buch – Marie Cochard hat damit experimentiert, ihren Kühlschrank abzuschaffen. Die Französin Marie Cochard arbeitet seit zehn Jahren im Journalismus und befasst sich dabei hauptsächlich mit ökologischen Themen; ihre große Leidenschaft gilt einer gesunden und nachhaltigen Lebensführung. In ihrem ersten Buch befasste sie sich damit, was man aus Gemüseschalen alles machen kann – und nun geht es dem Kühlschrank an den Kragen. Warum das denn? Kühlschränke gibt es ja noch gar nicht so lange, und Marie Cochard geht davon aus, dass viele Menschen sie nicht sinnvoll nutzen. Die Technik verführt dazu, mehr Nahrungsmittel zu horten als man verbrauchen kann, und lädt dazu ein, Fertiggerichte im Kühlschrank zu stapeln, anstatt selbst zu kochen; wobei ich sagen muss, dass mir letzteres Argument nicht ganz einleuchten will; Fertiggerichte sind ja hierzulande meist ohne Kühlung haltbar. In Frankreich mag das etwas anders sein, da gibt es eine unüberschaubare Auswahl an gekühlten Fertiggerichten in den Supermärkten. Gut – jedenfalls soll die Abschaffung des Kühlschranks dazu beitragen, wieder bewußter mit Nahrungsmitteln umzugehen und so manche Neuentdeckung zu machen. Und dafür gibt es in diesem Buch eine Menge interessanter Tipps und Rezepte. Das beginnt mit einer gründlichen vorbereitenden Einleitung, in der erklärt wird, welche Behälter sich für das Aufbewahren von Lebensmitteln eignen und wo man sie herbekommt – Marie Chochard ist eine Freundin des Upcycling und empfiehlt das Stöbern auf Flohmärkten, die eine gute Quelle für Korbflaschen, Senftöpfchen oder Weckgläser sind. Sie bricht eine Lanze für die Speisekammer und erklärt, worauf man unbedingt achten sollte, wenn man ohne Kühlschrank auskommen möchte. Es folgen insgesamt sieben Kapitel, die sich jeweils mit einer speziellen Form von Lagerung oder Haltbarmachung von Lebensmitteln beschäftigen: Es geht um Lagerung, darum wie man Wasser nutzen kann (zum Beispiel für Sprossen), um Trocknen und Dörren, um Eingraben und Einhüllen, um das Abtöten von Keimen, ums Fermentieren und ums Einkochen. Die Kapitel sind angefüllt mit Tipps. Manches kannte ich, manches war mir neu. Ein paar Beispiele: die bretonische Butterglocke, bei der Butter mittels Wasser frisch gehalten wird, kannte ich nicht. Unbedingt ausprobieren muss ich – spätestens im nächsten Campingurlaub – den Wüstenkühlschrank: das ist eine Konstruktion aus zwei unterschiedlich großen Lehmtöpfen, in deren Zwischenraum Wasser kommt, das sorgt für Kühlung und hält Obst und Gemüse frisch. Der Wüstenkühlschrank wurde tatsächlich in Nigeria entwickelt, um in afrikanischen Ländern Ressourcen zu sparen. Und könnt Ihr Euch erinnern, früher waren Orangen oft einzeln in so schönes Seidenpapier gewickelt. Das sorgt dafür, dass die Früchte auch ohne konservierendes Wachs oder Chemikalien länger halten. Neu ist mir auch, dass man Birnen mittels Wachs zu längerer Haltbarkeit verhelfen kann: Bienenwachs schmelzen und die Stilenden der Birnen kurz hineintauchen. Das Verhindert das Nachreifen der Birnen und man kann sie gut bevorraten. Die Tipps zu lesen, macht Spaß, denn sie sind abwechslungsreich geschrieben: Es gibt immer ein paar einführende Worte zum jeweiligen Lebensmittel, dann die Anleitung; übersichtlich farbig abgesetzt. Es folgen zusätzliche Tipps, zum Beispiel dazu, wo man die benötigten Materialien möglichst umweltschonend besorgt, und oft auch kleine geschichtliche Exkurse. Was ich besonders nützlich finde, ist, dass bei jedem Verfahren auch noch die Vor- und Nachteile beschrieben werden. In das Buch eingestreut sind zudem Portraits von Menschen, die sich auf eine besondere Art dem nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln verschrieben haben. Da gibt es zum Beispiel Salindra, die keinen Kühlschrank mehr hat und in ihrer Küche eine kleine Kinderstube an immerzu nachwachsendem Gemüse hat, dafür stellt sie einfach die Reste von zum Bespiel Lauch oder Kopfsalat mit ihren Wurzeln in Wasser. Oder es gibt Angèle, die in Paris einen Salon de Thé betreibt. Sie hat ihre Kindheit auf einem Selbstversorger-Bauernhof verbracht, was ihre Haltung zur Ernährung geprägt hat. Sie serviert gerne frische leichte Küche und zieht ganz besonders gern Sprossen. Die Portraits sind in Interviewform dargestellt, es gibt auch von jeder Person ein ganzseitiges Foto. Was mir fehlt, ist bei manchen Menschen die Angabe einer Website zum Weiterlesen oder zumindest der vollständige Name zum Googeln – so wird Angèle als Spitzenköchin bezeichnet, da hätte ich gern noch etwas hinterhergelesen. Am Ende des Buches gibt es noch Tipps, wie man Reste ohne Kühlung aufbewahren kann, wie man Grundnahrungsmittel richtig lagert und auch ein paar Erfinder, die alternative Kühlmethoden entwickelt haben, werden vorgestellt. Noch ein paar Worte zur Optik: das ist ein Taschenbuch mit Fadenheftung. Das Layout ist hell und einladend und wird durch kleine Grafiken und viele Fotos aufgelockert, wobei ich gestehen muss, dass mir die sehr gestylten Bilder von der Autorin und ihrer Tochter ein bisschen zu viel Idylle suggerieren wollen. Schon mal ausprobiert: Manche Tipps sind so einfach, man fragt sich, warum man selbst nicht darauf gekommen ist. Radieschen – ich habe bisher immer das Grün abgemacht und getrennt von den Radieschen in den Kühlschrank gepackt. Viel länger bleibt beides frisch, wenn man den Bund Radieschen schlicht mit dem Grün nach unten ins Wasser stellt. Wasser täglich wechseln nicht vergessen. Bee Wrap, also mit Bienenwachs beschichtete Tücher, sind eine nachhaltige Alternative zu Frischhaltefolie. Kann man kaufen – oder ganz einfach selbst machen: Ihr braucht ein Stück dünnen Stoff – ich habe alte Stofftaschentücher benutzt – und etwas Bienenwachs; bei mir war das ein übriges Stück Kerze. Stoff auf ein Backblech legen- ein weiteres Stück Stoff oder Backpapier unterlegen, damit das Blech vom Wachs verschont bleibt. Das Wachs gleichmäßig über die Oberfläche des Stoffes zupfen (das geht bei gerollten Kerzen sehr leicht), dann alles 5 – 10 min bei 85°C in den Ofen schieben. Herausholen und kurz aushärten und trocknen lassen. Fazit: Doch, ich habe meinen Kühlschrank noch und ich plane auch nicht, ihn abzuschaffen. Aber das Buch finde ich trotzdem nützlich. Zum einen enthält es eine Menge Tipps, wie man noch nachhaltiger mit Lebensmitteln umgehen kann. Nicht alle sind für jeden umsetzbar; für eine Erdmiete zum Beispiel braucht man dann doch einen Garten und nicht jeder hat so einen großen Keller, dass er kiloweise Äpfel durch Weinkorken getrennt in einer Lage in Kisten lagern kann. Mir gefällt einfach, dass der Erfindungsreichtum angekurbelt wird. Und, was auch wichtig ist – Marie Cochard ist nicht als Missionarin unterwegs, ihre Texte sind mit guter Laune und einer Prise Humor gewürzt. Sie will inspirieren, und das ist ihr gut gelungen.

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