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Rezension zu
Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wenn würdige Witwen erotische Geschichten spinne

Von: Katirn
01.03.2019

ie Themen Geschlechterrollen, Selbstbestimmung und Sex beschäftigen mich bei meiner Lektüre häufiger. Der Roman Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen schafft es auf reizvolle Weise, sie alle miteinander zu verknüpfen. Ein Roman über Londoner Inderinnen, die in einem Schreibkurs ihre geheimsten Gedanken zu Papier bringen? So ein Buch muss einfach gut sein! Wie ich  während des Lesens herausfand, hält es zudem noch einige Überraschungen bereit.Nikki ist 22, Londonerin indischer Abstammung und sucht nach ihrem Beinahe-Jura-Abschluss dringend eine berufliche Perspektive. In Ihrem Streben nach Unabhängigkeit hat sie ihre konservativ eingestellte Familie ziemlich vor den Kopf gestoßen. Seit dem Tod ihres Vaters vor einiger Zeit liegt sie besonders mit ihrer traditionellen Mutter ständig im Clinch. Als nun auch noch ihre Schwester Mindi per Heiratsvermittlung einen Ehemann finden möchte, versteht sie die Welt nicht mehr! Eher zufällig entdeckt Nikki am schwarzen Brett des Gemeindezentrums ein Stellenangebot: Leiterin einer Schreibwerkstatt für indische Frauen gesucht. Prompt wittert sie eine Chance, ihren Lebenslauf aufzuhübschen. An ihrem ersten Arbeitstag stellt sich jedoch heraus, dass ihre Kursteilnehmerinnen – mehrheitlich Punjabi-Witwen fortgeschrittenen Alters – wenig Englisch sprechen, geschweige denn schreiben können. Gerade erst hat sich Nikki von dieser Erkenntnis erholt, als sie entdecken muss, dass die Frauen so einige pikante Geschichten auf Lager haben ...Wenn sich die gebildete Nikki zu Beginn selbstbewusst, ja sogar mit einem Gefühl der Überlegenheit vor die Frauen hinstellt, erwartet sie nicht allzu viel von den „alten Tantchen“. Diese Einstellung wandelt sich jedoch im Handumdrehen. Immerhin mag Nikkis Englisch makellos sein, doch ihr Punjabi  lässt einiges zu wünschen übrig. Es ist wunderbar zu lesen, wie trotz des Altersunterschieds und der völlig verschiedenen Ansichten langsam gegenseitiger Respekt und sogar Freundschaft entstehen.Dieser Roman hat meine Erwartungshaltung ziemlich durchkreuzt, denn letztlich war er lange nicht so leichtherzig und humorvoll, wie ich zunächst dachte. Zu Beginn hatte ich nicht damit gerechnet, welch schwelende Konflikte die Handlung um die erotischen Geschichten ans Tageslicht bringen würde. Diese Frauen! Wie können sie es wagen?! Schichten der Wohlanständigkeit blättern nach und nach ab und erlauben so einen Blick auf die indische Subkultur Londons. Dabei sind die Untiefen und Strömungen der Erzählung zunächst kaum spürbar. Anfänglich liegt der Fokus auf Nikki und ihrer Familie, später verschiebt sich dieser und betont immer stärker die herrschenden Konflikte um das klassische Frauenbild.Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich Nikki für modern und aufgeklärt hält, aber als erste vor Verlegenheit rote Ohren bekommen, als die älteren Damen ihre sinnlichen Fantasien schildern. Und die Sexgeschichten der Frauen sind nicht ohne! Da wird leidenschaftlich darüber diskutiert, ob das männliche Geschlechtsorgan eher als Zuccini oder Aubergine zu bezeichnen ist. Wie einfach trügt doch der äußere Schein, nicht wahr? Wie Nikki wird dem Leser in Erinnerung gerufen, dass auch Witwen einmal junge Frauen waren, die viele Erfahrungen gemacht haben oder nach dem Tod des Mannes geheime Sehnsüchte verspüren.Zudem baut sich im Roman ein latentes Gefühl von Bedrohung auf, das ich nicht recht einordnen konnte. So kristallisiert sich mit der Zeit als Nebenhandlung der ungelöste Mord an einer jungen Inderin heraus. Die unerfahrene Kursleiterin und ihre reifen Schülerinnen bekommen ganz schön Gegenwind von ihrem Umfeld zu spüren. Unabsichtlich wird der Schreibkurs zu einem Stein, der die ruhige Wasseroberfläche aufwühlt und Schlamm zutage fördert. Da Nikki sich das Vertrauen der Witwen erst erarbeiten muss, erkennt sie nur langsam, dass etwas nicht stimmt. Die Frauen wissen offenbar mehr – aber niemand redet. Durch all die Geheimnisse im Umfeld entsteht beim Leser unweigerlich eine gewisse Unruhe, die zielstrebig auf ihren Höhepunkt zusteuert.Die in Singapur geborene Autorin Balli Kaur Jaswal hat es meiner Meinung nach geschafft, ein realistisches Bild vom Leben einer selbstbestimmten indischen Frau im heutigen London zu vermitteln. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass viele interessante Themen nur an der Oberfläche angekratzt werden: die Rolle der Ehefrau und Witwe, junge Inderinnen zwischen Tradition und Moderne, die Diversität von Moralvorstellungen oder Integration. Auf der anderen Seite hätte ein wenig mehr augenzwinkernder Humor dem Roman gut zu Gesicht gestanden.Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen hat mich dennoch so richtig bei meiner Leselust gepackt! Ich wurde förmlich in einen gesellschaftlichen Mikrokosmos geworfen, außerhalb dessen es nicht viel anderes zu geben scheint. Angereichert durch Erotik- und Krimielemente ist die Geschichte ein anregendes, freches Vergnügen, das die Stunden nur so dahinfliegen lässt. Katrin Autorin: Balli Kaur Jaswal Buchtitel: Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen Übersetzung: aus dem Englischen von Stefanie Retterbush Verlag: Goldmann

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