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Rezension zu
Kintsugi

Wenn aus “Scheitern” ein “Perspektivwechsel“ werden kann

Von: Michael Lehmann-Pape
05.04.2019

Es ist die Kunst, aus zerbrochenen Gefäßen wieder ein „heiles“ Gefäß zu gestalten. Mit einer gravierenden Besonderheit, die Navarro fast spielerisch leicht und einsichtig auf das Lebend es Menschen überträgt. Statt, wie es vielleicht professionelle Restauratoren weltweit angehen würden, allen Ehrgeiz darauf zu legen, dass das Gefäß, das Schmuckstück, nachher „wie neu“ aussieht, als wäre nie ein Schaden vorhanden gewesen, legt die Kintsugi Meister gerade auf das Gegenteil wert. Die „Hervorhebung“ der Bruchstellen durch eine „Veredelung mit Gold. Das fast künstlerische Ausschmücken jenes ehemaligen „kaputt-Seins“, dem nun „neues Leben“ ermöglicht wurde mit „stolzer Form der Hinweise“ auf erlittene Schäden. In einer Zeit und Welt, in der Scheitern und Verlieren eher als Makel gelten, in denen das „Image“ scheinbar deutlich wichtiger ist als das „Sein“ dahinter, in der Schwächen tunlichst nicht gezeigt werden wollen, damit diese nicht ausgenutzt werden, folgt das Kintsugi und Navorra in seiner Übertragung auf das emotionale Wohlbefinden des Menschen einer anderen Orientierung. Dass Scheitern, Krisen, Brüche im Leben, das Liebeskummer, Trauer, Verluste der eigenen Perspektive oder des eigenen Rahmens (was die Arbeit angeht) zwar zerstörerisch empfunden werden können, andererseits aber immer noch die gleiche Person mit den gleichen Stärken und Schwächen ja vorhanden ist. So ist es tatsächlich möglich, die eigene, innere Bewertung von Situationen und Krisen zu verändern und als „Perspektivwechsel“ zunächst bewertungsneutral zu kennzeichnen. Schaute man vielleicht gestern noch „von oben“ aus vermeintlich sicherer Perspektive auf die Welt, schaut man, wenn Verluste erlitten werden mussten, dann eben „von unten“ die ganze Sache mal an. Mit der Überzeugung, dass jede Perspektive ihre Berechtigung hat und der „Ist-Zustand“ der „neuen Situation in der Krise“ auch nur als ein Ausgangspunkt für eine neue Wendung im Leben begriffen werden könnte. So schwer das, verständlicherweise, in solchen Situationen emotional auch fällt. Um dann, in der Bewältigung konkreter Krisen, die Schrammen und Wunden, die Narben und Verletzungen, eben nicht ständig zu verbergen, sondern zunächst die eigene Verletzung durchaus zeigen zu können und, im Nachgang, die Kerben und Wunden als Teil der eigenen Stärke und gewonnenen Lebenserfahrung „zu präsentieren“. Vor allem sich selbst. So verbindet sich die japanische Kunst der Keramikreparatur mit der emotionalen Herangehensweise an Schläge und Krisen des eigenen Lebens, mit der „Reparatur der eigenen Emotionen“. So wie „reparierte Keramik“ als Symbol für Zerbrechlichkeit, Stärke und weiterhin Schönheit (in veränderter Form) steht. Wie also emotionale Verletzungen geheilt werden können, wie man aus Krisen gestärkt hervorgehen kann, wie ein „zerbrochenes Leben“ wieder sich „zusammenfügt“, das alles zeigt Navorra in ruhigem Ton mit erkennbarer Erfahrung auf und bietet so einen ganz anderen, wohltuenden, heilenden Blick auf Krisen und Scheitern, die das menschliche Leben immer ereilen können. Eine sprachlich flüssige und inhaltlich hochinteressante Lektüre.

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