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Rezension zu
Eine Odyssee

Eine Odyssee: Mein Vater, ein Epos und ich (Rezension)

Von: Im Gegenlicht
16.04.2019

„Geschichten sind alles, was wir haben“, sagt einer der bedächtigeren Wikingerkönige in der erfolgreichen TV-Serie „Vikings“. Sobald Menschengruppen eine Größe annehmen, in denen sich nicht mehr jeder persönlich kennt, sind gemeinsame Mythen, Sagen, eben Geschichten, der soziale Kitt, der ein gedeihliches Zusammenleben ermöglicht. Und spätestens seit Darth Vaders „Nein Luke, ich bin dein Vater!“ wissen wir, dass die besten Geschichten Familiengeschichten sind. Einer der klassischen Grundlagentexte abendländischer Kultur, Homers Odyssee, lässt sich ganz wunderbar als Vater-Sohn-Geschichte lesen: Auf der einen Seite der abwesende Vater, der Held Odysseus, dessen Listenreichtum im Trojanischen Krieg längst der Stoff von Legenden ist, auf der anderen Seite der verlassene Sohn, Telemachos, der in der Pflicht steht, seine Mutter Penelope vor den drängenden Freiern, die am Königshof in Ithaka ungehemmt zechen, zu schützen und den großen Fußstapfen des Vaters irgendwie gerecht zu werden. Die Homerischen Gesänge sind, in ihrem ganzen Reichtum an Deutungsebenen und Querverweisen, ein schier unendlicher Schatz existentiell-menschlicher Reflexion. Und speziell in der Odyssee liegen erstaunlich viele Themen verborgen, die in der 4.000 Jahre späteren Gegenwart ungemein resonieren: Identität, Heimat, familiäre Strukturen und Rollenbilder, das wechselseitige Verhältnis von Dichtung und Wahrheit, um nur einige zu nennen. Den Vater-Sohn-Komplex, als die das Epos auch gelesen werden kann, nimmt der Philologe Daniel Mendelsohn zum Anlass, das Verhältnis zum eigenen Vater zu reflektieren. Durch die gemeinsame Seminarlektüre, durch eine gemeinsame Kreuzfahrt auf den Spuren des „Schmerzensmanns“ Odysseus, durch unzählige Gespräche, Rückblicke, Anspielungen und Assoziationen wird der Leser auf sprachlich höchst ansprechende Weise Zeuge einer Wiederannäherung, letztendlich eines wechselseitigen Verstehens, einer Odyssee der Gefühle und der Gedanken. Am Ende ist man nicht nur belesener, sondern auch beseelter. Geschichten sind wirklich alles, was wir haben. Und das ist so unglaublich viel.

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