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Rezension zu
HERKUNFT

Von Višegrad nach Heidelberg

Von: nocheinbuch
23.04.2019

Saša Stanišićs Geburtsstadt Višegrad ist der Ort in "Die Brücke über die Drina" von Ivo Andrić, der Ort, an dem über Jahrhunderte Menschen unterschiedlicher Ethnien und Religionszugehörigkeiten mehr und auch weniger friedlich nebeneinander lebten. Gegenwärtig haftet jeder Ecke eine Erinnerung der ethnischen Säuberungen an, denn das vor allem von Tito zusammengehaltene Jugoslawien zerbrach in den 90er Jahren endgültig nicht nur in Einzelteile, diese schnitten sich dabei noch die Kehle durch. "Jede Herkunft konnte die falsche sein." . Im Gegensatz dazu sind die Teile in Stanišićs neuem Buch "Herkunft" ein ineinandergreifendes Potpourrie an Versatzstücken, Einschüben, wiederkehrenden Erzählsträngen. Seine nun an Demenz erkrankte Großmutter, jahrzehntelang Višegrad in sympathischem Mafiosostil in der Hand habend, ist der rote Faden, während wir nicht chronologisch sein 1992 in Bosnien gekapptes Leben, wie auch das seiner Eltern, in Heidelberg neu starten sehen (oder eben an der Aral-Tankstelle, parallel zur internationalen Gesamtschule), ergänzt von Vergangenheitszitaten wie Rostock-Lichtenhagen, Roter Stern Belgrad auf dem Gipfel des europäischen Fußballs und der Gegenwart mit den letzten Flüchtlingsbewegungen über die nun geschlossene Balkanroute und so unglaublich vieles mehr. . Tragisches, ja Dramatisches verhält sich leise in "Herkunft", aber keineswegs blass. Auf die Menschen blickt Stanišić warm, zugeneigt und sein mal präzises, dann sich beinahe verlierendes Erzählen von Abläufen und Gegebenheiten lässt beim Lesen lächeln und traurig sein, Abstruses blinkt auf. Poetisch klingt das oder lakonisch, auch witzig, wie er berichtet, erinnert, fabuliert - autofiktional, biografisch, romanhaft, sich aus dem Fantasygenre bedienend, eine Familienchronik auffächernd. . Migration ist Stanišić nach gängigen Normen gut gelungen - wir halten hier sein viertes, in deutscher Sprache verfasstes Buch in der Hand, Sprache, die er anmutiger, gekonnter als so ziemlich jeder nutzt. Nach dem großartigen Roman "Vor dem Fest" ist "Herkunft" ein tolles Folgebuch, auch wenn Literatur laut ihm nur ein schwacher Kitt ist für eine zerrissene Familie. Warum? Lest selbst.

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