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Rezension zu
Gott wohnt im Wedding

...nix für "Zwischendurch": Eine berührende Geschichtsstunde!

Von: Andreas Kück - LESELUST
01.05.2019

Das alte Haus im Wedding knackt… …und lauscht den Geschichten der Menschen, die in seinen Wänden nun wohnen, und erinnert sich an seine eigene Geschichte mit all den Menschen mit ihren Schicksalen, die in seinen Wänden gewohnt, gelebt und geliebt haben. Es ist erstaunt, wie eng diese Schicksale miteinander verknüpft sind – für die Menschen manchmal nicht begreifbar… Das alte Haus im Wedding knarrt… …und blickt auf Laila Fidler, einer jungen Sintiza, die in sein Hinterhaus gezogen ist, nichtsahnend, dass ihr Vorfahren ebenfalls hier einmal Zuflucht gefunden haben. Laila, die mit ihrer Familie als Spätaussiedler aus Polen nach Deutschland gekommen ist, fühlt sich zerrissen: Ist sie eine Deutsche? Ist sie eine „Zigeunerin“? Wohin gehört sie? Sie hadert mit ihrer Herkunft und verschweigt sie lieber aus Angst, geächtet zu werden. Sie ist eine Vertriebene in der eigenen Heimat… Das alte Haus im Wedding stöhnt… …und erkennt in dem alten Mann, der seit einigen Tagen unter seinem Torbogen steht, Leo Lehmann wieder, der in den Jahren des Nationalsozialismus als Jude untertauchen musste und mit seinem besten Freund Manfred Neumann im Untergrund operierte. Mit dem Mut und der Kraft der Verzweifelten kämpften sie ums Überleben, bis Manfred hier in der Wohnung von Gertrud Romberg verhaftet wurde. Leo überlebte und wanderte nach Israel aus. Nun ist er nach Jahrzehnten wieder in Berlin in Begleitung seiner Enkelin, die in dieser Stadt ihre Zukunft sieht… Das alte Haus im Wedding knarzt… …und schaut voller Sorge auf Gertrud Romberg, die seit ihrer Geburt hier lebt. Sogar die traumatischen Geschehnisse rund um die Verhaftung von ihrem geliebten Manfred konnten sie nicht zum Wegzug bewegen. Wo sollte sie auch hin? Jetzt ist es zu spät: Sie ist alt! Doch die neuen Investoren des Hauses möchten sie gerne loswerten, aber sie wird sich nicht vertreiben lassen. Wenn sie stirbt, dann hier in diesem Haus im Wedding… Das alte Haus im Wedding brennt… …und muss so dem Fortschritt weichen. Aber ist Fortschritt nicht auch nur eine andere Form von Vertreibung? Die Figuren in Regina Scheers Roman sind allesamt Flüchtende: Sie fliehen vor Bedrohungen wie Krieg und Verfolgung. Sie fliehen vor Armut und Unterdrückung. Sie fliehen aber auch vor der eigenen Geschichte. Und doch suchen sie alle eine Identität und ein kleines Stückchen Heimat, eine Ahnung von „zuhause sein“. Diese Sehnsucht nach Heimat und das Gefühl der ständigen Entwurzelung formen die Seelen dieser Menschen. Sehnsucht: Endlich angekommen sein! Regina Scheer packte mich als Leser emotional am Schlafittchen und rüttelte am Fundament meiner Existenz. Eine spürbare Trauer durchzieht diesen Roman und lässt mich nachdenklich zurück. Bei der Lektüre schwirrten mir immer wieder Fragen durch meinen Kopf: „Was bedeutet Heimat für mich?“ und „Was wäre ich, wenn ich plötzlich heimatlos wäre?“. Ich musste dann die Lektüre unterbrechen, Luft holen, Gedanken ordnen…! Trauer…! …und doch verlässt uns der Roman auch wieder mit dem Funken der Hoffnung nach einem Neubeginn: Das alte Haus im Wedding ist nun Geschichte! Aber eine neue Geschichte beginnt…!

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