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Rezension zu
Mein Name ist Judith

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Hochkaratisch-literarisch gegen das Vergessen

Von: AnnaikasBooks
01.05.2019

Drei Buchstaben und eine Interpunktion beschreiben ganz gut, was ich während und nach dem Lesen von Mein Name ist Judith gedacht habe: WOW! In diesem Wort steckt je nachdem, in welchem Kontext es verwendet wird, eine andere Aussage. So kann Trauer, Wut, aber Freude darin stecken. In dem Kontext des Buches ist es für mich eher Sprachlosigkeit. Mein Freund würde es wahrscheinlich als „harten Tobak“ bezeichnen und ich würde ihm da eindeutig zustimmen. Nach dem Anschlag, wo sich jemand aus politisch-religiösen „Überzeugungen“ in die Luft gesprengt hat, in Wien sind zwei Jahre für León vergangen. Er lebt immer noch in der Wohnung, wo er vorher mit Frau und Kind gewohnt hat. Diese liegt in einem alten Haus über einem kleinen Lebensmittelladen, welcher früher eine von Juden geführte Buchhandlung war. Als studierter Historiker wollte er schon immer ein Buch schreiben und stößt durch Nachbarn auf die Geschichte der Familie Klein, macht die Kinder und Enkel der ehemaligen Buchhändler ausfindig und freundet sich mich diesen an. Im Endeffekt sind das die beiden wichtiger Handlungsstränge, die das Buch bestimmen. Wenn ich jemanden persönlich von dem Buch erzähle frage ich an dieser Stelle: „Was fällt dir auf?“ Tja, was fällt denn auf? Wir haben zwei verschiedene Jahrhunderte. Einmal wird die Geschichte einer jüdischen Familie mit ihrer Flucht und ihrem Leben im Exil erzählt. Dann haben wir unsere heutige Zeit, wie sie vielleicht in zwei/drei Jahren aussehen könnte. Es passiert nicht wieder dasselbe wie zur Nazizeit, aber: Ausländerhass steigt wieder; viele Menschen leben in Angst; durch ein paar „Menschengruppen“ und deren Ansichten gegenüber anderslebenden Menschen sterben viele. Was mich daran erschreckt hat, ist die Tatsache, dass es tatsächlich passieren kann. Die geschilderte Atmosphäre und Situation kann schnell auftreten, damit auch die Angst. Das ist das eine was auffällt. Das andere, was auffällt, ist die Darstellung in der Sprache: Die Geschichte wird aus Leóns Sicht erzählt. Wir finden hier zwar die Ich-Perspektive, aber er gibt sein Erlebtes nur aus seiner Sicht wieder. Dadurch gibt es keine direkte Rede. Der Charakter León erzählt uns als Leser also seine Erinnerung an das Erlebte und bewertet es somit indirekt. Am Anfang war das tatsächlich etwas schwer für mich, aber ich fand diesen Erzählstil echt verdammt genial! Für mich wirkte das dadurch, auf gewisse Weise, ehrlich. Wie wenn mein Opa mir aus seiner Kindheit erzählt und dabei Gespräche wiedergibt. Leóns Verzweiflungs, dass er nicht weiß, wo er mit seiner Trauer hin soll, gepaart mit der Erscheinung von Judith Klein, der vermissten Tochter der Buchhändlerfamilie, gibt der Geschichte die genaue Parallele zwischen den Zeiten, den Geschehnissen und der Wiederholung. Außerdem wurde auf mich oftmals der Eindruck vermittelt, dass zwischen dem Wirklichem und der Einbildung nicht unterschieden werden kann. Wie weit kann man das auch nach einem traumatisierten Ereignis? Ein wirklich hochkaratisch-literarischer Roman, der lange in einem nachklingen kann. So werden mir auch jetzt immer noch einige Dinge bewusst, die ich beim Lesen noch nicht wahrgenommen habe. Der Inhalt vermittelt ein wichtiges Thema, welches auf sensible, aber dennoch eindringliche Art aufgezeigt wird. Einfach grandios! Ein kleines Manko habe ich jedoch und den möchte ich an der Stelle nicht unerwähnt lassen: Wer, wie ich, denkt, dass die Geschichte der Familie Klein und auch von Judith im Vordergrund steht, irrt. Ja, ich dachte, dass am Ende alles aufgeklärt ist, aber so ist es nicht und das macht es umso ehrlicher, weshalb ich mit einem Zitat jetzt ende: "Warum fällt es mir so schwer, den Namen Auschwitz auszusprechen?"(Horváth, Martin: Mein Name ist Judith, München: Penguin Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH 2019, S.117)

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