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Rezension zu
Unorthodox

Ausbruch

Von: Bri
04.05.2019

Unorthodox – das ist das Leben von Deborah Feldman lange Zeit nicht. Im Gegenteil, denn sie wächst in der ultraorthodoxen chassidischen Satmar Gemeinde in Williamsburg (New York) auf, einer Gemeinschaft, in die man von außen nicht reinkommt und die sich aus Gründen abschottet. Sogar vor anderen jüdischen Gemeinden. Ziel ist ein gottgefälliges Leben, denn die Satmar sehen den Holocaust als Strafe Gottes. Wie streng ein solches Leben sein kann, kann man sich, ist man nicht mit solch fundamentalistischen Glaubenssätzen aufgewachsen und hat man das Privileg, sich aus allerlei spirituellen Strömungen die geeignete aussuchen zu können, nicht ansatzweise vorstellen. Doch glücklicherweise hat Deborah Feldman es gewagt und ihre Erlebnisse innerhalb dieser Gemeinschaft zu Papier gebracht und sich ein freies, selbst bestimmtes Leben aufgebaut. Mit großem, ungebrochenen Erfolg. Deborah Feldman beginnt ihr Buch mit ihrer Kindheit bei den Großeltern in Williamsburg. Der Vater scheint sich nicht gebührend um die Tochter kümmern zu können, ihre Mutter hat die Gemeinde vor langer Zeit verlassen. Schon in frühester Kindheit wird Deborah mit Regeln zugeschüttet. Infrage stellt sie diese zunächst nicht, wie auch, sie kennt ja kein anderes Leben. Bildung wird nur ansatzweise vermittelt, Bücher gibt es quasi nicht. Doch sie schafft es, sich einen Bibliotheksausweis erstellen zu lassen und versteckt die ausgeliehenen Bücher nachts unter ihrer Matratze. Natürlich besucht sie eine entsprechende Mädchenschule – denn Mädchen und Jungen haben keinerlei Berührungspunkte zu haben – an der sie, nachdem sie sie erfolgreich abgeschlossen hat, auch unterrichtet. Ein wenig erinnert Deborah Feldman an Eve Harris und deren Roman „Die Hochzeit der Chani Kaufman“ – was jedoch nicht weiter verwundert, wenn man weiß, dass auch Eve Harris aus einem chassidischen Umfeld stammt. Sowohl Feldman als auch Harris sind Nachfahren von Holocaust Überlebenden.Beide zeigen die weibliche Sicht des ultra-orthodoxen Glaubens, der Frauen nicht gerade auf Rosen bettet. Allerdings zieht Feldman striktere Konsequenzen daraus. Sowohl Harris Protagonistin als auch Feldman selbst gehen in arrangierte Ehen. Feldman allerdings ist erst 17 Jahre alt und die Welt, die sie hier beschreibt, ist so weit von der Welt entfernt, in der die meisten ihrer Lesser*innen wohl leben, dass die Lektüre zu einer atemlosen, ungläubigen wird. Nicht, dass man sagen wollte, meine Güte, wie gut haben wir es doch in einigermaßen aufgeklärten, in Ansätzen teilweise gleichberechtigten Gesellschaften. Nein, im Gegenteil. Wie schrecklich unmenschlich – denn das sind die Regeln der Satmar – müssen die Gemeindemitglieder solcher Gemeinschaften zum Teil leben. Das lässt sprachlos zurück. Feldman gelingt es, auszubrechen und sich ein freies Leben aufzubauen. Es kostet sie einiges, doch der Preis ist gemessen an den neuen Möglichkeiten gering. Ihre Schilderungen sind präzise, detailiert, sachlich aber dennoch nicht emotionslos. Sie muss viel über sich und ihre Welt nachgedacht haben, ein äußerst reflektierter Mensch sein und vermag es großartig, anderen Menschen dies mitzuteilen. Hut ab vor dieser Kraft, die Beschämungen und Einschränkungen verarbeitet hat und ein Aufbrechen möglich machte. Eindeutige Leseempfehlung, dennoch die Warnung: die Schilderungen sind teilweise nichts für zarte Gemüter.

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