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Rezension zu
Bad Feminist

Amen!

Von: Janna | KeJas-BlogBuch
12.06.2019

Ich liebe dieses Buch! Ich stimme vielleicht nicht in allen Punkte mit der Autorin überein, aber das muss ich auch nicht, um es begeistert lesen zu können. Roxane Gay hat so viel Wichtiges zu sagen und es ist so viel mehr, als es der Titel hergibt. Feminismus steht im Mittelpunkt, doch die Autorin schreibt auch von weiteren Themen. Rassismus, Transgender, Gewalt – und vor allem über unsere Gesellschaft, unseren Einfluss auf diese Themen. Was tun wir oder was tun wir eben nicht?! Und sie schließt sich nicht aus, entzieht sich nicht, sondern bezieht sich mit ein, schreibt, „Wir sind unserer Verantwortung für euch nicht gerecht geworden, als …“ (S. 241-242) – ein Abschnitt der Gänsehaut entstehen lässt, einer von vielen! Die Autorin schreibt von unserer Verantwortung der jungen Generation gegenüber, von unserer Verantwortung, welches Frauen- und Männerbild durch unser Verhalten entsteht. Beispiele anhand von Szenen die nicht im Stillen geschehen sind, sondern (fast) stillschweigend hingenommen wurden. Ein autobiographisches Sachbuch. Sie schreibt ihre Gedanken zu all den aktuellen Themen um den Feminismus auf, ohne jedoch den Leser*innen ihre Sicht überzustülpen. Und sie nimmt sich nicht aus, nie. Sie hinterfragt sich selbst und verführt dadurch sich selbst zu hinterfragen und zu reflektieren. Ihr geht es nicht darum was guten Feminismus ausmacht, ihr geht es um das sich bewusst machen der Problematiken unserer heutigen Zeit. Der Feminismus als Karikatur, denn das ist es geworden und sie zeichnet diese Bild wundervoll, um im Anschluss die eigentlichen Grundpfeiler des Feminismus wieder in Erinnerung zu bringen und sie zeigt auf, wo der Feminismus noch Schwächen hat. "Frauen of Color, queere Frauen und Transgender-Frauen müssen im feministischen Projekt besser verankert werden." (S. 10) Während Felicia Ewert vom Mainstream Feminismus spricht, ist es bei Roxane Gay der Ideal-Feminismus. Diese beiden Bezeichnungen zeigen was unserer Bewegung fehlt und es ist so verdammt wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen! Dafür sind weder Bücher, Filme, Serien, Kunst oder Personen der Öffentlichkeit vor Roxane Gay sicher! All ihre Beispiele sind fundiert recherchiert und in Einzelteile zerlegt worden – immer mit dem Blick auf sich selbst. Lieder die sie mitsingt, Zeitschriften die sie durchblättert, Bücher die sie liest. Sie beschreibt sich, ihr Leben, ihre Gedanken, ihre Erfahrungen als Frau und als Schwarze Frau. Sie macht aufmerksam. Sie kritisiert. Sie öffnet die Augen. In einem ihrer genannten Filmbeispiele wird über 100, ü.b.e.r h.u.n.d.e.r.t Mal ein Wort genutzt, welches damals und heute ganz klar eine rassistische Stellung aufweist. Und wie die Autorin es auch im Buch geschrieben hatte, diente es im Film an keiner Stelle zur historischen Skizzierung. Ebenso befasst sich die Autorin mit der Filmszene im Allgemeinen. Wenn sie aufzeigt, wer Mehrheitlich die Rollen der Bediensteten in Filmen spielt, muss ich immer wieder erkennen, wie viel unsere Gesellschaft noch zu (er)lernen hat! „Race & Entertainment“ ist ein Teil des Buches, in der sie sich nicht nur mit dem (heutigen) Frauenbild auseinandersetzt, sondern auch den immer noch bestehenden Rassismus aufzeigt. Dank diesem Abschnitt habe ich einen anderen, sensibilisierten Blick darauf! Ebenso dient ihre Vielzahl an Buch- und Filmbeispielen (Serien) dazu, die Problematik des heutigen Frauenbildes aufzuzeigen. Es wird sich lustig über uns gemacht, wir werden verzehrt dargestellt, eindimensional und klischeehaft. Von nicht bestehender Diversität in Film und Literatur mal ganz zu schweigen! Ich weiß nicht wo ich beginnen und wo ich enden soll, denn Roxane Gay spricht vielerlei wichtige Punkte an, beginnend bei ihrem Satz das wir Frauen viel erreicht haben und dennoch nichts. Wir sind immer noch weit entfernt von der Gleichberechtigung, wenn … … ein Mann im gleich Beruf mit der gleichen Stellung immer noch mehr verdient als eine Frau, dann sind wir noch weit entfernt von der Gleichberechtigung! … Frauen in Führungspositionen immer noch Fragen zur Familienplanung und Mode beantworten sollen! Wir sollten stolz sein auf das, was wir bislang erkämpft haben, uns damit aber nicht zufrieden geben! Denn wie man an den eben nur zwei genannten – von unzähligen – Beispielen deutlich erkennen kann, gilt es noch viel zu verändern! Hinzu kommt das junge Mädchen und Frauen zwischen Modepüpchen und Hungerhaken auf den Laufstegen, sich selbst finden, gegen den Strom schwimmen und für ihr Recht eintreten sollen. Sobald wir dies jedoch tun, gelten wir als emotionslos und unsympathisch. Schaut man nun auf die Literaturbeispiele der Autorin ist Frau dann so richtig am A****, denn unsympathische Frauen sind unausstehlich. Oder? Dieser Frage ist die Autorin nachgegangen und die Antwort ist leider wenig überraschend und dennoch erschreckend! Während bei unsympathischen Männern von Antihelden gesprochen wird, sind unsympathische Frauen in aller Munde, unrealistisch und sie zerstören die eigentliche Geschichte. Das Frauen und Männer gleichermaßen, in der Realität sowie der Fiktion, unbeliebt sind, sein sollen und auch dürfen, verschweigen wir einfach mal in Kritiken zu Bücher, Filmen und Serien. Männlichen Rollen die aus der Norm fallen oder negativ auffallen, werden (hoch) gelobt, als Meisterwerke bezeichnet oder in abgeschwächter Form kritisiert. Warum gilt dieses Recht nicht auch für die weiblichen Rollen? Weil alles schön in die Schublade passen soll und Frauen sollen doch bitte hörig und unterwürfig sein – warum sonst erfreuen sich „Twilight“ oder „Fifty Shades Of Gray“ solcher Beliebtheit?! Wir (Frauen und Männer) stagnieren nicht. Wir brechen mit der Rollenverteilung innerhalb von Berufen und Beziehungen und doch ist der Graben noch unüberwindbar und das auf mehreren Ebenen. Frauen werden in Bewerbungsgesprächen nach ihrer Kinderplanung befragt, was mal am Rande erwähnt nicht rechtens ist. Frauen sind angeblich allesamt unausstehlich, wenn die Periode einsetzt. Die Mehrheit der Menschen ist der Meinung, alle Frauen würden heiraten und Mutter werden wollen. In vielen Berufen wird einem Mann eher die höhere Stelle zugetraut als der Frau (entweder hat man das Pech bereits Mutter zu sein, oder man hat das Pech eine Frau zu sein – denn eine Frau will ja irgendwann Kinder und fällt somit öfter aus … bla bla bla). Das sind nur zwei, drei Punkte, die uns als Frau in unserem Alltag begegnen. Und wenn wir gegen diese Punkte argumentieren, sie widerlegen, dann sollen wir uns doch bitte nicht so anstellen. Aber das tun wir ja eh immer und grundlegend – wenn uns ein Mann anschaut, seine Aufmerksamkeit auf uns richtet, uns nahe kommt … das was sich als Szenario nun in manchen Köpfen weiterentwickelt, schnürt die Luft ab. Aber die gängigen Reaktionen auf eben jene Situation(en) sind immer Übertreibung oder gar Hysterie. Und wenn nicht das, dann sind wir Frauen halt prüde und würden einen angeblichen Flirtversuch nicht mal erkennen, wenn … (hier darf der Satz nach Belieben und Erfahrung ergänzt werden). Genau das ist es, womit sich die Autorin ab Seite 171 intensiv auseinander setzt und in ihren Texten zuvor und auch im späteren Verlauf immer wieder mit einfließen lässt. Sexuelle Gewalt ist überall zu finden: Songtexte, Bücher, Filme, Serien, Nachrichten, Kunst, etc. und es ist ein Teil der Unterhaltungsbranche geworden. Computerspiele in denen Missbrauchsszenen gespielt werden können, Filme und Bücher, die sich solcher Szenen bedienen und angebliche Spannung zu erzeugen. Und dann kommen noch Nachrichtensprecher wie im Beispiel von Roxane Gay daher, die sich mehr Sorgen zu den Tätern (JA, Mehrzahl!) macht, als an die Überlebende zu denken! Rapper, die uns Bitches zeigen wollen, was „echte Männer“ können. Von all den Vergewaltigungswitzen mal abgesehen – und mal ganz nebenbei: WAS ist daran witzig? Was für ein kleines Würmchen müssen die Menschen sein, die sich am Schmerz und Leid anderer erfreuen, aus ganzem Leibe darüber lachen … Hinzu kommt all die Literatur die Mädchen und Frauen suggeriert, dass es okay sei, wenn der Partner die Kontrollen haben will, seine Macht ausübt um die Partnerin klein zu halten und „dieser Ton verstärkt die kulturellen Botschaften, die Frauen schon überall zu schlucken haben, Botschaften darüber, was sie in Liebesbeziehungen tolerieren sollen, was sie zu tolerieren haben, um von ihren Märchenprinzen geliebt zu werden.“ (Seite 266). Uns wird und soll das Recht abgesprochen werden, über unseren eigenen Körper zu entscheiden! Wir sollen dankbar sein, wenn wir die Aufmerksamkeit eines Mannes erhalten. Wir sollen dankbar sein über jede Schwangerschaft die im Zuge einer sexuellen Begegnung entsteht bzw. entstehen kann, ohne selbst darüber zu entscheiden, ob wir diesen Lebensweg gehen wollen oder nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Begriffe wie „legitime Vergewaltigung“, „ehrliche Vergewaltigung“ und „Notfall-Vergewaltigung“ ein Teil unserer Sprache sind. Wir leben in einer Welt, in der zuerst die Überlebende gefragt wird, wie viel sie getrunken habe und welche Kleidung sie trug. "Und wir sehen uns das als Spektakel an, im Fernsehen und anderswo." (S. 210) Das muss aufhören! Missbrauch und Misshandlung sollten nicht als Einschaltquote dienen, nicht dazu dienen, um eine Frauenrolle in Film und Literatur (erst) stark werden lassen zu können – aus so vielen Gründen muss dies beendet werden!! Dies ist nur ein kleiner Teil von dem, was Roxane Gay zu sagen hat! Dieses und ähnliche Bücher, sollten Texte sein, die in Schulen gelesen, besprochen und bearbeitet werden. Ebenso findet sich hier ein mehr als perfekter Abschnitt (intensiv ab Seite 223) zum Leseprojekt #WirLesenFrauen, bei dem die Autorin auf die Schwächen der Wahrnehmung von Autorinnen (weiblich!) in der Literatur hinweist. Roxane Gay nimmt den Ausdruck „bad feminist“ (schlechte Feministin) für sich in Anspruch, weil sie ein Mensch und somit von Natur aus unvollkommen ist, so wir alle. Und dafür liebe ich ihr Buch – weil sie mit den Klischees des Feminismus aufräumt und wieder das in den Fokus rückt, worum es in dieser Bewegung geht! Ein Buch das ist ich nicht mehr missen möchte und ich hätte die Hälfte zitieren können, wenn nicht gar mehr. So viele Post-its habe ich während des Lesens schon lange nicht mehr genutzt – so viel unterstrichen, so viele Randnotizen meinerseits darin. Roxane Gay sagt, sie ist lieber eine schlechte Feministin als gar keine und wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung dieses Wort erhalten hat, so unterschreibe ich diesen Satz! Ich bin alles andere als eine gute oder perfekte Feministin, aber ich bin eine! "Ich bin die Art Feministin, die entsetzt ist über den Begriff >>legitime Vergewaltigung<< […]" (S. 411)

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