Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Eine Odyssee

Denn Philologie heißt Liebe zur Sprache

Von: Marysol
15.06.2019

Als begeisterter (griechische) Mythologie-Leser, jedoch nicht des (Alt-)Griechischen mächtig, reizte mich dieser Titel sofort, als ich von ihm las. Nach der Leseprobe war ich allerdings skeptisch und unentschlossen - auf Grund des, bereits auf den ersten Seiten, verschachtelten Erzählstils könnte dieses Buch entweder genial oder unnötig akademisch-komplex werden. Ich habe mich aber entschieden, dem Buch eine Chance zu geben... ... und das nicht bereut! Denn auf etwa 350 Seiten entwirrt der Autor nicht nur die 12.110 Verse der Odyssee, sondern verstrickt diese 10 Jahre Abenteuer Odysseus´ gekonnt mit seinem Leben, dem seines Vaters und anderen Familienangehörigen. Dabei gelingt ihm etwas wunderbares: Er entstaubt dieses über 2500 Jahre alte Epos nicht nur, sondern zeigt auf, dass Geschichte lebt. Was früher die Menschen bewegte, bewegt sie noch immer. Identität, Liebe, Vertrauen und Verrat, Kampf, Tod und Beziehungen beschäftigen Menschen aller Epochen. Dieses Buch verlangt Konzentration - nicht nur ob der Wissensfülle, die Mendelsohn zur Odyssee, ihrem Aufbau, "Autor" Homer, Stilmittel und Sprachbilder während seines Seminars bespricht, sondern insbesondere wegen des unkonventionellen Erzähl- und Schreibstils. Ganz wie die Odyssee, ist auch die Begleitgeschichte keine stringent erzählte, sondern folgt Irrungen und Wirrungen der antiken Erzählung, springt vor und zurück, erklärt erst zu späterem Zeitpunkt Ereignisse und ihre Bedeutung. Passend zur aktuellen Leseposition in Homers Werk und den Debatten der Studieren: Anekdoten aus Daniel Mendelsohns Kindheit, Anmerkungen seines Vaters, gemeinsame Erinnerungen, Anspielungen auf Familiengeheimnisse und Verbindungen zur gemeinsamen Odyssee-Kreuzfahrt. Buch im Buch im Buch - mithilfe dieses Romans kann man nicht nur die Odysee (besser) kennenlernen und das Leben der Protagonisten aus der Jetztzeit erforschen, sondern bekommt quasi einen Lektüreschlüssel zum antiken Werk - man muss sich natürlich nicht an diese vorgegebene(n) Interpretation(en) halten, sondern kann seine eigene bilden. Ich hätte die Bedeutungen einzelner Szenen und Stilmittel auf keinen Fall so erfassen können; zumal ich ja auch des Griechischen nicht mächtig bin. Das Buch ist also eine Zusammenfassung, ein Lektüreschlüssel und zugleich auch ein eigenständiger Roman und zugleich alles auf einmal. So gerne ich auch lesen, durchaus auch Klassiker und Anspruchsvoll(er)es - Literaturwissenschaften, Philologie ("Liebe zur Sprache"), Germanistik und Ähnliches wäre ja gar nichts für mich. Dieses viele Analysieren, diese Ungewissheit, diese Stilmittel... Umso überraschender und beeindruckender war für mich, wie sehr Mendelsohn mir die Liebe zu seiner Disziplin nahbringen und verständlich machen konnte, ohne dass ich das notwendigerweise auch studieren wollen würde. Aber es gelingt ihm eben, indem er mir als Leser das eigenständige Grübeln größtenteils abnimmt und eine Interpretationsrichtung vorgibt, die Gedanken anstößt, das Wunder der Sprache zu offenbaren. Wie genial bestimmte Stilmittel und Bilder zu einer Absicht passen, wie subtil und zugleich offensichtlich etwas angedeutet werden kann, wie eloquent man etwas ausdrücken kann, ohne es dabei gesagt zu haben... FAZIT: Mehr als nur eine fantastische Lesehilfe für die Odyssee; ein Interpretationsangebot, das mit spannenden Einsichten und Verknüpfungen belohnt, wenn man sich dem verworrenen Schreibstil und komplexen Erzählungsaufbau hingibt.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.