Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Der Beginn

Ein Ende als Anfang

Von: Franziska_J
22.06.2019

„Wann bin ich eigentlich so geworden? Und wie um alles in der Welt hatte ich das zulassen können?“ Wenn ein Buch mit dem Selbstmord des Hauptprotagonisten beginnt, dann ist das zunächst ziemlich seltsam, markiert ein Suizid doch das radikalste Ende eines scheinbar missglückten Lebens. Doch Carl Frode Tiller beweist, dass ein Selbstmord auch einen Anfang markieren kann. In seinem neuen Roman Der Beginn erzählt der norwegische Bestsellerautor die berührende Geschichte von Terje, der nach einem Selbstmordversuch im Sterben liegt. Während seine Mutter und seine Schwester an seinem Krankenbett sitzen und ihn kaum zu beachten scheinen, beginnt der Sterbende (teilweise mit viel schwarzem Humor) über sein verpfuschtes Leben zu reflektieren. Er durchlebt die wichtigsten Stationen von der Gegenwart bis in die Kindheit noch einmal und was dabei herauskommt, ist vielleicht keine lückenlose Erklärung für seine Tat, doch auf jeden Fall eine wunderbare Geschichte über Liebe und die Frage, von wem oder was wir unser Leben bestimmen lassen. Insgeheim sehnte sich Terje sein ganzes Leben lang nach einem erlösenden Zusammenbruch, nach einem Loslassen, doch immer blieb er stark. Er ertrug die Alkoholsucht und Depression seiner Mutter sowie ihre emotionale Erpressung, er lernte mit der Abwesenheit seines Vaters umzugehen und seine Abneigung gegenüber anderen Menschen zu kaschieren. Zum Schluss ertrug er sogar die Trennung von seiner Frau und seiner Tochter. Doch dann kommen der Zusammenbruch und das unausweichliche Ende ganz überraschend: Als ihm eines Abends bei einer Autofahrt ein LKW entgegenkommt, entschließt er sich ohne langes Zögern, auf die gegenüberliegende Fahrbahn zu wechseln. Und damit beginnt die eigentliche Erzählung… „Auf eine Art sind Bäume auch aufrecht stehende Flüsse, dachte ich, mit den Wurzeln, die das Wasser aus der Erde saugen und es übers Splintholz zur Baumkrone transportieren, und der Bastzone zwischen Splintholz und Rinde, in der die Nährstoffe wieder zu den Wurzeln fließen, ganz langsam und still.“ Doch eines wird deutlich: Jeder Selbstmord überschattet das vorangegangene Leben und lässt es als gescheitert erscheinen. Dabei gab es wohl im Leben eines jeden Selbstmörders auch schöne Momente. So auch hier: Terje liebte die Natur. Sie bot ihm Schutz und Zuflucht und so ist auch das Buch geprägt von herrlichen Naturbeschreibungen und -betrachtungen, die auf den Leser, der angesichts von Terjes chaotischem Leben passagenweise auch recht verwirrt ist, beruhigend wirken. Die Erzählung besteht aus kurzen Kapiteln, die einen ausschnitthaften Einblick in das Leben des Protagonisten geben. Als Leser ist man zeitweise etwas orientierungslos, da Kapitelüberschriften wie „Einen Monat vorher“ oder „Vierzehn Jahre vorher“ lediglich grobe zeitliche Orientierungspunkte liefern. Doch eigentlich spielen Daten oder Chronologie hier auch nur eine untergeordnete Rolle. Die einzelnen Kapitel fügen sich vielmehr wie ein Mosaik zusammen, das in seiner Ganzheit zumindest Ansatzpunkte liefert, um die Gründe seiner Tat zu verstehen. Als Leser stellt man sich irgendwann die unausweichliche Frage, ob sein Ende vorherbestimmt war oder ob er vielleicht etwas hätte ändern können, ob er auf die Schicksalsschläge einfach anders hätte reagieren können oder müssen. Es ist die Frage, inwieweit wir Produkte unserer Umwelt sind und wie viel freier Wille uns am Ende wirklich bleibt. Der Beginn – Ein sehr berührender, fast philosophischer Roman mit viel schwarzem Humor an den richtigen Stellen.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.