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Rezension zu
Todesschweigen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wenn schon alles zu spät ist...

Von: Mikka Gottstein aus Hilter aTW
08.07.2019

Der gängige Krimi folgt normalerweise in etwa diesem Schema: Es geschieht ein Verbrechen – meistens ein Mord oder mehrere –, die Ermittler ermitteln, es gibt eine Reihe von falschen Fährten und am Schluss wird der Täter entlarvt. Tat, Ermittlung, Aufklärung, Ende der Geschichte. Nicht so in Claire Askews Debütroman, der 2016 mit dem ‘Lucy Cavendish Prize’ ausgezeichnet wurde. Die Geschichte beginnt zwar mit der Tat – einem Schulamoklauf, bei dem 13 junge Frauen getötet wurden –, aber der Täter steht nicht nur von Anfang an fest, sondern er hat sich auch schon selber gerichtet. Tat, Ermittlung, Aufklärung, Ende der Geschichte…? Der Fokus des Buches liegt auf dem Nachhall der Tat. Claire Askew porträtiert die Trauer der Angehörigen mit sensiblem Strich – ihre Wut, ihren Schmerz und ihre Schuldgefühle –, aber das Gleiche gesteht sie der Mutter des Todesschützen zu, die immerhin auch ihr Kind verloren hat. Die empörte Öffentlichkeit verlangt derweil deren Bestrafung, sogar ihren Tod, während die Presse sich mit reißerischen Schlagzeilen überbietet und zu schäbigen Mitteln greift, um an Interviews und Fotos zu kommen. Die Charaktere werden alle lebendig und schlüssig beschrieben. Man kann sehr gut nachempfinden, was sie bewegt, man steckt beim Lesen sozusagen in ihrer Haut. Die Autorin lässt den Emotionen Raum und verzichtet dabei auf Pathos und künstliches Drama. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen: Moira Summers, die Mutter des Täters. Ihre Trauer wird von der Öffentlichkeit wütend abgetan, als habe sie kein Recht dazu, um ihren Sohn Ryan zu trauern. Sie wird als Mörderin bezeichnet, weil sie einen Mörder geboren hat, sie wird verhöhnt und bedroht. Ihr wird die Schuld gegeben, obwohl sie nichts getan hat – weil sie nichts getan hat, um es zu verhindern. Sie hadert mit sich, muss ihre unendliche Trauer und Mutterliebe irgendwie verbinden mit der Erkenntnis, was ihr Sohn getan hat. Ishbel Hodgekiss, die Muter des ersten Opfers. Sie trauert nicht nur um ihre Tochter Abigail, sondern muss auch erkennen, dass diese Geheimnisse vor ihr hatte und sich von ihr entfernte. Ihr Mann schreit öffentlich nach Rache, und die ohnehin angeschlagene Ehe droht daran zu zerbrechen. DI Helen Birch, die dem Warum nachspürt. Sie versucht, die Puzzleteile so zusammenzusetzen, dass sie Sinn ergeben – und ist sich gleichzeitig bewusst, dass diese Sinnsuche sinnlos ist. Was bringt es, wenn sie den Tatverlauf bis ins Kleinste kennt? Wem hilft es, wenn sie die Motive des Täters versteht? Es macht die jungen Opfer nicht wieder lebendig, und es ist niemand mehr da, den die Justiz dafür bestrafen kann. Durch dieses Triumvirat sieht der Leser die Geschichte dieses Amoklaufs aus jeder möglichen Perspektive. Ihr gemeinsamer Widersacher ist Journalist Grant Lockley, der vor nichts haltmacht für die nächste Schlagzeile, dem nichts heilig ist. Er verkörpert einen sehr interessanten Aspekt der Geschichte: die Frage, was Journalismus darf und was nicht – was sich mit dem viel beschworenen ‘berechtigten Interesse der Öffentlichkeit’ noch entschuldigen lässt. Wann schlägt dieses ‘berechtigte Interesse’ um in blanken Voyeurismus? Wie würde ich reagieren? Es sind Fragen wie diese, die das Buch spannend machen. Für mich ist es im Grunde eher ein Drama als ein Krimi, da die Spannung zwangsweise ganz anderer Natur ist, wenn es nicht um Tat, Ermittlung, Aufklärung geht, sondern um den emotionalen Nachhall. Auch das Tempo ist eher langsam, passt aber meines Erachtens gut zur Art dieser Erzählung. Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Er ist klar und schnörkellos und transportiert die Atmosphäre und die Emotionen der Charaktere dennoch wunderbar.

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