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Rezension zu
Die Wahrheit und andere Lügen

Inhaltlich und sprachlich ein Hochgenuss!

Von: Annette Traks
09.04.2015

Henry Hayden hat es als Schriftsteller zu beachtlichem Ruhm gebracht und kann ein überaus angenehmes Leben in Wohlstand führen. Sein neuester Roman ist auch schon so gut wie fertig, es fehlt nur noch der Schluss. Einzige Schönheitsfehler: Er hat nicht eine Zeile der Werke, die unter seinem Namen veröffentlicht worden sind, selbst verfasst. Autorin ist in beiderseitigem Einvernehmen stets seine Ehefrau Martha gewesen – genau wie beim aktuellen Manuskript. Außerdem ist Betty, Henry's Lektorin und Geliebte, schwanger – und will das Kind unbedingt bekommen. Henry zieht in Erwägung, seiner Frau Affäre und Schwangerschaft zu beichten, bevor sie selbst dahinterkommt. Doch andererseits ist sie die Garantin seines Erfolgs, daher beschließt er angesichts der möglichen Konsequenzen, Betty lieber aus dem Weg zu räumen. Eine Gelegenheit ergibt sich schneller als gedacht, doch Henry unterläuft ein fataler Fehler, der eine Reihe folgenschwerer Verstrickungen nach sich zieht. So manches Mal gerät er in Bedrängnis und erkennt sehr schnell, „dass man ihm glauben würde, solange er log. Nur mit der Wahrheit musste er sparsam und weise umgehen.“ (E-Reader, Pos. 1317). Denn „Herrgott im Himmel, dachte Henry, wenn ich die Wahrheit sage, glaubt mir keiner.“ (Pos. 1673) Sein Schicksal bleibt bis zum Schluss spannend, fordert ein paar zum Teil drastische „Korrekturen“ und letztlich einen Neubeginn. Resümee: Nicht nur inhaltlich ist dies ein außergewöhnlicher Roman, sondern auch sprachlich ein Hochgenuss: Der Autor kann mit Sprache exzellent umgehen, setzt sie subtil und pointiert ein. Dadurch entstehen Wendungen, die den Leser schmunzeln lassen; oft aber bleibt einem das Lachen buchstäblich im Halse stecken. Ähnlich ambivalent erging es mir mit der Hauptperson Henry Hayden: Einerseits ist er natürlich ein Hochstapler und Blender - man müsste ihn eigentlich unsympatisch finden, auch auf Grund der Einblicke in seine Vergangenheit. Andererseits aber zeigt er oft (allzu) menschliche Züge und viel Herz. Er ist ein Lebenskünstler, der aus schwierigen Situationen nicht nur das Beste zu machen versucht, sondern möglichst noch einen Nutzen für sich herausholt. Ähnlich wie ein kleines Kind kann er seine Handlungen immer wieder vor sich und anderen rechtfertigen und den Kopf aus der Schlinge ziehen. Je ambitionierter andere Personen dagegen auf der Suche nach der Wahrheit sind, um so größer wurde meine Antipathie ihnen gegenüber. Der Ausgang ist lange nicht absehbar, denn immer wieder gibt es Wendungen und neue konfliktträchtige Verkettungen, meist als Fügung des Schicksals, unbewusst ausgelöst durch Personen aus Henry's nahem Umfeld. Dabei wird das Geschehen in erster Linie aus seiner Perspektive erzählt, aber wir erfahren auch andere Sichtweisen – z.B. die von Betty und der Verlagssekretärin oder die des Fischhändlers Obradin. Jede Person lebt in und mit ihrer eigenen Realität. Sowieso dreht sich thematisch alles um die Gratwanderung aus Lüge und Wahrheit – und vor allem Henry scheint manchmal selbst nicht so recht zu wissen, auf welcher Ebene er sich gerade befindet; zu stark verschwimmen gelegentlich die Grenzen. Fazit: Ein Roman, der meines Erachtens völlig zu Recht für den Friedrich- Glauser-Preis des Syndikats – der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur – in der Sparte „Kriminalroman-Debüt nominiert worden ist. Die Bekanntgabe erfolgt am Donnerstag, dem 30. April.

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