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Rezension zu
Harz

Ein beklemmender Thriller in der vermeintlichen Idylle Schwedens - psychologisch klug aufgebaut und spannend erzählt!

Von: Karla Paul / Buchkolumne.de aus Hamburg
23.07.2019

„Still und langsam wurde mir klar, dass die Dunkelheit wohl nicht noch mehr Schmerz aufnehmen konnte, und dass der Schmerz deshalb in Carl und mir sitzen blieb. Dass die Dunkelheit schon voll war. So wie unser Haus. Vielleicht war es auch das, was mein Vater spürte. Vielleicht hatte er auch Schmerzen in der Dunkelheit. Und vielleicht hat er gedacht, ich hätte keine. Ich wusste nicht, ob ich es erzählen sollte.“ Liv wächst mit ihrer Familie in der Idylle Schwedens auf – sie leben auf einer kleinen Halbinsel und bewohnen dort den einzigen Hof. Fernab von der Zivilisation betrieb der Großvater dort erst eine Schreinerei, dann verkaufte man die wilden Tannen als Weihnachtsbäume und war in der ferneren Umgebung stets beliebt für das handwerkliche Geschick. Alles, was sie zum Überleben benötigen, erhalten sie aus der sie umgebenden Natur, sie fischen, jagen, sammeln. Doch das zurückgezogene Leben birgt auch Schattenseiten, in der Einsamkeit entwickeln sich über die Generationen verhängnisvolle Eigenschaften. Der Vater beginnt sich und die Seinen zu schützen, sich gegen ein mögliches Eindringen, gegen jeden Verlust und das Fremde zu wehren und das um jeden Preis. Schon bald kann er Freund und Feind nicht mehr voneinander unterscheiden und das hat tödliche Folgen … 

Die schwedische Autorin Ane Riel erzählt uns diese Geschichte abwechselnd aus der Sicht des Kindes, des jungen Mädchens Liv – was eine ebenso spannende wie oft schwer zu ertragende Wahl ist, als auch mithilfe von Briefen der Mutter an ihre Tochter. Diese, so erfahren wir bald, hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits für den so gar nicht goldenen Käfig ihres Mannes entschieden: „Ich habe das Gefühl, dass ausserhalb dieses Schlafzimmers Dinge passieren, die ich nicht wissen soll. Es hätte nie so schieflaufen dürfen. Und trotzdem kann ich meine Liebe zu ihm nicht bereuen. Vielleicht ist gar nicht er derjenige, der krank ist. Vielleicht bin ich krank, weil ich es nicht bereue.“ Riel beschreibt das Aufwachsen in der Einsamkeit, die vermeindliche Idylle und deren Entwicklung zum Horror ebenso gut wie die psychologischen Entwicklungen und Komplexe der Familie und wie sie aufeinander einwirken. Die gewalttätigen Folgen sind logisch aufgebaut und erscheinen in ihrer Brutalität nicht übertrieben, gehen einem aber gerade deswegen umso näher. Oft wird einem erst nach einigen Seiten klar, was Liv und anderen Charakteren angetan wird, da die kindliche Perspektive und das fehlende Unrechtsbewusstsein die Gewalttaten derart kindlich und unschuldig beschreibt. Gerade durch die wechselnden Einsichten innerhalb der Familienmitglieder, durch den Blick ins Innere aber auch die im Laufe des Buches folgende Sicht von außen, d.h. von einem Bewohner des Dorfes unweit der Halbinsel, bleibt der Roman spannend und – leider – realistisch. Wer Gewalt gegen Kinder und Tiere nur schwer aushält, dem sei von diesem Roman abgeraten. Wer aber gern einen aussergewöhnlichen, abwechslungsreich und professionell aufgebauten und von Julia Gschwilm übersetzten Psychothriller lesen möchte, der in typisch nordischem Stil alle Möglichkeiten des Spannungsgenres auszunutzen weiß, dessen Charaktere einen nach den knapp 300 Seiten noch eine Weile begleiten werden, der ist in Livs Familie gut aufgehoben. Oder zumindest bis der Vater von dem neuen Ankömmling erfährt ..

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