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Rezension zu
Harz

Klein, aber Oho!

Von: Kaisu
04.08.2019

“Im weißen Zimmer war es dunkel, als mein Vater meine Großmutter umgebracht hat. Ich war da.” (Buchbeginn) Liv ist ein kleines Mädchen. Unerfahren mit der großen weiten Welt, kaum soziale Kontakte, abgeschirmt von der Außenwelt. Dennoch ist sie glücklich. Sie hat ihren Vater und ihren Bruder. Der Vater ist ihr großes Vorbild und bringt ihr eine Menge bei. Wie man Hasen fängt, wie man Fische angelt, vor welchen Gefahren man sich in Acht nehmen soll. Ihre Mutter übernimmt dabei den Aspekt der Lehrerin und liest ihr vor. Bildet sie auf diese Art und Weise. Aber reicht das aus? “Das Kind muss in die Schule!”, bestimmt die Großmutter, die eines Tages zu Besuch kommt. Energisch nimmt sie die Dinge selbst in die Hand. Möchte das Wohnhaus der Familie auf Vordermann bringen, bestellt einen Container für den ganzen Schrott, der sich angesammelt hat und viele Räume fast unbewohnbar macht. Außerdem meldet sie Liv in der Schule an. Der frische Wind wird jedoch rasant im Keim erstickt. Jens, der Vater, bringt seine Mutter kurzerhand um. “Jens wünschte sich tief im Inneren einen Sohn, Maria wünschte sich tieg im Inneren eine Tochter, und Else Haarder wünschte sich tief im Inneren eine Katastrophe. Auf eine Art bekamen alle drei ihren Wunsch erfüllt.” (S.64) Damit die Behörden nicht nachfragen, wo die kleine Liv denn bleibt und warum sie nicht zur Schule kommt, täuscht der Vater ihren Tod vor. Ertrunken, ein tragisches Unglück, er konnte nichts mehr für seine Tochter machen und bittet von Mitleidsbekundungen abzusehen. Die Familie zieht sich immer weiter zurück. Liv spielt mit wilden Hasen und ihrem Bruder. Der Vater schreinert und bastelt weiterhin wild vor sich hin. Die Mutter nimmt immer mehr zu und kann das Bett nicht mehr verlassen. Der Familienhof vermüllt. Bis hierher ist die Basis der folgenden Ereignisse kurz zusammengefasst. Viel mehr kann ich auch nicht erzählen, da ich sonst zu viele Anreize für Hirngespinste und damit Spoiler geben würde. Letztlich zeigt das Buch eine Familie, die glücklich ist – oder eher war – und die nun an die Grenzen ihres Daseins stößt. Eine Grenze wo Menschen ihre Menschlichkeit verlieren und Dinge machen, die äußerst egoistisch und dramatisch sind. “Er wollte seine Tochter nicht bewahren, um ihre Seele zu erlösen. Er woltte seine Tochter einfach nur bewahren. Sie behalten. Sie nicht verlieren müssen.” (S.176) Liv kommt selbst zu Wort. Aus Kinderaugen – aber nicht zu kindisch – beobachtet sie aufmerksam ihre Umgebung und schildert ihre Eindrücke von den Erlebnissen auf dem Hof. Da werden zugemüllte Räume zu Abenteuerspielplätzen und eine Karnickelplage zu vielen Haustieren, die überall hinköteln. Parallel dazu darf Jens Haarder, aus der Sicht eines auktorialen Erzählers, sein Leben erzählen, ebenso die Mutter in kurzen Frequenzen und später kommt eine weitere Person hinzu. Gerade der Punkt, dass die junge Liv so viel berichten darf, lässt manche Szene übler wirken, als wenn der Vater sie erzählt hätte. Da spricht die Unschuld und Naivität aus ihrem Mund. Sie ahnt nicht im geringsten, welchen Bären ihr ihr Vater aufgebunden hat. Zudem zeigen sich bereits deutliche Auswirkungen der Abschirmung in ihren Wesenszügen. “Harz” ist ein Buch, was mich überrascht, überwältigt und am Ende vollkommen überzeugt hat. Der Schreibstil ist auf den ersten Seiten etwas ungewohnt, aber man ist rasch drin und verfällt seinem Sog. Letztlich sind es die kleinen dramatischen Momente, von denen das Buch lebt. Sie hauen stets eine weitere feine Schippe auf den Trümmerhaufen, bevor er am Ende komplett zusammenbricht. Das Ende, die letzten Zeilen, waren schlussendlich das perfekte i-Tüpfelchen. >> Ein Lesetipp für ein paar kurze Lesestunden, die sich emotional vollends lohnen werden!

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