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Rezension zu
Der Alte muss weg

Gattenmord ist auch keine Lösung

Von: Edith Nebel
12.08.2019

Keine Frage: Routine erleichtert das Leben und Rituale geben Halt. Aber wenn man so in Gewohnheiten erstarrt ist, dass jahraus, jahrein ein Tag wie der andere ist und das auch für den Rest des Lebens so bleiben wird, ist das schon ein bisschen frustrierend. Die Kölnerin Stefanie Herren, 50+, führt so ein Leben. Ihren Mann Tom, der seit 30 Jahren Industriemeister bei einem Automobilhersteller ist, scheint das tägliche Einerlei nicht zu stören. Doch Steffi schaut eines Tages in den Spiegel, sieht eine beigefarbene Frau in leberwurstfarbener Kleidung und weiß, dass sich was ändern muss. Aber was? Sich scheiden lassen und mit spärlichem Unterhalt irgendwo anders ganz von vorn anfangen? Nö! Ihren Lebensstandard würde sie schon gern behalten. Steffis Schwester Marion und den gemeinsamen Freundinnen geht es nicht viel besser. Beim Mädels-Stammtisch kommen die Freundinnen auf die Schnapsidee, dass sie als wohlhabende Witwen besser dran wären. Mit ihrem Fernseh-Wissen fachsimpeln sie, wie man am besten den jeweiligen Gatten umbringen könnte. Dass die Pläne auch am nüchternen Morgen noch Bestand haben und sie tatsächlich entsprechende Vorbereitungen ergreifen, erstaunt sie selbst. Doch im realen Leben klappt das Morden nicht so wie im „Tatort“. Es gibt Kollateralschäden und unvorhergesehene Pannen. Wenn Steffi einerseits Mordpläne schmiedet, aber andererseits vor Sorge nicht schlafen kann, weil ihr Mann noch nicht nach Hause gekommen ist, kichert der Leser. Wenn sie ihn ohnehin zeitnah loswerden will, was interessiert es sie dann noch, wohin er geht, was er plant und woher er auf einmal das viele Geld hat, das er mit vollen Händen ausgibt? Steffi selbst ist sich des Widerspruchs nicht bewusst. Als ein langjähriger Freund einen tödlichen Unfall erleidet, kommen ihr erstmals Zweifel an ihrem Tun. Das hier ist kein Gesellschaftsspiel! Ihre Freundinnen und sie sind im Begriff, jemandem das Leben zu nehmen. Nicht irgendjemandem, sondern dem Lebenspartner, dem Vater ihrer Kinder. Und warum? Aus Langeweile! Jammert nicht gerade Steffi auf hohem Niveau? Es muss doch auch andere Möglichkeiten geben, etwas Schwung in ein langweilig gewordenes Leben zu bringen, als den Partner umzubringen! Aber ist in ihrer Ehe überhaupt noch etwas zu retten? So, wie Tom sich in letzter Zeit verändert hat, hat er doch längst eine Neue! Vielleicht sollte sie die Mordpläne doch weiter verfolgen! Und dann kommt die Polizei ins Spiel … Kann man einen humorvollen Roman über trostlose Langzeitbeziehungen und Gattenmord schreiben, der die Leser*innen zum Lachen, Mitfiebern und Nachdenken bringt? - Carla Berling bringt das Kunststück fertig. Wer ungefähr im Alter der Heldinnen (50+) ist und Erfahrungen mit langjährigen Beziehungen hat, dürfte sich in den ins Komische überspitzten Schilderungen des Ehealltags wiedererkennen. Zumindest teilweise. Man lacht über die hemmungslos ehrlichen Gedanken, die witzigen Dialoge und haarsträubenden Aktivitäten der Romanfiguren, aber ein wenig ertappt fühlt man sich auch. Da wir im Buch nur Steffis Perspektive kennen und nicht die ihres Mannes, können wir uns auch ungehemmt mit ihr solidarisieren und uns in ihre Abneigung gegenüber dem faden Leben und noch faderen Gatten hineinsteigern. Und solange sie ihre Einstellung und ihre Aktivitäten nicht hinterfragt, tun wir Leser*innen das auch nicht. Sie hat über die Jahre verlernt, ihren Ehemann als Person wahrzunehmen. Für sie hat er inzwischen den Stellenwert eines unansehnlich gewordenen Möbelstücks und deshalb hat sie auch keine Skrupel, ihn zu entsorgen. Aber Steffi ist nicht doof. Sie reagiert auf die Veränderungen in ihrem Umfeld und verändert sich dadurch selbst. Das ist interessant und amüsant zu beobachten. Als Leser*in hofft man, dass sie nun erkennt, welche Möglichkeiten sie sonst noch hat … außer zu morden. Der Schluss ist mir ein bisschen zu radikal. Aber ich bin eben auch so ein Gewohnheitstier wie die Heldin. Mit mir könnt‘ man das nicht machen! Sei’s drum. Ich fand den Roman höchst unterhaltsam – und ein bisschen zu denken gibt er einem auch.

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